Paul Stoyan
Mitglied
Von dem Tag an, als ich erfuhr, dass sie mich betrog, wurde ich in einen Zustand der Hoffnung versetzt. Sie sagte, sie mache eine Erfahrung, und diese Erfahrung entwickelte sich zum Albtraum, der seine ganze Kraft entfaltete, als sie von Meditationsübungen im Süden zurück kam und ihre Schenkel zum kategorischen Imperativ spreizte: Ich habe einen Freund und einen Liebhaber. Dort im Süden hatte sie vier Wochen überwiegend singend, schreiend, meditierend, auf dem Bauch, über Kopf an der Wand hängend, bei ausgiebigen Spaziergängen durch Heidelandschaften und in der ganzen Abgeschiedenheit eines von allem befreiten Seelenfriedens festgestellt, ich habe einen Freund und einen Liebhaber.
Und schon immer hatten Sätze, die knapp und ausdruckstark erklärten, dass die Welt mindestens zwei Seiten einer Medaille verkörpert, dass nichts durch sein Gegenteil zu denken ist, und dass allem, was man sagt, einer weiteren Wahrheit unterliegt, auf mich fast magische Wirkung. Ich habe einen Freund und einen Liebhaber, und dann lächelte sie mich an und neigte ihren Kopf neugierig zu mir herüber,
ob ich nun auch die ganze Konsequenz dieses Satzes begriffen hatte und löste nun ihr Rätsel auf, indem sie mich küsste, ihren vollen weichen Mund auf meinen legte und ich diesen Mund verschämt entgegennahm, und als sich unsere Münder öffneten, wurde die Ausrichtung des Satzes klar: Ich war ihr Liebhaber und Malte ihr Freund.
Als wir uns Stunden später im Bett wiederfanden, verspürte ich trotzdem das erstemal einen Anflug von Gleichgültigkeit nicht nur in ihren Augen, sondern auch in meinem Händedruck, mein Verlangen nach einer weiteren festen Umarmung wich einer selbstverständlichen Berührung, und meine Hände suchten schon nicht mehr drängend nach einem Widerpart, oder einem Entgegenkommen, sondern ergaben sich einfach dem nun ruhig neben mir liegenden Berg, der gleichmäßig atmete und bald einschlief,
als wäre sie nie weg gewesen, als hätte sie nicht vor wenigen Tagen noch an der Wand kopfstehend beschlossen, ich muss den Jungs das nun erklären, Ich habe einen Freund und einen Liebhaber.
Zwei Wochen später, ich hatte gleich am Wochenende nach ihrer Rückkehr aus dem Schwarzwald einen Servicedienst in Hamburg abgewickelt, lagen wir wieder nebeneinander, da in ihrem Bett, bereit, gleich wieder zu ..., da ging das Telefon.
Und da ich nun ihr Liebhaber war und Malte ihr Freund, dachte ich mir nichts dabei, dass die beiden miteinander sprachen, eine Stunde, dann fast eine weitere, und sie lachte ja nur, und sprach schon wieder vom Schwarzwald, den schönen Wiesen, dem Wald, und haha, geil geil hörte ich, und sie musste sich ja auch viel anhören, zumal die beiden sich nun schon sechs Wochen nicht gesehen hatten, wie ich dachte,
und dann legte sie auf und legte sich wieder wie selbstverständlich an meinen Bauch, und meinte im Fernsehen läuft wohl gerade ein Unterwasserfilm ..., und dann dachte ich, nein, das will ich nicht sehen, und sie wollte das wohl auch nicht sehen, und schon ging wieder das Telefon und Malte kommentierte, was er gerade im Fernsehen erkannte, ich meine, das war der Film Im Rausch der Tiefe ... von ... ich schlage nach und finde:
Luc Besson, Frankreich 1988, Jacques und Enzo sind begeisterte Tiefseetaucher, Jacques inzwischen Wissenschaftler und Enzo Weltmeister im Tiefseetauchen ohne Sauerstoffgerät. Als sie sich nun wiedersehen nach zwanzig Jahren, beginnt eine Tiefsee-Rekordjagd, der in einer Art Hassliebe der beiden Männer gipfelt und schließlich in einen fanatischen Zweikampf mündet, in dem schließlich Enzo stirbt, der immerhin die Vision von der Freiheit in der grenzenlose Weite des Meeres mit in den Tod nimmt, und dem schließlich alle Sympathien gehören ...,
Maltes Lieblingsfilm, sagte Nora, und rollte sich wieder ein ..., Maltes Liebling..., und ich ..., ein Film ... Taucher ... von denen der eine den anderen überlebt...
