Nachbarn

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spookymulder

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Martin sah aus dem Fenster zu dem Haus gegenüber. Wie jeden Morgen öffnete sich die Türe und der Alte Mann trat heraus, einen Zigarillo in seinem Mundwinkel. Der Stock auf den er sich stützte, war so alt und knorrig wie er selbst. Er bog sich gefährlich durch, als er sich bückte und die Zeitung aufhob, die auf der grauen, fussligen Fußmatte lag. Seit Martin vor zwei Monaten eingezogen war, kam der alte Mann jeden Morgen aus seiner Haustüre und hob seine Zeitung auf. Unausweichlich den Gesetzen der Schwerkraft folgend, kippte er nach vorne. Knarrend bog sich der Stock und fing ihn auf, bevor er auf die Fußmatte fallen konnte. Und jeden Morgen seit zwei Monaten hielt Martin den Atem an in der Befürchtung, der Stock müsste unweigerlich unter der Last der Jahre zusammenbrechen und den alten Mann auf direktem Weg zu Boden führen. Aber jedesmal kam er schnaufend wieder nach oben und stand auf wackligen Beinen, die Zeitung in den Fingern, und sog heftig an dem Zigarillo, als könnte ihn dieser mit
dem nötigen Sauerstoff versorgen, den er so dringend brauchte.

Sein Kopf pendelte dabei hin und her, die Lippen fest zusammengeknifen, aus Angst, ihren wertvollen Inhalt zu verlieren. Dabei glitten seine Augen suchend über die Straße und ihre Häuser und blieben schließlich an Martins Fenster hängen.
Die Augen des Alten blinzelten und er verzog den Mund zu einem Lächeln. Dabei brachte er es fertig, den Zigarillo nicht zu verlieren. Er brachte es sogar fertig, den Arm zu heben und mit der Zeitung zu winken. Obschon ihn diese Geste das letzte bisschen seiner Kraft zu kosten schien, wartete er darauf, dass Martin seine Geste erwiederte, bevor er schlurfend und auf seinen Stock gestützt zurück in sein Haus ging.

Eines Abends saß Martin mit der Zeitung in der Hand im Wohnzimmer. Die Schlagzeile, die seit Tagen die Meldungen beherrschte, lautete: «Immer noch keine Spur des Vorstadtkillers - wann schlägt er das nächste Mal zu?»

Obwohl er Sensationsgier in jeder Weise verabscheute, konnte er ein wohliges Schaudern bei der Lektüre nicht unterdrücken. Der Killer, hinter dem die Polizei erfolglos her war, hatte sein fünftes Opfer wie seine anderen auf bestialische Weise gefoltert und nach ihrem Tode in kleine Portionen zerstückelt in einer Mülltonne entsorgt. Zu seinen Opfern gehörten ausschließlich allein lebende Männer Mitte dreißig, die außer ihrem Beruf nicht viel in ihrem Leben hatten. Außer den Menschenleben war jedoch nie etwas geraubt worden, weßhalb die Ermittler darauf schlossen, dass der Täter einzig Spaß am Töten hatte.

Mittlerweile war er so dreißt geworden und schickte der Polizei Nachrichten, in welchem Mülleimer er die Leiche versteckt hatte. Bei dem Gedanken daran, dass er zu der Zielgruppe des Killers gehörte, wurde der wohlige Schauer eine Spur kälter.
In diesem Moment klingelte es an der Türe. Martin zuckte zusammen und schimpfte sich in Gedanken einen Angsthasen, während er Aufstand und zur Türe ging.
Er öffnete und der alte Mann aus dem Haus gegenüber stand vor ihm. Im Licht der Außenbeleuchtung waren die Runzeln und Falten des Alten noch tiefer und verwinkelter als bei Tag. Sein faltiger Mund verzog sich zu einem breiten Grinsen, dass ein Perlweißes Gebiss offenbarte.

