Nachts
Sabine schaute auf die Uhr in der Vitrine. Es war soweit. Er musste gehen. Schweren Herzens nahm sie ihm die Zeitung aus der Hand und weckte ihn sanft. Verwirrung lag auf seinem Gesicht, als er die Augen aufschlug.
„Es ist Zeit, du mußt gehen, Lothar.“ Er blickte zur Uhr. Ja, es war soweit. Er erhob sich vom Sessel, beugte sich zu ihr herab und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Liebevoll streichelte sie seine Hand. Einige Minuten hielt er sich im Bad auf. Als er dann im Flur sein blaues Cordjackett anzog, vermied er es, sie anzusehen; mit gesenktem Kopf blieb er an der Tür stehen. „Bleib nicht so lange auf. Leg dich bitte hin“, sagte er leise, warf ihr einen ernsten, schuldbewussten Blick zu und ging. Sabine hörte seine Schritte im Treppenhaus verhallen; aus dem Küchenfenster beobachtete sie, wie er die quietschende Gartenpforte öffnete und dann, aus dem Lichtkegel der Laterne tretend, vom Dunkel der Nacht verschluckt wurde. Mit ihrer Katze Karo auf dem Schoß, versuchte sie zu lesen. Schlafen würde sie nicht können.
* * *
Lisa setzte sich aufs Bett und sah auf die Uhr. Er muss gleich kommen, dachte sie. Bisher ist er immer pünktlich gewesen. Überhaupt habe ich Glück mit ihm, er redet nicht, ist leidenschaftlich, ohne sich wie ein Trottel zu benehmen, und er verschwindet rechtzeitig. Ich kann mich auf ihn verlassen, kann mich auch vergessen, solange er hier ist.
Lisa stand auf und trat ans Fenster. Nur ein einziges Mal war es seltsam mit ihm, dachte sie, da er roch nach Hund. Ich gab ihm Kölnisch Wasser. Er wunderte sich, verstand schließlich warum. Der Typ vor ihm war unmöglich, manchmal kam er viel zu spät oder gar nicht. Einmal war er sogar betrunken und fing an, mich auszufragen. Der letzte Kerl! Ach, es ist so schwer, einen anständigen Typen zu finden.
* * *
Auf dem Weg dachte Lothar an Sabine. Sie würde auf ihn warten. Angst haben, dass er nicht mehr nach Hause käme. Dabei wußte sie doch, dass er ohne sie nicht sein konnte. Außerdem hatte sie ihn dazu angestiftet, jeden Freitagabend aus dem Haus zu gehen.
Je näher er seinem Ziel kam, desto mehr vergaß er seine Frau. Er genoss die Stille der Nacht, atmete tief den betäubenden Duft ein, den Blumen und Büsche in den Gärten verströmten. Hundegebell drang an sein Ohr. Die zwei Hunde, denen er auf seinem Weg begegnete, kannten ihn; der eine knurrte leise, der andere näherte sich ihm schwanzwedelnd mit einem japsenden Laut. Einmal hatte er den Fehler begangen, den Hund durchs Gitter hindurch zu streicheln. Sie hatte es sofort gerochen, hatte ihm Kölnisch Wasser gegeben.
Schließlich bog er in eine schmale Gasse mit Kopfsteinpflaster ein und blieb vor einem Altbau stehen. Sein Blick wanderte die vom silbrigen Mondlicht erhellte Altbau-Fassade hinauf bis zum fünften, obersten Stockwerk und vergewisserte sich, dass die Fenster auf der linken Seite dunkel waren. Er klingelte zweimal kurz, die Tür öffnete sich. Er machte Licht im Treppenhaus und stieg auf knarrenden Holzstufen langsam nach oben. Es roch nach Bohnerwachs. Noch bevor er die letzte Etage erreichte, erlosch das Licht. Aber jetzt brauchte er es nicht mehr; durch die Milchglasscheiben im Dach schien der Mond ins Treppenhaus. Oben angekommen, blieb er vor der Wohnungstür stehen. Sie war angelehnt.