Hier standen also gleich von Anfang an mehrere Anhaltspunkte im Raum ... einmal die Frau, die einfach klar und deutlich mich zu ihrem Liebhaber erklärte, und dann der Freund, der ihr vom Rausch der Tiefe erzählte und schließlich ich, der diesen Rausch noch zweidreimal mit ihr vollziehen durfte, bis ich Tage später bei einem meiner erneuten Landungsversuche den umso deutlicher wirkenden Satz erfuhr: Ich hab keinen Bock mehr.
Der grandioseste Rücken aller Zeiten, vergleichbar mit dem einer Schwimmerin, kompakt, fest, feine klare Linien, ein Schulterblatt so feist wie ein gewaschener Felsen, spannte seine Sehnen und ließ einen Kopf halbaufrichtend gen Decke sprechen, ich hab keinen Bock mehr.
Der gleiche Mund, das gleiche Gesicht, die ganze Nora, rief diesen ungeheuerlichen Satz und da sie wohl selbst vor der Gewalt dieses Satzes erschrak, richtete sie sich auf, achtete aber schon gar nicht mehr darauf, dass ihr Busen nun schlaf herunterhing und einfach nur die Bettdecke schmückte, ihre linke Hand stützte sich aufs Bett und bildete eine Art Gitterstab zwischen ihrem Körper und meinem
und dann sagte sie, wir müssen reden. Ihr Busen wirkte plötzlich wie ein schwankendes Luftkissen und stierte mich mit seiner ganzen Frechheit an und behauptete, wir müssen reden.
Die Brustwarze wie zur Unterstreichung dieser im ganzen Zimmer hallenden Sätze - ich hab keinen Bock mehr, und wir müssen reden -, wie eingefaltet ..., schlafend fast ..., zerknautscht ..., verknittert ..., müde ..., einfach gleichgültig oder doch eher schwermütig. Wir fingen an zu reden.
An dem Wochenende, als du in Hamburg warst, fing Nora an, an dem Wochenende, als ich in Hamburg war, hörte ich, an dem Wochenende, als du in Hamburg warst, wiederholte Nora, nun ahnte ich es und richtete mich auf, und als sie anfügte, ach, egal, was soll ich dazu sagen ... wurde deutlich, jetzt hatte ich all meine Aufmerksamkeit auszurichten
und verließ das Bett, schlüpfte in mein T-Shirt und setzte mich halbnackt drüben auf den Stuhl neben den Fernseher, wo der Rausch der Tiefe ... und nun zeigte ich ein konzentrierteres Gesicht, eine Stirnwolke, eine ganze Werkzeugkiste das Kinn entlang, ich meine, fest aufeinandergebissene Zähne, und einen bohrenden Blick Richtung Nora, die noch immer da im Bett saß, als hätte Giacometti sie auf Bezahlung da hingesetzt.
Die Arme nun allerdings über die von der Bettdecke verdeckten Beine verschränkt, und ihre Brüste waren nur noch eine Füllung, einer Tüte entrissen.
So, was ist los, raus mit der Sprache. Raus. Erzähl mir jetzt keine Scheiße und dann ließ ich wohl noch ein paar dreckige Sätze folgen derart ... ich erinnere mich. Diese Situation hatte ich schon einmal in meinem Leben.