«Guten Abend! Bitte Entschuldigen Sie die späte Störung, aber ich würde Ihre Hilfe bei einem schweren Paket benötigen, dass ich alleine nicht in den Keller tragen kann. Ich würde ja warten bis mein Sohn Morgen kommt, aber es sind verderbliche Lebensmittel in dem Paktet, die dringend in die Kühltruhe müssen.»

Seine Stimme hatten einen angenehm tiefen Klang, der Martin an die Besuche bei seinem Großvater erinnerten und die Geschichten, die ihm dieser erzählt hatte. Er legte die Zeitung aus der Hand und nickte.
«Natürlich helfe ich Ihnen. Wozu hat man denn schließlich Nachbarn?»
Ihn fröstelte bei dem kurzen Gang über die Straße. Es war neblig und Feuchtigkeit und Kälte krochen durch seine Kleidung hindurch in ihn hinein. Genau die richtige Nacht für einen Mord, ging es ihm durch den Kopf. Er schüttelte unwillig den Kopf und beeilte sich, dem Alten zu folgen. Allem Anschein nach schien ihm das Wetter nichts auszumachen, denn er bewegte sich erstaunlich schnell und gewandt für sein Alter.

Im Flur des Hauses stand eine kleine Kiste mit der Aufschrift «Verderblich - Kühl Lagern». Eine steile Treppe führte hinab in den Keller. Martin griff sich die Kiste und ächzte. Sie war schwerer als sie aussah. Mit der Kiste auf dem Arm ging er langsam die Treppe hinunter, der Alte hinter ihm her. Eine einzige Glühbirne unter der Decke warf einen fahlen Lichtkreis, der kaum einen Meter weit schien.
Unten angekommen stellt er seine schwere Last auf den Boden und rieb sich den Rücken. Er war doch mehr außer Kondition, als er gedacht hatte.
«Das sind aber ganz schön schwere Lebensmittel, die Sie da haben.»

«In der Tat, äußerst schwer», erwiederte sein Nachbar und hob gemächlich eine schweren Holzknüppel, der unbemerkt am Fuß der Kellertrappe gelegen hatte. Er richtete sich auf, schwang den Knüppel und lies ihn auf Martins Hinterkopf sausen. Martin riss die Augen auf und sackte mit einem leisen «Oh!» zu Boden. Auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck seichter Verblüffung. Den Mund hatte er ein wenig geöffnet, als wollte er noch etwas sagen und hatte keine Gelegenheit mehr dazu gehabt.

Der Alte wartete einige Sekunden, ob Martin wirklich bewusstlos war. Als er sich sicher fühlte, zog er aus einer Ecke des weitläufigen Kellers einen OP-Tisch auf Rollen. Wie durch ein Wunder waren das Alter und die Gebrechlichkeit von ihm abgefallen. Es bereitete ihm nur wenige Mühe, Martin auf den Tisch zu heben und mit einigen starken Seilen zu fesseln. Ein Halogenstrahler und eine schwarze Ledertasche machten das Szenario perekt.

In diesem Moment erwachte Martin aus seiner Bewusstlosigkeit. Stöhnend drehte er den Kopf von einer Seite zur anderen, nicht in der Lage einen klaren Gedanken zu fassen. Als die bunten Schlieren vor seinen Augen und das Hämmern in seinem Kopf nachliesen, sah er sich um und blickte diretk in den Halogenstrahler. Murrend drehte er den Kopf aus dem Licht. Der Alte lachte.
«Na? Aufgewacht? Schön, dann können wir ja anfangen.»
Er öffnete die schwarze Ledertasche und entnahm ihr einige metallische Gegenstände, die er säuberlich auf einem Metallständer neben dem Tisch ablegte. Aus seiner Hosentasche zog er ein Stofftaschentuch und begann die Instrumente auf dem Tisch zu polieren. Sorgfältig prüfte er jedes einzelne und hielt es ins Licht des Strahlers, bevor er es wieder zurück legte.