Alles dunkel. Ohne Licht zu machen, ging er langsam, an der Wand entlangtastend, durch den Flur. So gut er den Weg auch kannte - jedesmal befiel ihn die Angst, etwas könnte sich geändert haben, etwas könnte ihm den Weg versperren. Aber wie immer gelangte er ohne Zwischenfall ans Ende des Flurs und betrat ein Zimmer, das ebenfalls dunkel war. Er streckte die Arme aus. Ja, sie lag im Bett. Als er sie an der Schulter berührte, nahm sie seine Hand und presste sie an ihre nackte warme Brust. Wollust überkam ihn. Rasch zog er sich aus und legte sich mit einer dumpfen Vorfreude zu ihr.
Einen Glücksseufzer ausstoßend, empfing er ihre Umarmungen und Liebkosungen wie einer, der nach tagelanger Wanderung in der Wüste einen Fluss erreichte und seinen verbrannten, ausgezehrten Körper endlich in erfrischendes und belebendes Wasser tauchen durfte.
* * *
Manfred legte die Brille ab und lauschte. Ja, er war da. Pünktlich. Er hörte Lisas trippelnde Schritte, sie öffnete ihm die Tür. Manfred seufzte. Bisher hatte er keinen Ärger gemacht, Lisa schien mit ihm zufrieden zu sein. Ein guter Liebhaber, der seine Aufgabe mit viel Gefühl erledigte und wieder verschwand, ohne Rabatz zu machen. Wie lange hatten sie gebraucht, einen solchen zu finden. Mit dem letzten Typen hatte Manfred sich geprügelt, weil er betrunken gekommen war und Lisa angepöbelt hatte. Er faltete die Zeitung zusammen, die auf seiner Bettdecke lag, warf sie auf den Boden und löschte das Licht auf dem Nachttisch. Seine Gedanken kreisten um Lisa. Obgleich es ihm nicht angenehm war, dass sich ein Fremder zwei Zimmer weiter mit seiner Frau vergnügte, war er doch zufrieden, dass sie diese Lösung gefunden hatten. Schlimmer wäre es gewesen, wenn Lisa ihn verlassen hätte. Er war fast fünfzehn Jahre älter als sie und nicht mehr imstande, seinen Pflichten im Ehebett nachzukommen. Die Libido war in den letzten Jahren nach und nach eingeschlafen. Er wusste, dass Lisa schwer damit zu ringen hatte. Wenn sie nicht das bekam, was sie brauchte, wurde sie spätestens nach drei Wochen fahrig, gereizt, aggressiv, bekam Migräne. Manfred atmete tief auf. Wie gut, dass er seinen Stolz hatte bezwingen können.
* * *
Sie küssten einander bis zum Schmerz, ihre Körper verschlangen sich. Voller Begehren liebte Lothar diese Frau, von der er noch nie ein Wort gehört hatte; nur ihre Liebeslaute kannte er, ihr Keuchen, ihr Stöhnen. Meist stellte er sich dabei vor, es wäre Sabine. Auf dem Foto, das er gesehen hatte, bevor sie sich zum ersten Mal trafen, sah sie seiner Frau ähnlich, nur die Haarfarbe war heller und die Gesichtsform runder.
Später, als die Unbekannte eingeschlafen war, lag er wohlig ermattet in süßem Halbschlummer neben ihr. Einschlafen durfte er nicht. Ihre Abmachung lautete, dass er vor Morgengrauen fortgehen müsse. Nach einer Weile stand er auf, zog sich an und ging.
Auf dem Heimweg genoss er die frische Morgenluft und lauschte dem Gesang der Vögel.
* * *
Sabine war eingeschlafen. Als sie aufwachte, dämmerte es schon. Der Nacken tat ihr weh vom schiefen Sitzen. Lothar müsste gleich kommen. Jedesmal hatte sie Angst, er käme nicht mehr zurück. Sie rollte ihren Stuhl ins Bad, putzte sich die Zähne, zog die Bluse aus und wusch sich, so gut sie es allein schaffte. Dann rollte sie ins Schlafzimmer und zog die Vorhänge zu. Mit Hilfe eines Krückstocks erhob sie sich vom Rollstuhl und setzte sich auf den Bettrand, wo ihr Nachthemd auf dem Kissen bereit lag.