Da spielte Mara dieses Spiel mit mir, und damals saß allerdings ich im Bett, während sie mir da aus der Ferne Sibiriens die Sätze zurief, ich habe mich verliebt, und ich mir das eine Weile anhörte und Mara erklärte, dann versuchs doch, treib es mit ihm, mach doch!, was man begehrt, macht wirr, was man hat, das ermüdet, und damals allerdings erhob ich mich und marschierte schnurstraks durch den fisseligen Flur, zog mich an und verließ ohne ein weiteres Wort die Wohnung, und ließ mich die nächsten zwei Wochen nicht mehr blicken, nicht mehr hören, nichts, kein gar nichts, meine Abscheu hatte zumindest eines bewirkt, sie war mir egal geworden, schnurzpiepegal, und dann rief sie plötzlich nach zwei Wochen an und unsere ganze story begann von vorn ...
derartiges also schoss mir durch den Kopf und ich war schon drauf und dran Nora jetzt in ihrer eigenen Unverschämtheit oder Müdigkeit zu ertappen, komm schon, rief ich, sag schon, ihr habt gefickt. Bums, da war es raus. Son echter Bums. Und nochmal, fickt ihr etwa schon?
Und endlich, Nora nun ebenfalls aufrecht, erbost fast, aber noch immer in ihrer eigenen Sequenz, stieg aus dem Bett, Giacometti hatte ganze Arbeit geleistet, denn was sich da aus dem Bett herausreckte, war plötzlich nichts anderes als die geilste Frau der Welt. Von Kopf bis Fuss, und vor allem nochmal rauf vom Fuss bis zu ihrem Schaft, dieser geilen schönen Möse, und da flogen zwei schwankende Berge auf mich zu, und blickte man nun in ihr Gesicht, so erkannte man etwas neues. Eine andere Nora, eine Nora mit der Nähe zum Wasser, gebaut als kleine fließende Rinnsale, die Tropfen fielen zu Boden und dann stand sie vor mir und sagte wir haben uns geküsst, beziehungsweise er hat mich geküsst.
Und schon lag der ganze Giacometti auf meiner Schulter, und ich spürte den ganzen Giacometti beben, wimmern, aufstoßen, zittern, Nora weinte. Ich schob ihren Kopf aus meiner Schulter, in Blickhöhe und sah in ein grün überquellendes glitzerndes Wasser, das ganze Gesicht stürzte südwärts und dann sagte ich, da ist doch nichts bei.
Kaum dass ich das gesagt hatte, lag ihr Kopf wieder auf meiner Schulter, ich hörte es in mich hineinmurmeln, doch.
Und wieder schluchzte der ganze Berg. Doch, doch, das ist schlimm, sagte Nora. Das ist ganz schlimm, sagte Nora, und ich begann zu stieren, ich blickte gegen die Wand hinter unserem Bett, und da sah ich Malte, ich sah Mutter, ich sah das Rauschen in meinem Ohr, und nun wurde klar, dass es keiner Ahnung mehr bedurfte, keiner Angst, keines Verdachtes mehr, die Sache wurde nun ernst, und fing tatsächlich an aufzuhören, unsere Sache, unser fliegendes Zimmer zeigte plötzlich Wände wie aus Pappmasche,
und dann wiederholte ich meinen Satz, das ist doch nicht so schlimm. Doch Doch, sagte sie und blickte mich wieder an, und legte ihren Mund auf meinen, und im gleichen Moment durchfuhr mich ein Stechen in meinem Bauch, wie ich es lange nicht mehr gespürt hatte, wie es in meinem Leben erst bei ihr stattgefunden hatte, dieses Stechen im Bauch, das dir signalisiert, die ist es, die und keine andere. Aua, das geht bis durch den Stuhl,
ich nahm noch einmal all meinen Mut zusammen und hob diesen Berg aus seiner Verankerung und brachte ihn zum Bett. Was soll das, was soll das, rief sie, nein, nicht jetzt. Das musste ich wohl einsehen, und nun hatte ich keine andere Wahl, ich zog mich an, langsam, so langsam, als könnte sie mich noch aufhalten, aber sie blieb da verheult und ruhig in unserem Bett sitzen, und offensichtlich...