Martin sah ihm zu und verstand nicht, was da vor sich ging. Der Alte, mit seiner Arbeit zufrieden, nahm eines der Instrumente zur Hand und näherte sich seinem Opfer. Das Skalpell glitt mühelos durch Martins Kleider hindurch in seinen Oberschenkel hinein. Er brüllte und warf sich in seine Fesseln. In diesem Moment begriff er, dass er den Keller nicht mehr Lebend verlassen würde.

Einige Monate nach dem das sechste Opfer gefunden worden war, bezog ein neuer Mieter das Haus, dem der Alte gegenüber wohnte. Jeden Morgen beobachtete er den Alten, wie er auf seinen Stock gestützt die Zeitung holte. Eines Abends klingelte es an der Haustüre und der neue Mieter öffnete. Vor ihm stand der Alte Mann und lächelte ihn freundlich an.
«Guten Abend. Bitte Entschuldigen Sie die späte Störung, aber könten Sie mir wohl bei einem schweren Paket behilflich sein?»
 
Hi,

die Geschichte ist soweit gut und flüssig geschrieben. Allerdings sind noch eine Menge KOmma und Rechtschreibfehler drin.

Vom Inhalt selbst ist sie leider ab der Schlagzeile vorhersehbar und daher dann langweilig. Martin wird ab dem Aufwachen für mich unglaubwürdig. Er wird niedergeschlagen und gefesselt, sieht zu, wie Skalpelle etc. hergerichtet werden und fängt erst an zu brüllen, als er aufgeschlitzt wird? Der nächste Haken kommt, als du erwähnst, dass der Alte den nächsten Mieter der Wohnung aufs KOrn nimmt. Wenn alle Opfer zuvor in der Wohnung gewohnt haben, wäre das ein gemeinsamer Nenner und ich schätze die Polizei nicht sooo doof ein, dass sie dann nicht einen Lockvogel dort unterbringen würden. Oder die umliegenden Häuser/Keller etc. genau durchsuchen würden.


Wie jeden Morgen öffnete sich die Türe und der Alte Mann trat heraus
der alte Mann

Der Stock auf den er sich stützte, war so alt und knorrig wie er selbst. Er bog sich gefährlich durch, als er sich bückte und die Zeitung aufhob,
So, wie du es geschrieben hast, bückte sich der Stock - Vorschlag ..., als der Alte/der alte Mann sich bückte

Sein Kopf pendelte dabei hin und her, die Lippen fest zusammengeknifen, aus Angst, ihren wertvollen Inhalt zu verlieren.
Wer bewertet das? Wer weiß von der *Angst*? Martin kann es nicht wissen, er kann es nur vermuten

letzte bisschen seiner Kraft zu kosten
liest sich umständlich, Vorschlag: den Rest seiner Kraft oder die restliche Kraft oder die letzte Kraft

Die Schlagzeile, die seit Tagen die Meldungen beherrschte, lautete: «Immer noch keine Spur des Vorstadtkillers - wann schlägt er das nächste Mal zu?»
Sorry, so wie du es bringst, ist es keine *Schlagzeile*.

Der Killer, hinter dem die Polizei erfolglos her war, hatte
Wenn sie schon erfolg gehabt hätte, gäbe es nicht die Schlagzeile. Der Zusatz ist also überflüssig

Außer den Menschenleben war jedoch nie etwas geraubt worden,
und was hat er mit den geraubten Menschenleben angefangen? Vertickert? *g* konnte ich mir nicht verkneifen. Aber so kannst du es nicht bringen

Mittlerweile war er so dreißt geworden und schickte der Polizei Nachrichten, in welchem Mülleimer er die Leiche versteckt hatte.
Wenn er sie versteckt hätte, würde er es nicht der Polizei mitteilen, entsorgt - würde besser passen

Auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck seichter Verblüffung.
Unter: Seichter Verblüffung kann ich mir nichts vorstellen

