No way back

3,00 Stern(e) 2 Bewertungen

Raniero

Textablader
No way back

Insgesamt war es ein recht angenehmer, entspannender Abend, in kleiner gemütlicher Runde bis, na, ja, bis die Nacht hereinbrach….


Die Gastgeber, Regina und Robert, hatten, wie es so schön heißt, weder Kosten noch Mühen gescheut, ihre Gäste kulinarisch zufrieden zu stellen.
Nach dem überaus reichlichen Angebot an diversen Speisen zog man sich zurück, in bequeme Sessel vor den Kamin, wofür manch einer aufgrund der niedrigen Sitzhöhe ein wenig Magendrücken in Kauf nehmen musste, aber was soll’s, so etwas gönnt man sich ja nicht alle Tage.
In einer derart kleinen Runde – mit den Gastgebern waren es sechs - lässt es sich in der Tat entspannt plaudern, obwohl oder eben gerade weil sich die Gäste untereinander noch nicht kannten und anfangs zuerst einmal small talk mäßig beschnupperten.
„Ach, Ihr Mann heißt auch Raimund?“
„Nein, Reinhard.“
„Na, ist ja fast das Gleiche.“
„Sie haben aber ein schönes Kettchen um. Darf ich neugierig sein; wo bekommt man denn solch schöne Sachen?“
„Die hat mein Reinhard mir zum zwanzigsten geschenkt, zum zwanzigsten Hochzeitstag“, strahlte die Befragte.
„Aber Ihr Armband könnte mir auch gefallen“.
„Das habe ich von meinem Raimund geschenkt bekommen, Sie werden es nicht glauben, auch zum zwanzigsten Hochzeitstag.“
„Nein wirklich!“
Die derart beschenkten Damen lachten um die Wette, während ihre Gönner sich mit gönnerhafter Miene in ihren Sesseln zurücklehnten.
Regina und Robert, die Gastgeber, nahmen teil an der allgemeinen Heiterkeit, wenn auch nicht aus vollem Herzen.
Obwohl sie die Fünfzig bereits überschritten hatten, konnten sie nicht mitsprechen, da sie nicht annähernd soviel stattliche Ehejahre anzubieten hatten.
Beide hatten sie jeweils ihre erste Ehe hinter sich, geschieden; sie lebten erst seit drei Jahren zusammen und scheuten sich, ein weiteres Mal vor den Traualtar zu treten, warum auch, es klappte schließlich auch so, und wenn nicht, ja, dann hätte man wenigstens die Scheidung gespart.

Irgendwann im Verlaufe des Abends kam das Gespräch, wie es des Öfteren in leicht feuchtfröhlicher Runde geschieht, auf ein ziemlich makabres Thema.
Einer erzählte, er habe kürzlich im Fernsehen einen Beitrag gesehen, in dem geschildert wurde, dass man bei Bauarbeiten auf menschliche Gebeine in großer Anzahl gestoßen sei.
„Da war bestimmt früher mal ein Friedhof“, mutmaßte Robert.
„In der Tat, daran dachte man auch sofort, doch es hat etwas gedauert, bis man sich da absolut sicher sein konnte. Es bedurfte schon intensiver Recherche, da es quasi keinerlei schriftliche Unterlagen gab.“
„Das muss aber ein sehr alter Friedhof gewesen sein, seit Jahrhunderten schon gibt es schließlich Archive.“
„Ein Archiv ist immer nur so gut, wie es gepflegt wird.“
„Das stimmt.“
„Sieh’ste“, sagte Regina zu ihrem Lebensgefährten, „da habe ich doch recht gehabt mit meiner Entscheidung, nicht wahr?“
„In der Tat, Schatz.“
„Was für eine Entscheidung?“ wollten die Gäste wissen.
„Ich habe mich für eine Feuerbestattung entschieden, das habe ich testamentarisch verfügt. Da weiß ich wenigstens, wo ich dran bin. Ihr seht ja, wohin das führen kann, irgendwann werden einem die Gebeine wieder aus dem Sarg gerissen, wie bei diesen Bauarbeiten. Nee, nee, da lass ich mich lieber verbrennen, da brauch ich nichts mehr zu befürchten, nach mir die Sintflut.“
Lachend protestierte die Runde.
„Wenn du tot bist, brauchst du überhaupt nichts mehr zu befürchten, Regina, dann merkst du gar nichts mehr, ob deine Asche nun in die Winde gestreut wird oder ob man deine Knochen ab und zu mal durcheinander schmeißt, das ist doch schietegal.“
„Nee, nee, mir ist das nicht egal“, erwiderte die Gastgeberin ungerührt, „sicher ist sicher; ich lass mich verbrennen.“
„Aber denk dran“, warf einer mit ironischem Unterton ein, „das sind über Tausend Grad, die da auf dich zukommen, glaubst du, dass du das aushältst? Dafür würde ich es lieber in Kauf nehmen, wenn meine morschen Knochen mal bewegt werden, das kann sicher nicht schaden, so ab und an. “
Alles lachte.
Regina aber beharrte auf ihrem Standpunkt; sie wollte verbrannt werden, um ein für alle Mal Ruhe zu haben.