Sie hatte sich vertan. Ich war ihr Freund und Malte ihr Liebhaber, und als reichte es ihr, dass ich mich wie in Zeitlupe anzog, blieb sie da sitzen, und je mehr ich mich anzog, desto mehr hellte sich hier Gesicht auf, merklich, und dass sie mich nun einfach gehen lassen wollte ... und dass sie nicht sagte, ich sollte das lassen ... und dass sie nun schon gar nicht mehr heulte ... und dass ich glaubte, sie hat ja nur eine Lüge erzählt ... und dass Mara mich nach zwei Wochen anrief ... und als ich in meinen Schuhen steckte ... einmal noch, geh da noch hin ... nein, du gehst nicht mehr hin, und du guckst nicht mehr hin ... soll sie ersticken ... in ihrer Lüge ...
und dann guckst du doch hin, und das Gesicht sieht immer mehr aus wie ein Felsen, der ganze Leib sieht aus wie ein Felsen ... und dann kam das Entsetzen, die Wahrheit, die Aufklärung, sie log eben nicht, sie spielte hier nicht, sie ... zog da was durch ...
und mir klemmte die Hose, und ich kam hier gar nicht mehr schnell genug weg ... und als ich auf der Straße stand, dachte ich, nun ist der Stöpsel gezogen ... sie hat ihn geküsst, nein, er hat sie geküsst, sie hat sich küssen lassen ...
und dann fing dieser Filmriss an, die Verebbung des Rausches der Tiefe, des Meeres, - und die Fische die Algen wie Seerosen wie all die Mösenblumenbilder hingen zwischen den Häusern, und als ich die Haustür hinter mir zuzog, konnte ich fast nichts mehr erkennen, mein Haus stand am Wasser, der Garten geflutet, ich trat in die Sonne ... und fing an zu schreien. Wortlos zu schreien. Unhörbar zu schreien. Die ganze Wut brannte im Auge, ich konnte nicht weinen ...
ich lief die Perleberger hoch, weit hoch, und auf der Brücke über die Bahngleise nach Hamburg Schwerin, Polen, vielleicht führten die Gleise auch nur zum Hafen, auf dieser Brücke verbrachte ich Stunden und konnte nicht weinen. Ich habe einen Freund und einen Liebhaber. Der Liebhaber stand auf der Brücke und stierte auf Lokomotive ...
Und schon immer hatten Sätze, die knapp und ausdruckstark erklärten, dass die Welt mindestens zwei Seiten einer Medaille verkörpert, dass nichts durch sein Gegenteil zu denken ist, und dass allem, was man sagt, einer weiteren Wahrheit unterliegt, auf mich fast magische Wirkung. Ich habe einen Freund und einen Liebhaber, und dann lächelte sie mich an und neigte ihren Kopf neugierig zu mir herüber,
ob ich nun auch die ganze Konsequenz dieses Satzes begriffen hatte und löste nun ihr Rätsel auf, indem sie mich küsste, ihren vollen weichen Mund auf meinen legte und ich diesen Mund verschämt entgegennahm, und als sich unsere Münder öffneten, wurde die Ausrichtung des Satzes klar: Ich war ihr Liebhaber und Malte ihr Freund.
Als wir uns Stunden später im Bett wiederfanden, verspürte ich trotzdem das erstemal einen Anflug von Gleichgültigkeit nicht nur in ihren Augen, sondern auch in meinem Händedruck, mein Verlangen nach einer weiteren festen Umarmung wich einer selbstverständlichen Berührung, und meine Hände suchten schon nicht mehr drängend nach einem Widerpart, oder einem Entgegenkommen, sondern ergaben sich einfach dem nun ruhig neben mir liegenden Berg, der gleichmäßig atmete und bald einschlief,
als wäre sie nie weg gewesen, als hätte sie nicht vor wenigen Tagen noch an der Wand kopfstehend beschlossen, ich muss den Jungs das nun erklären, Ich habe einen Freund und einen Liebhaber.