Murrend drehte er den Kopf aus dem Licht.
Hier musste ich lachen. Martin wurde ko geschlagen, wacht auf, stellt fest, dass er gefesselt ist und *murrt* nur?

metallische Gegenstände, die er säuberlich auf einem Metallständer
Ww: metallische/Metallständer

Martin sah ihm zu und verstand nicht, was da vor sich ging.
Und ich wundere mich, dass Martin sooo ruhig und teilnahmslos bleibt

In diesem Moment begriff er, dass er den Keller nicht mehr Lebend verlassen würde.
Also seit er aufgewacht ist, wurde er für mich immer unglaubwürdiger.

Einige Monate nach dem das sechste Opfer gefunden worden war, bezog ein neuer Mieter das Haus, dem der Alte gegenüber wohnte.
Hm, wohnten die anderen Opfer auch alle in dieser Wohnung? Dann müsste doch die Polizei den Mörder in dieser Gegend intensiv suchen. Klar, ein alter, gebrechlicher Mann wird vielleicht nicht auf Anhieb in den Kreis der Tatverdächtigen kommen, aber die gleiche Wohnung wäre eine Gemeinsamkeit.
 

spookymulder

Mitglied
Hallo Sheila,

was die Rechtschreibung betrifft, könnten meine Schreibereien ja bei der neuen (alten) Regelung durchaus richtig sein ;-) Aber Spaß beiseite. Erstmal vielen Dank fürs Lesen und überarbeiten.

Deine Anregungen habe ich größtenteil umgesetzt, aber nach dem k.o.-Schlag die Geschichte verändert. Keine Angst, einen Mord gibts nach wie vor.

Hier ist die überarbeitete Fassung. Viel Spaß damit.

Grüße,

SpookyMulder

Martin sah aus dem Fenster zu dem Haus gegenüber. Wie jeden Morgen öffnete sich die Türe und der alte Mann trat heraus, einen Zigarillo in seinem Mundwinkel. Der Stock auf den er sich stützte, war so alt und knorrig wie er selbst. Er bog sich gefährlich durch, als der alte Mann sich bückte und die Zeitung aufhob, die auf der grauen, fussligen Fußmatte lag. Seit Martin vor zwei Monaten eingezogen war, kam der alte Mann jeden Morgen aus seiner Haustüre und hob seine Zeitung auf. Unausweichlich den Gesetzen der Schwerkraft folgend, kippte er nach vorne. Knarrend bog sich der Stock und fing ihn auf, bevor er auf die Fußmatte fallen konnte. Und jeden Morgen seit zwei Monaten hielt Martin den Atem an in der Befürchtung, der Stock müsste unweigerlich unter der Last der Jahre zusammenbrechen und den alten Mann auf direktem Weg zu Boden führen. Aber jedes Mal kam er schnaufend wieder nach oben und stand auf wackligen Beinen, die Zeitung in den Fingern, und sog heftig an dem Zigarillo, als könnte ihn dieser mit dem nötigen Sauerstoff versorgen, den er so dringend brauchte.

Sein Kopf pendelte dabei hin und her, die Lippen fest zusammengekniffen, damit sie ihren wertvollen Inhalt nicht verlieren konnten. Dabei glitten seine Augen suchend über die Straße und ihre Häuser und blieben schließlich an Martins Fenster hängen.
Die Augen des Alten blinzelten und er verzog den Mund zu einem Lächeln. Dabei brachte er es fertig, den Zigarillo nicht zu verlieren. Er brachte es sogar fertig, den Arm zu heben und mit der Zeitung zu winken. Obschon ihn diese Geste den Rest seiner Kraft zu kosten schien, wartete er darauf, dass Martin seine Geste erwiderte, bevor er schlurfend und auf seinen Stock gestützt zurück in sein Haus ging.

