Nacke Füße auf blauer Seide

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Astrid

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Nackte Füße auf blauer Seide

Ich bin bei Petra eingeladen. Sie sitzt neben mir auf der Couch und ich bekomme eine Gänsehaut, als ich auf ihre Füße sehe – sie ist barfuss. „Frierst du nicht?“ frage ich sie. „Nein. Wir laufen hier alle am liebsten barfuss. Die Hausschuhe, die ich für meinen Sohn gekauft habe, stehen auch meist in der Ecke. Kannst du dir vorstellen, dass es Kinder gibt, die gar keine Beziehung mehr zu ihren Füßen haben?“ Petra schüttelt den Kopf.
Ich blicke auf meine, die eingepackt in dicken Socken und in Hausschuhen stecken und trotzdem kalt sind. ‚Hallo Ihr zwei dort unten, eigentlich haben wir auch keine richtige Beziehung mehr.’ Dafür sehen wir uns viel zu selten. ‚Wann bin ich das letzte Mal barfuss gegangen?’ überlege ich. Es fällt mir nicht ein. Heute damit zu beginnen, wäre allerdings nicht klug bei Minusgraden und tiefem Schnee.
„Ich gehe sogar mit Socken ins Bett, weil die Füße ständig kalt sind“, beichte ich. „Aber wie sollen sie auch lernen, von sich aus zu heizen, wenn du ihnen das ständig durch eine warme Hülle abnimmst?“ meint Petra.
Bei mir zu Hause will ich es schließlich wissen. Ich lege ein Handtuch auf den Boden und versuche, es nur mit meinen Zehen aufzuheben. Gut, dass mich niemand dabei beobachtet. Mit dem linken Fuß geht gar nichts, rechts bewegt sich wenigstens für Sekunden das Handtuch.
Ich beuge und strecke die Zehen. Es knackt lediglich.
Ich nehme den orangefarbenen Massageball mit den Igelborsten, der seit ewigen Zeiten auf meinem Schreibtisch liegt. Manchmal spielt der Sohn meiner Nachbarin damit. Ich lege ihn auf den Boden, hebe meinen rechten Fuß und stelle ihn vorsichtig auf dem Ball ab. Es piekt. Langsam rolle ich ihn vor und zurück. An der Sohle kitzelt es, aber es ist nicht unangenehm. Mein Fuß wird warm.
Als ich an diesem Abend schlafen gehe, stecken an meinen Füßen - Socken. Doch ich setze mich wieder auf, ziehe sie aus und werfe sie auf den Stuhl neben dem Bett. ‚Ab heute nicht mehr!’ denke ich. Das seidige Laken streichelt meine nackten Füße, als würde es sie begrüßen.
Ich rolle mich ein und spüre, wie sie sich gegenseitig berühren. Es ist ungewohnt. Fast befreiend. Lebendig.
Und so schlafen wir ein, meine nackten Füße auf blauer Seide und ich.
 

Renee Hawk

Mitglied
„Aber wie sollen sie auch lernen, von sich aus zu heizen, wenn du ihnen das ständig durch eine warme Hülle abnimmst?“ meint [strike]Ina[/strike] [red]Petra[/red].

Hallo Astrid,

hab den Text gern gelesen. Er war entspannend und seidig.
Ich denke allerdings, dass Ina die Gastgeberin Petra ist, oder hast du eine dritte Person im Text versteckt?

liebe Grüße
Renee
 

Astrid

Mitglied
Lieber Renee,
danke für deine Worte zu meinem Text und dass du mich "erwischt" hast. Soetwas passiert, wenn man nachträglich den Namen ändert. Es gibt natürlich nur eine Gastgeberin. Du warst sehr aufmerksam, mir selber ist es nicht aufgefallen.
Dann wünsche ich dir noch einen angenehmen Sonntagabend mit vielleicht nackten Füßen auf blauer Seide.

Astrid
 



 
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