In der folgenden Nacht hatte sie gar keine Ruhe, trotz mehr als ausreichendem Schlaftrunk. Immer wieder musste sie an das letzte Thema des Abends denken, das sie so ausführlich behandelt hatten. Nach und nach beschlichen sie Zweifel. Hatte sie tatsächlich gut daran getan, eine Feuerbestattung zu wählen.
Während sie sich hin und herwälzte, hielt sie sich noch einmal die Vorteile dieser Bestattungsart vor Augen, die sie seinerzeit dazu veranlasst hatten, sich darauf festzulegen. Geringe Einmalkosten, kein jahrelanger Grabpflegeaufwand - wenn sie daran nur dachte, was diese Gärtnereien so im Laufe der Jahre, Jahrzehnte daran verdienten - vor allem aber, Ruhe, sofortige ewige Ruhe.
Auf der anderen Seite aber, wenn sie an hohen Temperaturen dachte, die da unweigerlich auf sie zukamen, wenn auch nur für einen kurzen Moment, eigentlich konnte sie Hitze noch nie gut vertragen.
Robert, ihr Lebensgefährte neben ihr im Bett, bekam nichts mit, von ihren Sorgen, und zu allem Überfluss fing er auch noch an, fürchterlich zu schnarchen.
Irgendwann in den frühen Morgenstunden gelang es Regina doch noch, in den frühen Morgenstunden, eine Mütze voll Schlaf, wie man landläufig sagt, zu nehmen.
Zuvor aber hatte sie einen Entschluss gefasst.
‚Gleich am Montag ändere ich mein Testament: Keine Feuerbestattung, Punkt! Irgendwie ist mir die Sache doch zu heiß!’

Der kurze, traumlose Schlaf am Morgen tat ihr gut, richtig gut, doch als sie schließlich wurde respektive wach werden wollte, merkte sie mit Entsetzen, dass sie tot war, äußerlich ruhig und gelassen dahin geschieden.
In ihrem Innern aber tobte es.
‚So ein Scheiß’, dachte sie wütend, „jetzt kann ich die blöde Feuerbestattung nicht mehr rückgängig machen! Hätten wir doch bloß schon eher mal darüber gesprochen, so wie gestern Abend.’
In der Tat, jetzt gab es kein zurück mehr für Regina, no way back!
Da musste sie einfach durch.
Dann aber tröstete sie sich.
‚Weiß der Teufel, ob nicht hinter diesem Feuer noch ein anderes, sehr lang anhaltendes auf mich wartet’, waren ihre letzten Gedanken.

Der Teufel wird’s bestimmt wissen, wir leider nicht.
 
Hallo Raniero,

eine witzige und groteske Geschichte, das muss der Neid dir lassen. Die Idee gefällt mir ausgesprochen gut.

Aaaaber ...

Du hast die Story unter "Kurzgeschichten" eingestellt. So gut sie mir vom Plot her gefällt - als Kurzgeschichte finde ich sie mangelhaft.

Natürlich will ich das anhand einiger Beispiele begründen:

In einer derart kleinen Runde – mit den Gastgebern waren es sechs - lässt es sich in der Tat entspannt plaudern, obwohl oder eben gerade weil sich die Gäste untereinander noch nicht kannten und anfangs zuerst einmal small talk mäßig beschnupperten.
Obwohl du mit Dialogen nicht gerade geizig bist, fehlen sie an etlichen Stellen oder sind etwas unglücklich geraten. Dein Text hätte wesentlich lebendiger werden können. Oben ein erstes Beispiel. "Show don't tell!" kann ich da nur sagen! Wenn du meinst, du müsstest deine Leser mit diesen verbalen Hinweisschildern darauf hinweisen, dass es sich um Small Talk zum Bekanntwerden handelt - dann stimmt mit deinen Dialogen was nicht! So etwas solltest du dir sparen. Abgesehen davon ist der erwähnte Dialog so, wie du ihn geschrieben hast, eindeutig. Das ganze Geplänkel war nicht nötig.

