Negerkind

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Negerkind

Du Negerkind, Du und ich,
wir sind beide beinahe gleich alt.
Viele Geschwister- und Sippenkriege
sind auf deinem schokoladefarbenem
Korpus zu erkennen ...

Die Augen haben sie dir heraus geschnitten,
deine kleinen Finger sind abgetrennt,
auch deine zierlichen Füße haben offene Wunden.
Es gibt keine Schuhe mehr… dafür.


Bei dir allerdings sehe ich keine Falte,
kein graues Haar,auch keine Gram
über die Missstände des Lebens.
Diesbezüglich hattest du es besser als ich.
Jawohl, du bist für mich noch genauso so
ansprechend, so niedlich, so winzig,
wie damals unterm Weihnachtsbaum.

Obwohl du eine Menge Anekdoten
und Heimlichkeiten von mir zu erzählen
weißt …,
Ehrlich gestanden, bin ich richtig froh,
das du dein süßes rotes Mäulchen
nicht zum Plappern nutzen kannst.

Vermutlich würde meine verbleibende
Lebenszeit zum Lauschen und Schmunzeln.
darüber nicht mehr ausreichen.


Zeitweilig hatte ich dich völlig vergessen,
Dich meine Lieblingspuppe,
meine immer treue Freundin
aus Kindertagen.
Wie schändlich, von mir,
das Du unbeachtet in den Ecken
herumgelegen bist...

Heute Morgen aber habe ich dich,
von einem dicken Staubmantel bedeckt,
auf dem Speicher gefunden.
Verstohlen wischte ich mir ein paar
Freudentränen aus meinem Gesicht,
und blubsch, platsch,
und sah in Sekundenschnelle
genauso staubverschmiert aus wie du.

Ab jetzt bleibst du auf meinem Sofakissen,
und immer in meiner Nähe.
Sollst mich sogar, auf der langen Reise,
durch mein Oma Dasein begleiten.

Schokoladefarbene Hoffnungsträgerin, Du.

Du einzigartige,
Du treues Etwas …
Danke … das es Dich noch gibt.


23.03.07
heike keuper-göbel
 

Perry

Mitglied
Hallo Heike,
habe es nicht bereut deinem Hinweis gefolgt zu sein und mal einen Blick in der Tagebuchabteilung zu werfen. Deine durchaus lyrischen Erinnerungen an die Lieblingspuppe und die Reflexion des eigenen Lebens dazu lesen sich sehr berührend. Mir geht es manchmal ähnlich, wenn ich einen Blick ins Fotoalbum werfe oder ein Buch aus meinen Kindheitstagen wieder einmal in die Hand nehme. Winnetou I von Karl May, noch in altdeutscher Schrift gedruckt, war z. B. eines meiner ersten Abenteuerbücher. Das ist das wehmütig Schöne an den reiferen Jahren, man kann Vergangenes und Gegenwärtiges gelassen miteinander verweben.
LG
in diesen sonnigfrischen Frühlingstag.
Manfred
 
Manfred,

herzlichen dank für deine freundlichen aufbauenden worte. meine ekelnin spiel mit viel freude mit genau diesem püppchen, wennsie aus der schweiz kommt und das war auch der anlaß mal etwas von meinem püppchen zu erzählen.das ich wirklich immer noch mit grosser freud ebetrachte obwohl es keine augen mehr hat, abgeschnittene finger und ohren. es ist die einzige puppe die ich nicht entsorgt habe. herzlichst bheike
 



 
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