Zwei Wochen später, ich hatte gleich am Wochenende nach ihrer Rückkehr aus dem Schwarzwald einen Servicedienst in Hamburg abgewickelt, lagen wir wieder nebeneinander, da in ihrem Bett, bereit, gleich wieder zu ..., da ging das Telefon.
Und da ich nun ihr Liebhaber war und Malte ihr Freund, dachte ich mir nichts dabei, dass die beiden miteinander sprachen, eine Stunde, dann fast eine weitere, und sie lachte ja nur, und sprach schon wieder vom Schwarzwald, den schönen Wiesen, dem Wald, und haha, geil geil hörte ich, und sie musste sich ja auch viel anhören, zumal die beiden sich nun schon sechs Wochen nicht gesehen hatten, wie ich dachte,
und dann legte sie auf und legte sich wieder wie selbstverständlich an meinen Bauch, und meinte im Fernsehen läuft wohl gerade ein Unterwasserfilm ..., und dann dachte ich, nein, das will ich nicht sehen, und sie wollte das wohl auch nicht sehen, und schon ging wieder das Telefon und Malte kommentierte, was er gerade im Fernsehen erkannte, ich meine, das war der Film Im Rausch der Tiefe ... von ... ich schlage nach und finde:
Luc Besson, Frankreich 1988, Jacques und Enzo sind begeisterte Tiefseetaucher, Jacques inzwischen Wissenschaftler und Enzo Weltmeister im Tiefseetauchen ohne Sauerstoffgerät. Als sie sich nun wiedersehen nach zwanzig Jahren, beginnt eine Tiefsee-Rekordjagd, der in einer Art Hassliebe der beiden Männer gipfelt und schließlich in einen fanatischen Zweikampf mündet, in dem schließlich Enzo stirbt, der immerhin die Vision von der Freiheit in der grenzenlose Weite des Meeres mit in den Tod nimmt, und dem schließlich alle Sympathien gehören ...,
Maltes Lieblingsfilm, sagte Nora, und rollte sich wieder ein ..., Maltes Liebling..., und ich ..., ein Film ... Taucher ... von denen der eine den anderen überlebt...
Hier standen also gleich von Anfang an mehrere Anhaltspunkte im Raum ... einmal die Frau, die einfach klar und deutlich mich zu ihrem Liebhaber erklärte, und dann der Freund, der ihr vom Rausch der Tiefe erzählte und schließlich ich, der diesen Rausch noch zweidreimal mit ihr vollziehen durfte, bis ich Tage später bei einem meiner erneuten Landungsversuche den umso deutlicher wirkenden Satz erfuhr: Ich hab keinen Bock mehr.
Der grandioseste Rücken aller Zeiten, vergleichbar mit dem einer Schwimmerin, kompakt, fest, feine klare Linien, ein Schulterblatt so feist wie ein gewaschener Felsen, spannte seine Sehnen und ließ einen Kopf halbaufrichtend gen Decke sprechen, ich hab keinen Bock mehr.
Der gleiche Mund, das gleiche Gesicht, die ganze Nora, rief diesen ungeheuerlichen Satz und da sie wohl selbst vor der Gewalt dieses Satzes erschrak, richtete sie sich auf, achtete aber schon gar nicht mehr darauf, dass ihr Busen nun schlaf herunterhing und einfach nur die Bettdecke schmückte, ihre linke Hand stützte sich aufs Bett und bildete eine Art Gitterstab zwischen ihrem Körper und meinem
und dann sagte sie, wir müssen reden. Ihr Busen wirkte plötzlich wie ein schwankendes Luftkissen und stierte mich mit seiner ganzen Frechheit an und behauptete, wir müssen reden.
Die Brustwarze wie zur Unterstreichung dieser im ganzen Zimmer hallenden Sätze - ich hab keinen Bock mehr, und wir müssen reden -, wie eingefaltet ..., schlafend fast ..., zerknautscht ..., verknittert ..., müde ..., einfach gleichgültig oder doch eher schwermütig. Wir fingen an zu reden.