Eines Abends saß Martin mit der Zeitung in der Hand im Wohnzimmer, als es an der Türe klingelte. Er runzelte die Stirn und stand auf. Wer konnte um diese Zeit etwas von ihm wollen? Hoffentlich war es nicht Jasmin. Seit er vor zwei Monaten ausgezogen war, sah er ihre Beziehung als beendet an. Nur Jasmin schien das nicht zu verstehen. Sie wollte immer wieder mit ihm „Reden“, da sie ihre Beziehung noch nicht aufgegeben hatte. Er hatte keine Lust mehr auf diese ewigen Diskussionen, die immer in einen Streit mündeten. Gereizt ging er zur Tür. Wenn sie es war, würde er ihr klipp und klar sagen, das es endgültig aus und vorbei war. Er öffnete die Tür mit einem Ruck und blaffte ein unfreundliches „Ja?“, ohne genau hinzuschauen, wer vor der Türe stand.

Doch vor ihm stand nicht Jasmin, sondern der alte Mann aus dem Haus gegenüber. Im Licht der Außenbeleuchtung waren die Runzeln und Falten des Alten noch tiefer und verwinkelter als bei Tag. Sein faltiger Mund verzog sich zu einem breiten Grinsen, dass ein perlweißes Gebiss offenbarte.

„Guten Abend! Bitte Entschuldigen Sie die späte Störung, aber ich würde Ihre Hilfe bei einem schweren Paket benötigen, dass ich alleine nicht in den Keller tragen kann. Ich würde ja warten, bis mein Sohn Morgen kommt, aber es sind verderbliche Lebensmittel in dem Paket, die dringend in die Kühltruhe müssen.“

Seine Stimme hatte einen angenehm tiefen Klang, der Martin an die Besuche bei seinem Großvater erinnerten und die Geschichten, die ihm dieser erzählt hatte. Er legte die Zeitung aus der Hand und nickte. Seine schlechte Laune verflog.
„Natürlich helfe ich Ihnen. Wozu hat man denn schließlich Nachbarn?“
Ihn fröstelte bei dem kurzen Gang über die Straße. Es war neblig und Feuchtigkeit und Kälte krochen durch seine Kleidung hindurch in ihn hinein. Er beeilte sich, dem Alten zu folgen. Allem Anschein nach schien ihm das Wetter nichts auszumachen, denn er bewegte sich erstaunlich schnell und gewandt für sein Alter.

Im Flur des Hauses stand eine kleine Kiste mit der Aufschrift „Verderblich - Kühl Lagern“. Eine steile Treppe führte hinab in den Keller. Martin griff sich die Kiste und ächzte. Sie war schwerer als sie aussah. Mit der Kiste auf dem Arm ging er langsam die Treppe hinunter, der Alte hinter ihm her. Eine einzige Glühbirne unter der Decke warf einen fahlen Lichtkreis, der kaum einen Meter weit schien.
Unten angekommen stellt er seine schwere Last auf den Boden und rieb sich den Rücken. Er war doch mehr außer Kondition, als er gedacht hatte.
„Das sind aber ganz schön schwere Lebensmittel, die Sie da haben.“

„In der Tat, äußerst schwer“, erwiderte sein Nachbar und hob gemächlich eine schweren Holzknüppel, der unbemerkt am Fuß der Kellertreppe gelegen hatte. Er richtete sich auf, schwang den Knüppel und lies ihn auf Martins Hinterkopf sausen. Martin riss die Augen auf und sackte mit einem leisen „Oh!“ zu Boden. Den Mund hatte er ein wenig geöffnet, als wollte er noch etwas sagen und hatte keine Gelegenheit mehr dazu gehabt.

Der Alte wartete einige Sekunden, ob Martin wirklich bewusstlos war. Als er sich sicher fühlte, zog er aus einer Ecke des weitläufigen Kellers einen OP-Tisch auf Rollen. Wie durch ein Wunder waren das Alter und die Gebrechlichkeit von ihm abgefallen. Es bereitete ihm nur wenige Mühe, Martin auf den Tisch zu heben und mit einigen starken Seilen zu fesseln. Ein Halogenstrahler und eine schwarze Ledertasche machten das Szenario perfekt.

