Musiken der Nacht

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Nina K

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Die Pause war viel zu kurz, denn der Beifall verschlingt fast die letzte Note. Die Sopranistin verbeugt sich - „Banausen“ - und ein Rosenstrauch wird ihr gereicht. Das nennt sich Erfolg.

Die Geige verdrängt die wenigen Cent-Stücke im Instrumentenkasten und dann schließt sich der Deckel. „Für die Nacht im Pik As wird es heute nicht reichen, doch noch ist es Sommer.“ Das nennt er heut Glück.

Im Rauch erstickt fast das klägliche Jammern und das Sax klingt sehr traurig. Verkanntes Talent streckt den Atem und wird übersprochen. „Was war doch gleich Sehnsucht?“, denkt er und erhascht einen Blick unter Röcke.

„Das war aber knapp“, meint der Fernfahrer, trocknet den Schweiß und erzittert noch einmal. Dann dreht er das Radio lauter. Es schmettert Domingo, er verdreht schnell die Augen und wechselt den Sender.

„Ich bringe Euch gut durch die Nacht“, verspricht sie in’s Mikro, „Die Strassen sind frei.“ Gegähnt wird nur heimlich, doch es kommt noch ein Anruf: „im Elbtunnel Stau.“ Dann legt sie Abba auf, passend zur Stimmung.
 
Hallo Nina K,

ich finde den Aufbau, das Szenario, sehr gut. Fünf Miniszenen, die durch die unterschiedliche Handhabung von Musik charakterisiert sind. Sie beleuchten sich gegenseitig, daher ist auf jedes erklärende Wort verzichtet.

Sprachlich habe ich am Anfang ein Problem:
Die Pause war viel zu kurz, denn der Beifall verschlingt fast die letzte Note.

Welche Pause? Man nimmt vom Wort her zunächst an, es ginge um die Konzertpause. Aber das trifft hier ja nicht zu, denn der Beifall verschlingt die letzte Note. Also ist es das Ende des Auftritts, zumal ja auch ein Rosenstrau[red]ch[/red] gereicht wird. (Ich hoffe ja doch, es ist nur ein Strauß und kein ganzer Strauch).
Aber was ist jetzt mit der Pause gemeint, die viel zu kurz war? Ich unterstelle mal, du meinst den Moment zwischen dem Ende des musikalischen Auftritts und dem Einsatz des Beifalls. Da würde ich eigentlich nicht das Wort Pause nehmen, zumal so vorweggeschickt.

Auch scheint für mich der Satz im Weiteren etwas ungenau. Denn wie kann der Beifall fast die letzte Note „verschlingen“ (ich denke dann, der Beifall bricht wirklich mit dem letzten Ton los), wenn doch von einer Pause (auch wenn sie zu kurz ist) die Rede ist.
Man könnte vielleicht was in diese Richtung versuchen: Noch mit / vor dem letzten Ton bricht der Beifall los.

Auch mit dem „Banausen“ habe ich persönlich ein kleines Problem. Offenbar denkt die Sopranistin das in Bezug auf ihr Publikum. Doch es ist ja eine erfolgreiche Sopranistin: Damit ist sie diese Art von Beifall als Profi gewöhnt und zweitens ist das Hineinapplaudieren ja auch ein Beweis, dass man großartig war, und ich glaube aus meiner Erfahrung nicht, dass eine so Gefeierte sich darüber ärgert, dass der letzte Ton schon im Beifall unterzugehen droht. (Darüber ärgern sich allenfalls - zu Recht? - penible Konzertbesucher.) Nun, das ist eine persönliche Anschauung.

Gelungen finde ich diesen Satz, an dem alles stimmt:
Die Geige verdrängt die wenigen Cent-Stücke im Instrumentenkasten und dann schließt sich der Deckel.
Ein sehr interessanter Blickwinkel, da die handelnde Person ganz ausgespart ist.

Sehr interessante Musiken der Nacht!

Beste Grüße
Monfou
 



 
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