An dem Wochenende, als du in Hamburg warst, fing Nora an, an dem Wochenende, als ich in Hamburg war, hörte ich, an dem Wochenende, als du in Hamburg warst, wiederholte Nora, nun ahnte ich es und richtete mich auf, und als sie anfügte, ach, egal, was soll ich dazu sagen ... wurde deutlich, jetzt hatte ich all meine Aufmerksamkeit auszurichten
und verließ das Bett, schlüpfte in mein T-Shirt und setzte mich halbnackt drüben auf den Stuhl neben den Fernseher, wo der Rausch der Tiefe ... und nun zeigte ich ein konzentrierteres Gesicht, eine Stirnwolke, eine ganze Werkzeugkiste das Kinn entlang, ich meine, fest aufeinandergebissene Zähne, und einen bohrenden Blick Richtung Nora, die noch immer da im Bett saß, als hätte Giacometti sie auf Bezahlung da hingesetzt.
Die Arme nun allerdings über die von der Bettdecke verdeckten Beine verschränkt, und ihre Brüste waren nur noch eine Füllung, einer Tüte entrissen.
So, was ist los, raus mit der Sprache. Raus. Erzähl mir jetzt keine Scheiße und dann ließ ich wohl noch ein paar dreckige Sätze folgen derart ... ich erinnere mich. Diese Situation hatte ich schon einmal in meinem Leben.
Da spielte Mara dieses Spiel mit mir, und damals saß allerdings ich im Bett, während sie mir da aus der Ferne Sibiriens die Sätze zurief, ich habe mich verliebt, und ich mir das eine Weile anhörte und Mara erklärte, dann versuchs doch, treib es mit ihm, mach doch!, was man begehrt, macht wirr, was man hat, das ermüdet, und damals allerdings erhob ich mich und marschierte schnurstraks durch den fisseligen Flur, zog mich an und verließ ohne ein weiteres Wort die Wohnung, und ließ mich die nächsten zwei Wochen nicht mehr blicken, nicht mehr hören, nichts, kein gar nichts, meine Abscheu hatte zumindest eines bewirkt, sie war mir egal geworden, schnurzpiepegal, und dann rief sie plötzlich nach zwei Wochen an und unsere ganze story begann von vorn ...
derartiges also schoss mir durch den Kopf und ich war schon drauf und dran Nora jetzt in ihrer eigenen Unverschämtheit oder Müdigkeit zu ertappen, komm schon, rief ich, sag schon, ihr habt gefickt. Bums, da war es raus. Son echter Bums. Und nochmal, fickt ihr etwa schon?
Und endlich, Nora nun ebenfalls aufrecht, erbost fast, aber noch immer in ihrer eigenen Sequenz, stieg aus dem Bett, Giacometti hatte ganze Arbeit geleistet, denn was sich da aus dem Bett herausreckte, war plötzlich nichts anderes als die geilste Frau der Welt. Von Kopf bis Fuss, und vor allem nochmal rauf vom Fuss bis zu ihrem Schaft, dieser geilen schönen Möse, und da flogen zwei schwankende Berge auf mich zu, und blickte man nun in ihr Gesicht, so erkannte man etwas neues. Eine andere Nora, eine Nora mit der Nähe zum Wasser, gebaut als kleine fließende Rinnsale, die Tropfen fielen zu Boden und dann stand sie vor mir und sagte wir haben uns geküsst, beziehungsweise er hat mich geküsst.
Und schon lag der ganze Giacometti auf meiner Schulter, und ich spürte den ganzen Giacometti beben, wimmern, aufstoßen, zittern, Nora weinte. Ich schob ihren Kopf aus meiner Schulter, in Blickhöhe und sah in ein grün überquellendes glitzerndes Wasser, das ganze Gesicht stürzte südwärts und dann sagte ich, da ist doch nichts bei.
Kaum dass ich das gesagt hatte, lag ihr Kopf wieder auf meiner Schulter, ich hörte es in mich hineinmurmeln, doch.