In diesem Moment erwachte Martin aus seiner Bewusstlosigkeit. Stöhnend drehte er den Kopf von einer Seite zur anderen, nicht in der Lage einen klaren Gedanken zu fassen. Als die bunten Schlieren vor seinen Augen und das Hämmern in seinem Kopf nachließen, sah er sich um und blickte direkt in den Halogenstrahler. Er wollte die Hand vor die Augen heben, doch es ging nicht. Irgendetwas oder jemand hielt sie fest. Vorsichtig drehte er den Kopf und sah, dass um seine Arme dicke Seile geschlungen waren, die ihn auf einen Tisch fesselten. Verblüfft starrte er auf die Seile und versuchte sich aufzurichten. Auch das ging nicht. Um seine Brust waren ebenfalls Seile gespannt. Martin riss an den Seilen, wand sich und versuchte, seine Fesseln zu lösen – vergeblich. Mit seinen Versuchen zog er sie nur noch fester. Der Mann lachte.

„Ich an Ihrer Stelle würde mich nicht mehr bewegen, sonst schnüren Sie sich noch die Arme und Beine ab.“

Martin starrte ihn an. Er verstand nicht, was der Mann von ihm wollte. Ohne auf ihn zu hören, riss er weiter an seinen Fesseln. Seine Bemühungen schienen seinen Peiniger zu amüsieren, denn er lachte noch mehr. Den Kopf weit zurückgelegt, den Mund geöffnet hielt er sich die Hände vor den Bauch und lachte, als wäre Martin das komischste, dass er je gesehen hatte. Keuchend hielt Martin inne. Dieser Mann machte ihm Angst – Todesangst. Er sah sich nach etwas oder jemandem um, dass ihm helfen konnte, aber er war mit dem Alten allein.

„Hilfe! Hallo, hört mich jemand? Hilfe! Hilfe!“

Martins Schreie gingen in dem Gelächter unter. Verzweifelt warf er sich in seine Fesseln, schrie und zappelte wie ein Fisch auf dem Trockenen. Nur allmählich beruhigte sich der Mann, während Martin erschöpft auf dem Tisch lag. Er war scheißbedeckt. Seine Kleidung klebte ihm am Körper und die Fesseln schnitten scharf in seine Hand- und Fußgelenke. Der Alte trat aus dem Licht heraus und kam mit einem Infusionsständer zurück, an dem ein durchsichtiger Beutel mit einer klaren Flüssigkeit hing. Aus der Tasche nahm er einen Schlauch mit einer Nadel. Den Schlauch befestigte er an dem Beutel und zog die Kappe von der Nadel.

Er trat an den Tisch zu Martin, der ihn die ganze Zeit über beobachtet hatte. Sein Atem ging schneller, als der Alte nach seinem Arm griff und die Nadel hinein stechen wollte. Er zuckte und versuchte, seinen Arm wegzuziehen, aber die Fesseln hinderten ihn daran.

„Was wollen Sie von mir? Bitte, ich kann Ihnen Geld geben! Ich habe viel Geld, dass können Sie haben, aber bitte, bitte lassen Sie mich Frei! Ich habe Ihnen doch nichts getan!“

Tränen liefen sein Gesicht hinab, die Schluchzer vermischten sich mit seinem Flehen. Er konnte nicht verstehen, was er dem Mann getan hatte, dass er ihn hier festhielt. Einen Moment hielt der Mann tatsächlich inne und hob die Hand. Martin glaubte, dass er ihn Frei lassen würde. Aber der Alte wischte ihm nur die Tränen aus dem Gesicht und strich ihm die schweißnassen Haare aus der Stirn.

