Nette Nachbarn !

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Timaro

Mitglied
“Kommt doch mal zum Kaffee rüber ! Wir würden uns freuen !”

“Jederzeit gerne ! Im Moment ist es allerdings ungünstig. Unsere Katze hat Läuse.”

So oder ähnlich verläuft seit unserem Einzug die Kommunikation zwischen uns und unseren Nachbarn. An der obigen Ausrede ist unschwer zu erkennen, dass uns die “Contra-Kaffee”-Gründe langsam ausgehen. Nachdem wir sämtliche Krankheiten, von den Masern bis zu den Furunkeln an den unangenehmsten Stellen bei mir, meiner Frau und unserem Sohn durchhatten, muss nun unsere Katze, die im Grunde genommen, wir wir selbst, kerngesund ist, herhalten.

Wir haben nichts gegen unsere Nachbarn. Sie sind nett, ruhig, sympathisch und wohnen nicht bei uns. Lauter Dinge, die wir an ihnen mögen. Glücklich, wer solche Nachbarn hat.
Wir sinds nicht. Die “Kaffe-Manie” von nebenan macht uns schwer zu schaffen.

“Hast du schon ?”, höre ich meine Frau mit unverkennbarem Vorwurf in der Stimme fragen.
“Oh, Gott”. Beinahe hätt ichs vergessen. Den obligaten Blick durch den Spion, bevor ich die Wohnung verlasse.
Ich sehe nichts, und trotzdem zittern meine Hände, als ich den Schlüssel drehe.
“Und ?”, flüstert es im Hintergrund mit einem leicht hysterischen Unterton.
“Verflixt, das Schlüsselloch”. Seit sie uns vor einer Woche erstmals ihren halbwüchsigen Sohn , welcher Spion-mässig im toten Winkel stand, als “Kaffee-Vorhut” gesandt haben, gehört zum zweiten Akt, vor Verlassen der Wohnung, ein weiterer Blick durch das Schlüsselloch.

Die Luft ist rein ! Blutdruck und Adrenalinspiegel normalisieren sich. Die Nackenaare beziehen wieder die übliche Position und mein Deo verrichtet wieder pflichtgemäss seine Funktion.

Kurz vor dem Einsteigen in mein Auto, lässt mich ein “Hallo Nachbar” jäh erstarren. Nicht umsonst wird in der Bibel die Stelle von “Lot's Frau” so ausführlich beschrieben. Trotzdem mache ich denselben Fehler .
“Kommt doch mal zum Kaffee rüber ! Wir würden uns freuen!”
“Gerne”, höre ich jemanden sagen, den ich nicht wirklich kenne. Es ist meine Stimme, unverkennbar.
Mir fällt keine Ausrede mehr ein. Ich spüre eine innere Leere, als ich den Termin für die Einladung bestätige und mich mit den Worten: “Wir freuen uns!” verabschiede.

Am nächsten Tag um fünf Uhr stehen ich, meine Frau, die nunmehr seit 24 Stunden kein Wort mehr mit mir gewechselt hat, und mein Sohn, der dieser Einladung dank seines jugendlichen Alters von 13 Monaten ziemlich gleichgültig gegenübersteht, vor der Wohnungstür unserer Gastgeber. Wir klingeln. Es rührt sich nichts. Wir klingeln erneut. Die Türe bleibt zu. Ein verdächtiges Rascheln veranlasst uns, die Wohnung zu umrunden und einen Blick durch die Terrassentüre zu wagen.
Da knien sie, offensichtlich darum bemüht, nicht gehört zu werden. Ihrem wohl zu gesprächigen Sohn drücken sie ein Kissen aufs Gesicht. Durch das halboffene Fenster neben unserem Versteck hören wir die Frau dieses asozialen Eigenbrötlers “Sie sind tatsächlich gekommen, nicht zu glauben, sie sind gekommen, nicht zu glauben...”flüstern.
Empört, angewidert, zutiefst verletzt, aber unendlich glücklich, verlassen wir diesen unwirtlichen Ort.

“Kommt doch mal zum Kaffee rüber ! Wir würden uns freuen !” sind meine ersten Worte, als ich meinen Nachbarn zwei Monate später in der orthopädischen Abteilung des Krankenhauses besuche.
Bei einer seiner zahlreichen Fluchten vor mir, meiner Frau und unserem neuerdings mobilen Kind hat ihn ein Auto äußerst unglücklich gerammt. An der Unfallstelle selbst schien mir die Einladung zum Kaffee etwas verfrüht.

Beim Verlassen des Krankenzimmers überkommt mich ein nie dagewesenes, tiefes Glücksgefühl: Das Blatt hat sich gewendet !
 

Rodolfo

Mitglied
Nachbarn

Wieso kennst Du meine Nachbarn? Oder sind die alle so?

Gut herübergeracht, die Geschichte. Ironisch, aber verdammt nahe an der Wahrheit. Vielleicht kannst Du den Text noch etwas straffen, was die Lesbarkeit fördern und somit die Aussage noch verstärken würde.
 

Flic

Mitglied
Hallo,


ich finde die Geschichte durchaus gelungen; der Plot mit der Umdrehung ist nicht so durchscheinend, die Sprache pointiert; gefällt mir; an Einzelheiten könnt man noch feilen

Am nächsten Tag um fünf Uhr stehen ich, meine Frau, die nunmehr seit 24 Stunden kein Wort mehr mit mir gewechselt hat...
LOL!


Ich offe du kannst was damit anfangen,
Flic
 



 
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