Nacht

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Asfalon

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Der feine Kies knirschte unter seinen Sohlen, als er das Eisentor hinter sich schloss und den breiten Pfad entlang schritt, der in die Nacht hineinführte. Die Luft war kalt und eisig, es war die letzte Novemberwoche und der Geruch von Schnee hing überall, schlich sich langsam in seine Nase. Bäume ragten aus den Schatten hervor, dunkle Beobachter, die reglos dastanden und ihn passieren ließen. Krumme Äste lagen hier und da auf dem Weg; dürre, lange Ärmchen hingen über seinem Kopf und strichen ihm im Vorübergehen durch das Haar. Doch er hatte nichts dafür übrig, er kannte diesen Ort und verspürte keine Angst. Es war ein beklemmendes Gefühl, was er verspürte, aber keine reine Angst. Dieser Ort zog ihn magisch an, er war auf gewisse Weise wunderschön und doch so geheimnisvoll und bedrückend. Hier war er allein, er hatte noch nie einen anderen Menschen hier angetroffen. Zumindest nicht in der Nacht; am Tag konnte er hier genug andere stumme Gäste beobachten. Alte Frauen kamen mit Blumen den Weg entlang und schlichen zielbewusst auf das Grab verstorbener Verwandter zu, um Blumen zu gießen oder die Erde zu harken. Ab und an liefen Kinder über den Kies, spielten Fangen und wurden von eben diesen alten Damen für ihr Benehmen der Toten gegenüber getadelt. Am nächsten Tag kamen sie wieder.
Dieser Ort war sein zweites Zuhause geworden, er liebte ihn. Hier fand er die Ruhe, die er oftmals brauchte und nirgendwo sonst fand. Sein Leben machte ihn von Tag zu Tag mehr kaputt, das wusste er ganz genau, und so verbrachte er immer mehr Zeit hier allein, besonders nachts. Dann saß er einfach nur da und genoss die Ruhe um sich herum, die typischen Geräusche der Nacht. Lilien sahen im Dunklen ganz anders aus als bei Tageslicht, wunderschön und gespenstisch. In der ersten Zeit waren ihm die Grabsteine wie Ruinen erschienen, die Bäume mit ihren starren Konturen hatten ihn eingeschüchtert, die Steinmauer ihn eingeengt in diese Welt abseits jeder Zeitrechnung, wo alles still zu stehen und sich nicht mehr zu verändern schien. Doch inzwischen kam er fast jede Nacht hierher und seine Umgebung hatte schon längst an Schrecken verloren. Es war etwas Beklemmendes geblieben, denn dieser Ort barg dennoch seine eigenen Rätsel und Geheimnisse, so schien es ihm zumindest. Er konnte diese Atmosphäre nur schlecht in Worte fassen und er sprach auch nicht darüber. Zu wem auch, er hatte niemanden.

Er ging langsam weiter und ließ seinen Blick über die halb in schwarz liegenden Ruheinseln schweifen. Dort stand ein kreisrunder Brunnen aus dunklem Marmor mit einem steinernen Engel darauf, etwas weiter drüben wuchsen die schemenhaften Umrisse der kleinen Kapelle in die Höhe. Sie wurde nicht mehr benutzt, schon seit Jahren hatte sie keinen Besucher mehr empfangen. Nur ihn. Er hatte in so mancher Nacht in ihr Zuflucht gesucht, zwischen staubigen Kisten und Bänken vor einer Kerze in der Finsternis gesessen und einfach nur nachgedacht. Es waren eben diese Nächte, an die er sich so gern zurückerinnerte, denn sie wären die wenigen schönen Momente in seinem inzwischen so eintönigen Leben geworden.
Er war stehen geblieben. Vor seinen Füßen ein kleines Grab, abseits des Hauptweges gelegen und von tief rot schimmernden Blumen umrahmt. Der Stein war schlicht und unauffällig, aus Naturstein gehauen. Die Schrift war verwittert und nur noch sehr undeutlich zu erkennen, ohne Licht konnte er sie nicht lesen. Er kannte denjenigen nicht, der hier seine Ruhe gefunden hatte, und ihn verband nichts mit dem Toten. Und doch war es eben dieses Grab, an welchem er die meisten Nächte saß und nachdachte. Es gab größere Gräber, die herrlicher waren und täglich gepflegt wurden, auf denen die schönsten Blumen blühten und deren Steine prunkvoller waren, doch in seinen Augen war dieses hier schöner als alle anderen. Vielleicht mochte er es gerade deshalb so gern, weil es unscheinbar und unauffällig war. Genauso wie er, der er schon immer sehr menschenscheu und schüchtern gewesen war, niemals im Mittelpunkt gestanden hatte, niemanden jemals als seinen wahren Freund bezeichnen konnte. Er war ein kleines Sandkorn am weiten Strand, und es wäre niemandem aufgefallen, wenn dieses Sandkorn irgendwann von der nächtlichen Flut erfasst und davongespült worden wäre. Das glaubte er zumindest. Und mit einer Träne im Augenwinkel ließ er sich am Rande des Grabes nieder und schlug die Hände vors Gesicht, um wie jede Nacht heimlich zu weinen …
 

Traveller

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...

... und wie geht die Handlung weiter ?

Mir fehlt was in der Geschichte, die insgesamt sehr präzis beschrieben ist. Ich kenne auch nächtliche Friedhöfe, war daher in der Geschichte drin. Aber dann zum Schluss fehlte was, etwas das wieder hinaus tritt in das Leben.
 

Rainer

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genau!!!

schließe mich traveller an; mir fehlt der letzte kick, die pointe. du schreibst herrlich plastisch, manchmal in einigen ausgekatschten formulierungen, aber es passt ganz gut zur stimmung. aber ein überraschenderes ende wünsche ich mir doch.

es sind ein paar rechtschreib- und grammatikfehler enthalten; wenn du vielleicht nochmal über den text gehen würdest (und dabei ein anderes ende finden könntest :))...


bitte weiter so.


grüße

rainer
 



 
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