„Ich würde dich wirklich gerne Frei lassen, glaub mir, aber dann wirst du als erstes zur Polizei gehen und das kann ich nicht zu lassen. Ich habe schon zu lange auf eine Gelegenheit wie diese gewartet. Fünfzig Jahre um genau zu sein.“

Er nahm die Nadel mit dem Schlauch und stach sie Martin in den Arm, ohne sich die Mühe zu machen, die Stelle zu Desinfizieren. Die Nadel befestigte er mit Leukoplast. Dann öffnete er den Hahn unter dem Beutel und die Flüssigkeit lief durch den Schlauch in Martins Körper. Marti schüttelte den Kopf und murmelte „Nein, nein! Bitte, nein!“. Es fiel ihm immer schwerer, die Worte auszusprechen. Seine Zunge wurde zu einem harten Klumpen, den er nicht mehr bewegen konnte. Die Worte verschwammen zu einem unsinnigen Brei und schließlich konnte er gar nichts mehr sagen. Jeder Muskel in seinem Körper wurde schwer und entzog sich seine Kontrolle und sogar seine Augen fielen zu. Ein Kribbeln lief durch ihn hindurch, dass bei den Füßen begann und sich bis in den Kopf fortsetzte. Dem Kribbeln folgte völlige Erschlaffung. Er war von Kopf bis Fuß gelähmt.

Zufrieden beobachtete der Alte Martin. Als sich seine Augen schlossen, riss er zwei Streifen Leukoplast ab. Er hob Martins Augenlieder und klebte sie fest, dass sie sich nicht mehr schließen konnten. Aus der Tasche nahm er eine kleine Ampulle, aus der er ihm Flüssigkeit in Augen tropfte. Martin konnte sich nicht rühren und musste mit ansehen, wie sein Peiniger aus der Tasche mehrere Skalpelle und chirurgische Instrumente nahm, die er ihm auf die Brust legte. Seine Gedanken rasten. Er konnte nicht fassen, was mit ihm geschah. Der Mann musste vollkommen verrückt sein. Das konnte nicht wahr sein. Und doch lag er hier. Regungslos. Gefesselt. Ausgeliefert.

Sorgfaltig begann der alte Mann die Instrumente zu putzen und zu Desinfizieren. Er nahm jedes Einzelne hoch, säuberte es und hielt es gegen das Licht, das sich in dem Stahl brach und scharf in Martins Augen stach.

„Du musst keine Angst haben. Spätestens wenn ich deinen Brustkorb geöffnet habe, wirst du vor Schmerzen Ohnmächtig. Das Mittel, dass ich dir gegeben habe, ist lediglich ein Muskelrelaxans. Das heißt, du kannst dich nicht bewegen, aber immer noch Schmerz empfinden. Ein wirklich sehr gutes Mittel, um Versuche am lebenden Objekt zu machen. Ich war früher Arzt, weißt du. Drüben, in der Sowjetunion. Stalin war ganz verrückt nach Versuchen mit Menschen. Damals dachten wir noch, Mivacron wäre auch ein Narkotikum, aber der einzige Proband, der überlebte, hat uns eines besseren belehrt.“

Er schüttelte den Kopf, als könne er ihren Irrtum von damals immer noch nicht so recht glauben.

„Nach Stalins Tod hat Chruschtschow dann die Versuche verbieten lassen. Ich bin darauf hin den Westen gegangen, um als Arzt mein Dasein zu fristen.“

Während er sprach, ging er um den Tisch herum. Er hielt eines der Skalpelle in den Händen und benutzte es wie ein Dozent einen Zeigestock. Am Fußende blieb er stehen und deutete mit dem Instrument auf Martin, der ihn weiterhin anstarrte. Das Muskelrelaxans war so gut, dass selbst sein Atem langsam und gleichmäßig ging. Die Panik, die ihn bei den Worten des Mannes überkam, schwappte durch seinen Verstand und er fragte sich, welche Experimente dieser Verrückte mit ihm vorhatte.