Im Bett liegend lauschte sie. Warum war Lothar noch nicht da? Obgleich er sie schon seit acht Monaten jeden Freitagabend verließ, konnte sie sich nicht daran gewöhnen, allein schlafen zu gehen. Sie löschte das Licht. Von dort, wo sich der gepolsterte Stuhl befand, leuchteten im Dunkeln die Augen von Karo. Als Sabine sich auf die Seite drehte und ihren Kopf ins Kissen kuschelte, blitzte jene Szene auf, wie sie in der Nacht mit dem Wagen die Leitplanke durchbrach und die Böschung hinunterraste. Oft kamen ihr diese Bilder in den Sinn, mit ihnen auch Unruhe und Panik. Sie konzentrierte sich auf den Atem, das half, die Bilder zu verscheuchen.
Wie gut, dass sie damals losgelassen hatte. Wenige Monate nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus begann die Krise. Lothar wurde zunehmend unzufriedener, einsilbiger, in sich gekehrter. Sie suchte nach einer Lösung, fragte ihre Freundinnen. Keine konnte ihr weiterhelfen. Und dann entdeckte sie jene Anzeige in der Zeitung. Sabine überlegte lange und rang sich zum Entschluss durch, mit Lothar darüber zu sprechen. Er sträubte sich zunächst, aber nach langem Zureden willigte er ein.
Sie hatten Glück - er und die Unbekannte fanden Gefallen aneinander. Zumindest körperlich.
Sie hörte die Gartenpforte quietschen und dann Schritte im Treppenhaus. Die Anspannung in ihr ließ nach, jetzt würde sie schlafen können. Die nächsten Tage würde Lothar verlegen sein und ihren Blicken ausweichen. Er würde sich liebevoll um sie kümmern, mit ihr ins Konzert und Theater gehen oder Ausflüge machen.
Im Bett liegend, stellte sie sich schlafend. Sie lächelte, als sie seine Lippen an ihrer Schulter spürte.
Sabine schaute auf die Uhr in der Vitrine. Es war soweit. Er musste gehen. Schweren Herzens nahm sie ihm die Zeitung aus der Hand und weckte ihn sanft. Verwirrung lag auf seinem Gesicht, als er die Augen aufschlug.
„Es ist Zeit, du mußt gehen, Lothar.“ Er blickte zur Uhr. Ja, es war soweit. Er erhob sich vom Sessel, beugte sich zu ihr herab und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Liebevoll streichelte sie seine Hand. Einige Minuten hielt er sich im Bad auf. Als er dann im Flur sein blaues Cordjackett anzog, vermied er es, sie anzusehen; mit gesenktem Kopf blieb er an der Tür stehen. „Bleib nicht so lange auf. Leg dich bitte hin“, sagte er leise, warf ihr einen ernsten, schuldbewussten Blick zu und ging. Sabine hörte seine Schritte im Treppenhaus verhallen; aus dem Küchenfenster beobachtete sie, wie er die quietschende Gartenpforte öffnete und dann, aus dem Lichtkegel der Laterne tretend, vom Dunkel der Nacht verschluckt wurde. Mit ihrer Katze Karo auf dem Schoß, versuchte sie zu lesen. Schlafen würde sie nicht können.
* * *
Lisa setzte sich aufs Bett und sah auf die Uhr. Er muss gleich kommen, dachte sie. Bisher ist er immer pünktlich gewesen. Überhaupt habe ich Glück mit ihm, er redet nicht, ist leidenschaftlich, ohne sich wie ein Trottel zu benehmen, und er verschwindet rechtzeitig. Ich kann mich auf ihn verlassen, kann mich auch vergessen, solange er hier ist.
Lisa stand auf und trat ans Fenster. Nur ein einziges Mal war es seltsam mit ihm, dachte sie, da er roch nach Hund. Ich gab ihm Kölnisch Wasser. Er wunderte sich, verstand schließlich warum. Der Typ vor ihm war unmöglich, manchmal kam er viel zu spät oder gar nicht. Einmal war er sogar betrunken und fing an, mich auszufragen. Der letzte Kerl! Ach, es ist so schwer, einen anständigen Typen zu finden.
