Neues von Gott

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Neues von Gott

Dem newtonschen Energieerhaltungssatz folgend, geht in dem von Gott geschaffenen Universum nichts verloren. Man kann Dinge verlegen, verschlampen oder aus anderen Gründen nicht wiederfinden. Manchmal werden sie sogar geklaut, doch verloren geht nichts. Den ewigen Skeptikern sei gesagt, dass eine dem Menschen unbekannte Spezies existiert, die sich von Socken ernährt. Das sollte nun auch den letzten Zweifler überzeugen: Newton war zwar ein verknöcherter puritanischer Kotzbrocken, aber sein Energieerhaltungssatz stimmt.

Folgerichtig ging auch Gottes Seele nicht verloren, als er bei dem Verkehrsunfall ums Leben kam (siehe Genesis interruptus). Ein leuchtender Stern schien am Himmel, um von der Geburt des Messias zu künden, und wies drei Myrrhefreaks aus dem Morgenland, die etwas zu viel Weihrauch inhaliert hatten, den Weg nach Bethlehem.
Es war schon spät, als Caspar, Melchior und Balthasar in die Stadt ritten. Eigentlich war Bethlehem keine Stadt, sondern ein staubiges Provinznest, doch wenn man nach diesem abgefahren hellen Licht ging, musste irgendwo hier die Action sein. Aber wo? Alles war dunkel, selbst Bettler, Diebe und Tempelhuren schliefen schon. Letzterer Umstand erschien unseren langhaarigen Protagonisten besonders bedauernswert. Sie hatten das Kaff schon fast durchquert, als Melchior ein Haus am Stadtrand bemerkte, in dem noch Licht brannte. Als sie näher kamen, spürten sie, dass eine ganz besondere Aura diesen Ort erfüllte. Eine magische, fast heilig zu nennende Ausstrahlung verschaffte ihnen eine wohlige Gänsehaut. Vielleicht war es auch nur die Kühle der Nacht. Wer weiß?
Sie klopften an, und ein Diener öffnete ihnen die Tür. Balthasar bemühte sich, würdevoll zu klingen: “Man nennt uns „The three Kings“. Wir sind eine psychodelische Rockband aus dem fernen Osten und suchen das heilige Kind, um einen Song darüber zu schreiben. Ist hier zufällig ein männliches Baby geboren worden?”
“In der Tat, ein kleiner Junge hat heute Nacht das Licht der Welt erblickt. Doch ich wüsste nicht, was euch Freaks das angeht. Gute Reise noch!”
Balthasar stellte den Fuß in die Tür: “Wir haben Geschenke!”
“Na gut, kommt rein!”
Drinnen lag eine junge Frau erschöpft auf einem Lager aus Stroh. Sie hielt ein Neugeborenes in den Armen. Ein älterer Mann streichelte ihr über das nassgeschwitzte Haar: “Was wollt ihr denn hier?”
“Wir haben Geschenke für das heilige Kind mitgebracht. Wie ist sein Name?”
“In acht Tagen, wenn er beschnitten ist, werden wir ihn Jesus taufen. Und nun stellt den Kram in die Ecke und verpisst euch!”
Unsere drei Reisenden aus dem Morgenland packten gerade die Geschenke aus, als von nebenan ein lautes Stöhnen zu hören war. Dem folgte ein spitzer Schrei.
Der Vater des kleinen Jesus hämmerte wütend gegen die Wand: “Ruhe da drüben! Oder ihr fliegt raus, Gesindel!”
“Wer ist das?”, wollte Melchior wissen.
“So ein alter Sack. Wenn ihr mich fragt, ein Landstreicher. Hat so ein junges Flittchen geschwängert und zieht jetzt mit ihr durch die Lande. Sie taten uns Leid, also haben wir sie im Stall pennen lassen. Unbedeutendes Pack. So, und jetzt verschwindet! Wir haben keinen Platz für weitere Gäste.”

Die Besucher segneten das Kind und machten sich wieder auf den Weg. Der Kleine würde von sich reden machen.

Während sie Bethlehem verließen und überlegten, wie sie die Nachricht von der Ankunft des Jesuskindes am besten vermarkten könnten, wurde Gott im benachbarten Stall wiedergeboren. Leider gehörte er zu den Knaben, die König Herodes töten ließ.

Ziemlich genervt kehrte er in den Himmel zurück. In letzter Zeit gelang ihm aber auch wirklich gar nichts.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
prust,

kicher, lach! jaja, so könnte es gewesen sein . . .
damals wuchsen messiasse an jeder ecke. noch heute schwingt sich hin und wieder einer auf. und wenn er die nötige ausstrahlung hat, folgen ihm die jünger bis in den tod. eine vergnügliche lektüre ist deine geschichte. bekommt punkte und einen platz in meiner sammlung. ganz lieb grüßt
 
Hallo Alpha!

Wir haben Geschenke!”
“Na gut, kommt rein!”

Da könnte man noch einen Satz dazwischen bauen, die Einwilligung ist ein wenig abrupt.

Die Besucher segneten das Kind und machten sich wieder auf den Weg. Der Kleine würde von sich reden machen.

Auch diesen Absatz finde ich ein wenig knapp.

Ansonsten schließe ich mich flammarion an.
 
Danke für die Kritiken; der kappe Geschenkdialog sollte lediglich überzeichnen, wie schnell Menschen ihre Prioritäten ändern, sobald Materielles ins Spiel kommt, hehehe.
 
M

Minds Eye

Gast
Vortrefflich geschildert.
Superwitzig. Ich mag die abgehackten Sprünge von wegen Geschenke und so.
(Es heißt übrigens "psychedelisch" oder ist das auch mit der Rechtschreibreform geändert worden?)
Grüße,
ME.
 

Gandl

Mitglied
Boah, ey...!

Das lese ich meinem Ältesten unterm Tannenbaum vor.
Wird er seine helle Freude dran haben.
Mama guckt despektierlich, - wurscht.
Schreibst du bitte Die Schrift neu? Bitte!
Danke
Gandl
 



 
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