Die derart beschenkten Damen lachten um die Wette, während ihre Gönner sich mit gönnerhafter Miene in ihren Sesseln zurücklehnten.
Falls du dir bei dieser Wortwiederholung etwas gedacht hast, sag ich nix dazu. Aber den Begriff "Gönner" finde ich etwas unglücklich. Ich weiß, was du meinst; aber "Gönner" trifft es für mich nicht ... (Ich gebe zu, ich habe spontan keinen Verbesserungsvorschlag).

Obwohl sie die Fünfzig bereits überschritten hatten, konnten sie nicht mitsprechen, da sie nicht annähernd soviel stattliche Ehejahre anzubieten hatten.
Beide hatten sie jeweils ihre erste Ehe hinter sich, geschieden; sie lebten erst seit drei Jahren zusammen und scheuten sich, ein weiteres Mal vor den Traualtar zu treten, warum auch, es klappte schließlich auch so, und wenn nicht, ja, dann hätte man wenigstens die Scheidung gespart.
Das interessiert keine Sau! (Eine Kurzgeschichte heißt nicht umsonst "kurz" ... ;)

Einer erzählte, er habe kürzlich im Fernsehen einen Beitrag gesehen, in dem geschildert wurde, dass man bei Bauarbeiten auf menschliche Gebeine in großer Anzahl gestoßen sei.
Noch ein gutes Beispiel für zuviel "Tell": Warum lässt du das nicht einen von ihnen einfach sagen?!

Lachend protestierte die Runde.
Oder dieses: Warum nimmst du vorweg, was du anschließend in den Dialogen ausdrückst? Meiner Meinung nach absolut unnötig.

In der folgenden Nacht hatte sie gar keine Ruhe, trotz mehr als ausreichendem Schlaftrunk. Immer wieder musste sie an das letzte Thema des Abends denken, das sie so ausführlich behandelt hatten.
Stichwort "verbales Hinweisschild": Du musst deine Leser für ganz schön doof halten! Bestimmt ist jedem auch so klar, warum sie sich schlaflos hin- und herwälzt.

Auf der anderen Seite aber, wenn sie an hohen Temperaturen dachte, die da unweigerlich auf sie zukamen, wenn auch nur für einen kurzen Moment, eigentlich konnte sie Hitze noch nie gut vertragen.
Wie ich eingangs erwähnte: wirklich eine amüsante, kurzweilige Story. Aber dieser Gag ist mehr als platt ...

Der kurze, traumlose Schlaf am Morgen tat ihr gut, richtig gut, doch als sie schließlich wurde respektive wach werden wollte, merkte sie mit Entsetzen, dass sie tot war, äußerlich ruhig und gelassen dahin geschieden.
Die Idee, deine Prot am Schluss sterben zu lassen und damit deiner Geschichte eine wirklich unerwartete Wendung zu geben, ist sehr, sehr gut. Aber darauf hättest du schon ein bißchen mehr eingehen können! Sie ist tot - Ende. Ich bin in dieser Hinsicht beileibe kein Fachmann. Aber schläft unsere Seele jemals? Also müßte sie doch vom nächtlichen Todesakt etwas mitbekommen haben? Ich gebe zu, mit Logik ist dieser Thematik nicht unbedingt beizukommen. Ich hoffe, du verstehst, was ich meine. Ein bißchen mehr Pfeffer könnte deine Story an dieser Stelle weiß Gott vertragen.

‚Weiß der Teufel, ob nicht hinter diesem Feuer noch ein anderes, sehr lang anhaltendes auf mich wartet’, waren ihre letzten Gedanken.
Das verstehe ich nicht.

Fazit: Sehr amüsant, eine ausgefallene Idee. Aber du müßtest noch viel mehr weg vom "Tell". Denn du beweist ja, dass du das "Show" beherrscht.

Ich hoffe, meine Kritik erscheint dir nicht allzu ruppig - denn so ist sie ganz bestimmt nicht gemeint.

Viele Grüße

Huck
 

Raniero

Textablader
Hallo Huck,

vielen Dank für deine kritischen Anmerkungen.

Bezüglich zusätzlicher Dialoge werde ich die Story noch einmal überarbeiten.
Den Hinweis auf die Lebenssituation der Gastgeber halte ich allerdings für wichtig, da er m. E. zur Beschreibung der sich entwickelnden Situation dient und einen Kontrast zu den zuvor geschilderten Jubelehepaaren bildet.

Zum Schlussatz der Story:
Nur der Teufel weiß in der Tat, ob sich hinter dem ersten kurzen Feuer noch ein weiteres (Höllen)feuer verbirgt.

Gruß Raniero
 



 
Oben Unten