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Auf dem Weg dachte Lothar an Sabine. Sie würde auf ihn warten. Angst haben, dass er nicht mehr nach Hause käme. Dabei wußte sie doch, dass er ohne sie nicht sein konnte. Außerdem hatte sie ihn dazu angestiftet, jeden Freitagabend aus dem Haus zu gehen.
Je näher er seinem Ziel kam, desto mehr vergaß er seine Frau. Er genoss die Stille der Nacht, atmete tief den betäubenden Duft ein, den Blumen und Büsche in den Gärten verströmten. Hundegebell drang an sein Ohr. Die zwei Hunde, denen er auf seinem Weg begegnete, kannten ihn; der eine knurrte leise, der andere näherte sich ihm schwanzwedelnd mit einem japsenden Laut. Einmal hatte er den Fehler begangen, den Hund durchs Gitter hindurch zu streicheln. Sie hatte es sofort gerochen, hatte ihm Kölnisch Wasser gegeben.
Schließlich bog er in eine schmale Gasse mit Kopfsteinpflaster ein und blieb vor einem Altbau stehen. Sein Blick wanderte die vom silbrigen Mondlicht erhellte Altbau-Fassade hinauf bis zum fünften, obersten Stockwerk und vergewisserte sich, dass die Fenster auf der linken Seite dunkel waren. Er klingelte zweimal kurz, die Tür öffnete sich. Er machte Licht im Treppenhaus und stieg auf knarrenden Holzstufen langsam nach oben. Es roch nach Bohnerwachs. Noch bevor er die letzte Etage erreichte, erlosch das Licht. Aber jetzt brauchte er es nicht mehr; durch die Milchglasscheiben im Dach schien der Mond ins Treppenhaus. Oben angekommen, blieb er vor der Wohnungstür stehen. Sie war angelehnt.
Alles dunkel. Ohne Licht zu machen, ging er langsam, an der Wand entlangtastend, durch den Flur. So gut er den Weg auch kannte - jedesmal befiel ihn die Angst, etwas könnte sich geändert haben, etwas könnte ihm den Weg versperren. Aber wie immer gelangte er ohne Zwischenfall ans Ende des Flurs und betrat ein Zimmer, das ebenfalls dunkel war. Er streckte die Arme aus. Ja, sie lag im Bett. Als er sie an der Schulter berührte, nahm sie seine Hand und presste sie an ihre nackte warme Brust. Wollust überkam ihn. Rasch zog er sich aus und legte sich mit einer dumpfen Vorfreude zu ihr.
Einen Glücksseufzer ausstoßend, empfing er ihre Umarmungen und Liebkosungen wie einer, der nach tagelanger Wanderung in der Wüste einen Fluss erreichte und seinen verbrannten, ausgezehrten Körper endlich in erfrischendes und belebendes Wasser tauchen durfte.
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Manfred legte die Brille ab und lauschte. Ja, er war da. Pünktlich. Er hörte Lisas trippelnde Schritte, sie öffnete ihm die Tür. Manfred seufzte. Bisher hatte er keinen Ärger gemacht, Lisa schien mit ihm zufrieden zu sein. Ein guter Liebhaber, der seine Aufgabe mit viel Gefühl erledigte und wieder verschwand, ohne Rabatz zu machen. Wie lange hatten sie gebraucht, einen solchen zu finden. Mit dem letzten Typen hatte Manfred sich geprügelt, weil er betrunken gekommen war und Lisa angepöbelt hatte. Er faltete die Zeitung zusammen, die auf seiner Bettdecke lag, warf sie auf den Boden und löschte das Licht auf dem Nachttisch. Seine Gedanken kreisten um Lisa. Obgleich es ihm nicht angenehm war, dass sich ein Fremder zwei Zimmer weiter mit seiner Frau vergnügte, war er doch zufrieden, dass sie diese Lösung gefunden hatten. Schlimmer wäre es gewesen, wenn Lisa ihn verlassen hätte. Er war fast fünfzehn Jahre älter als sie und nicht mehr imstande, seinen Pflichten im Ehebett nachzukommen. Die Libido war in den letzten Jahren nach und nach eingeschlafen. Er wusste, dass Lisa schwer damit zu ringen hatte. Wenn sie nicht das bekam, was sie brauchte, wurde sie spätestens nach drei Wochen fahrig, gereizt, aggressiv, bekam Migräne. Manfred atmete tief auf. Wie gut, dass er seinen Stolz hatte bezwingen können.