„Aber ab und zu konnte ich der Versuchung nicht widerstehen und habe meine Versuche an Obdachlosen weitergeführt. Niemand ist mir je auf die Schliche gekommen. Wer fragt auch schon nach einem Penner? Gott sei dank habe ich alle meine Aufzeichnungen von damals mitgenommen. Heute kann ich meine Versuche sogar mittels modernster Technik dokumentieren.“

Abermals trat er in den Schatten und kam mit einer Videokamera, die auf einem Stativ stand, zurück. Er stellte sie am Fußende auf und schaltete sie ein. Das rote Licht blinkte auf und schien Martin wie ein einäugiger Dämon zu verhöhnen. Der Mann trat zu ihm und legte die restlichen Instrumente auf einen kleinen Tisch, der neben der Liege stand, auf der Martin lag. Aus der Tasche nahm er Gummihandschuhe, die er anzog, bevor er Martins Hemd mit einer Schere zerschnitt. Dann hob er seinen Kopf an und legte einen Keil darunter, damit Martin alles genau mit ansehen konnte.

„Versuch Nummer 178b. Der Proband ist ein männlicher weißer, zwischen 30 und 35 Jahre alt, circa 1,80m und von normaler Statur. Bei diesem Versuch soll die Wirkung von Salpetersäure auf die inneren Organe, besonders des Magen-Darm-Traktes, untersucht werden.“

Das Skalpell glitt in Martins Haut und der Mann zog einen sauberen y-Schnitt vom linken und rechten Brustbein bis hinunter zum Bauchnabel. Der Schmerz war wie ein Schock. Martin schier innerlich auf und die Tränen liefen ihm wieder über das Gesicht. Schwarze Nebel kamen von allen Seiten über seinen Verstand und zogen ihn langsam mit sich. Er sah, wie der Mann die Haut und das Gewebe auf seiner Brust aufklappte und seine Rippen freilegte.

Sorgfältig setzte er den Rippenspreizer an und legte, nachdem er die Rippen gebrochen hatte, die Lunge und das Herz frei. Martins Empfinden bestand nur noch aus Schmerz in den unterschiedlichsten Abstufungen und Variationen. Der Nebel wirbelte durch seinen Geist, riss ihn für wenige Sekunden mit und spuckte ihn aus, zurück in den Sturm aus Schmerz und Qual.

In einem hatte sich der alte Mann jedoch geirrt: Martin wurde erst Ohnmächtig, als die ersten Tropfen der Säure auf sein innerstes trafen.

Die Polizei, die eine Woche später von Jasmin gerufen wurde, nachdem Martin auf keine ihrer Kontaktversuche reagiert hatte, fand keinerlei Spuren von Martin. Sie drehten jeden Stein um und befragten jeden der Nachbarn, aber keiner hatte etwas gesehen. Als letzten befragten sie den alten Mann. Er konnte dem ermittelnden Kommissar jedoch nicht helfen.

„Ich bin erst gestern von einem Kurzurlaub aus dem Schwarzwald zurückgekommen. Wissen Sie, ich habe da eine kleine Hütte mit einem Stückchen Wald. Besonders jetzt im Frühjahr muss ich mich darum kümmern, dass die Erde nach dem Winter gut durchlüftet ist und genügend Nährstoffe bekommt. Ich habe da gerade so einen neuen Dünger auf natürlicher Basis ausprobiert. Außerdem ist nichts so gut für die alten Knochen, wie ausgedehnte Spaziergänge durch die Natur.“

Einige Monate nach dem Martin verschwunden war, bezog ein neuer Mieter das Haus, dem der Alte gegenüber wohnte. Jeden Morgen beobachtete er den Alten, wie er auf seinen Stock gestützt die Zeitung holte. Eines Abends klingelte es an der Haustüre und der neue Mieter öffnete. Vor ihm stand der alte Mann und lächelte ihn freundlich an.
„Guten Abend. Bitte Entschuldigen Sie die späte Störung, aber könnten Sie mir wohl bei einem schweren Paket behilflich sein?
 



 
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