Und wieder schluchzte der ganze Berg. Doch, doch, das ist schlimm, sagte Nora. Das ist ganz schlimm, sagte Nora, und ich begann zu stieren, ich blickte gegen die Wand hinter unserem Bett, und da sah ich Malte, ich sah Mutter, ich sah das Rauschen in meinem Ohr, und nun wurde klar, dass es keiner Ahnung mehr bedurfte, keiner Angst, keines Verdachtes mehr, die Sache wurde nun ernst, und fing tatsächlich an aufzuhören, unsere Sache, unser fliegendes Zimmer zeigte plötzlich Wände wie aus Pappmasche,
und dann wiederholte ich meinen Satz, das ist doch nicht so schlimm. Doch Doch, sagte sie und blickte mich wieder an, und legte ihren Mund auf meinen, und im gleichen Moment durchfuhr mich ein Stechen in meinem Bauch, wie ich es lange nicht mehr gespürt hatte, wie es in meinem Leben erst bei ihr stattgefunden hatte, dieses Stechen im Bauch, das dir signalisiert, die ist es, die und keine andere. Aua, das geht bis durch den Stuhl,
ich nahm noch einmal all meinen Mut zusammen und hob diesen Berg aus seiner Verankerung und brachte ihn zum Bett. Was soll das, was soll das, rief sie, nein, nicht jetzt. Das musste ich wohl einsehen, und nun hatte ich keine andere Wahl, ich zog mich an, langsam, so langsam, als könnte sie mich noch aufhalten, aber sie blieb da verheult und ruhig in unserem Bett sitzen, und offensichtlich...
Sie hatte sich vertan. Ich war ihr Freund und Malte ihr Liebhaber, und als reichte es ihr, dass ich mich wie in Zeitlupe anzog, blieb sie da sitzen, und je mehr ich mich anzog, desto mehr hellte sich hier Gesicht auf, merklich, und dass sie mich nun einfach gehen lassen wollte ... und dass sie nicht sagte, ich sollte das lassen ... und dass sie nun schon gar nicht mehr heulte ... und dass ich glaubte, sie hat ja nur eine Lüge erzählt ... und dass Mara mich nach zwei Wochen anrief ... und als ich in meinen Schuhen steckte ... einmal noch, geh da noch hin ... nein, du gehst nicht mehr hin, und du guckst nicht mehr hin ... soll sie ersticken ... in ihrer Lüge ...
und dann guckst du doch hin, und das Gesicht sieht immer mehr aus wie ein Felsen, der ganze Leib sieht aus wie ein Felsen ... und dann kam das Entsetzen, die Wahrheit, die Aufklärung, sie log eben nicht, sie spielte hier nicht, sie ... zog da was durch ...
und mir klemmte die Hose, und ich kam hier gar nicht mehr schnell genug weg ... und als ich auf der Straße stand, dachte ich, nun ist der Stöpsel gezogen ... sie hat ihn geküsst, nein, er hat sie geküsst, sie hat sich küssen lassen ...
und dann fing dieser Filmriss an, die Verebbung des Rausches der Tiefe, des Meeres, - und die Fische die Algen wie Seerosen wie all die Mösenblumenbilder hingen zwischen den Häusern, und als ich die Haustür hinter mir zuzog, konnte ich fast nichts mehr erkennen, mein Haus stand am Wasser, der Garten geflutet, ich trat in die Sonne ... und fing an zu schreien. Wortlos zu schreien. Unhörbar zu schreien. Die ganze Wut brannte im Auge, ich konnte nicht weinen ...
ich lief die Perleberger hoch, weit hoch, und auf der Brücke über die Bahngleise nach Hamburg Schwerin, Polen, vielleicht führten die Gleise auch nur zum Hafen, auf dieser Brücke verbrachte ich Stunden und konnte nicht weinen. Ich habe einen Freund und einen Liebhaber. Der Liebhaber stand auf der Brücke und stierte auf Lokomotive ...