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Sie küssten einander bis zum Schmerz, ihre Körper verschlangen sich. Voller Begehren liebte Lothar diese Frau, von der er noch nie ein Wort gehört hatte; nur ihre Liebeslaute kannte er, ihr Keuchen, ihr Stöhnen. Meist stellte er sich dabei vor, es wäre Sabine. Auf dem Foto, das er gesehen hatte, bevor sie sich zum ersten Mal trafen, sah sie seiner Frau ähnlich, nur die Haarfarbe war heller und die Gesichtsform runder.
Später, als die Unbekannte eingeschlafen war, lag er wohlig ermattet in süßem Halbschlummer neben ihr. Einschlafen durfte er nicht. Ihre Abmachung lautete, dass er vor Morgengrauen fortgehen müsse. Nach einer Weile stand er auf, zog sich an und ging.
Auf dem Heimweg genoss er die frische Morgenluft und lauschte dem Gesang der Vögel.
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Sabine war eingeschlafen. Als sie aufwachte, dämmerte es schon. Der Nacken tat ihr weh vom schiefen Sitzen. Lothar müsste gleich kommen. Jedesmal hatte sie Angst, er käme nicht mehr zurück. Sie rollte ihren Stuhl ins Bad, putzte sich die Zähne, zog die Bluse aus und wusch sich, so gut sie es allein schaffte. Dann rollte sie ins Schlafzimmer und zog die Vorhänge zu. Mit Hilfe eines Krückstocks erhob sie sich vom Rollstuhl und setzte sich auf den Bettrand, wo ihr Nachthemd auf dem Kissen bereit lag.
Im Bett liegend lauschte sie. Warum war Lothar noch nicht da? Obgleich er sie schon seit acht Monaten jeden Freitagabend verließ, konnte sie sich nicht daran gewöhnen, allein schlafen zu gehen. Sie löschte das Licht. Von dort, wo sich der gepolsterte Stuhl befand, leuchteten im Dunkeln die Augen von Karo. Als Sabine sich auf die Seite drehte und ihren Kopf ins Kissen kuschelte, blitzte jene Szene auf, wie sie in der Nacht mit dem Wagen die Leitplanke durchbrach und die Böschung hinunterraste. Oft kamen ihr diese Bilder in den Sinn, mit ihnen auch Unruhe und Panik. Sie konzentrierte sich auf den Atem, das half, die Bilder zu verscheuchen.
Wie gut, dass sie damals losgelassen hatte. Wenige Monate nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus begann die Krise. Lothar wurde zunehmend unzufriedener, einsilbiger, in sich gekehrter. Sie suchte nach einer Lösung, fragte ihre Freundinnen. Keine konnte ihr weiterhelfen. Und dann entdeckte sie jene Anzeige in der Zeitung. Sabine überlegte lange und rang sich zum Entschluss durch, mit Lothar darüber zu sprechen. Er sträubte sich zunächst, aber nach langem Zureden willigte er ein.
Sie hatten Glück - er und die Unbekannte fanden Gefallen aneinander. Zumindest körperlich.
Sie hörte die Gartenpforte quietschen und dann Schritte im Treppenhaus. Die Anspannung in ihr ließ nach, jetzt würde sie schlafen können. Die nächsten Tage würde Lothar verlegen sein und ihren Blicken ausweichen. Er würde sich liebevoll um sie kümmern, mit ihr ins Konzert und Theater gehen oder Ausflüge machen.
Im Bett liegend, stellte sie sich schlafend. Sie lächelte, als sie seine Lippen an ihrer Schulter spürte.