Nordlandfahrer / Buchtipp von Harry Popow

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Harry Popow

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Nordlichter! Wer wünschte sich nicht, dieses faszinierende Naturschauspiel selbst erleben zu dürfen. Faszinierend, wie der Autor des Buches mit dem Titel „Fast ein ganzes Menschenleben“ dies beschreibt. Ein seltsamer Tanz der Farben und des Lichts. Kalt zwar, aber das Herz erwärmend. Der Autor war dort im Norden. Nicht nur einmal. Als Globetrotter hatte er mit seiner Frau u.a. Finnland, Schweden und Norwegen bereist. Und das gezeigt, was Menschen auszeichnet: Entdeckerfreude und Neugier. Und nun hat der 1932 in Breslau geborene Mann eine Autobiographie geschrieben.

(Fast ein ganzes Menschenleben. Auf holprigen Wegen vergangener acht Jahrzehnte; ISBN 978-3-86268-205-8, 1.Auflage 2011, Engelsdorfer Verlag Leipzig, Preis: 16,00 EURO)

Der Titel klingt etwas müde, aber ich habe dieses Buch mit großem Interesse gelesen. Warum? Weil meine Frau und ich selber neun Jahre in Schweden wohnten und nicht eine Minute bereut haben. Wir kehrten nach der sogenannten Wende Deutschland aus unterschiedlichen Motiven den Rücken. Vor allem ich wollte abschalten.

Kurz: Der Autor des obigen Buches, er wohnt in Westfalen, wollte einen Ostler finden etwa gleichen Alters, um zu verstehen, wie der denn alles so erlebt hatte. Er fand im gleichen Verlag das Buch mit dem Titel „In die Stille gerettet“. Er suchte meine Adresse heraus und sendete mir eine E-Mail: „..stöberte ich in den Verlagsseiten und stieß auf Ihren Autorensteckbrief. Ihr Buch habe ich bestellt um es zu lesen. Persönlich möchte ich sie um ein paar Ratschläge bitten,…“

Den Ostautor freute das. Nicht aus kommerziellen Gründen – das kann ein namenloser Schreiber bei diesem Buchgetümmel auf dem hart umkämpften Markt vergessen, sondern aus menschlichen Gründen. Möchte er doch mithelfen, Brücken zwischen Ost und West zu bauen, mehr von den Lebensläufen voneinder zu erfahren. Die sind besonders dann interessant und spannend, wenn es – von beiden Seiten - um ehrliche Rückblicke geht, wenn aus ganz persönlicher Sicht sowohl Privates als auch Gesellschaftliches miteinander eng verwoben beleuchtet werden, wenn auch Uneingeweihte einen Einblick in die inneren Motive, in das alltägliche Denken und Handeln bekommen.

Nun aber wollte ein „Normalbürger“, wie er sich selber bezeichnet, mein Buch lesen. Auch ich kaufte sein Buch. Und bin nicht enttäuscht worden. Da blättert er sein Leben vor dir als Leser auf. Seine Kindheit in Breslau, seine Erlebnisse nach 1945, als die Familie – wie tausende andere auch – nach Westdeutschland evakuiert wurden. Die Schwierigkeit, als Kriegs- und Flüchtlingskind einen Schulabschluß hinzukriegen. Sehr früh gründet er eine Familie. Er versucht sich immer wieder in neuen Berufen, bis er mit seiner Familie gut von seiner Tätigkeit leben kann.

Seine Beobachtungsgabe, seine Kontaktfreudigkeit zu anderen Menschen, seine Naturliebe, seine Lust am Abenteuer, nicht zuletzt – sein urwüchsiger Witz und seine große Liebe zu seiner Frau und den Kindern – das alles wird erst so richtig sichtbar in seinen Berichten u.a. aus den Reisen nach Skandinavien. Da leuchtet etwas auf an Natürlichkeit, an Menschlichkeit, die in einer egoistischer werdenden Welt aufhebenswert ist für die Nachkommen.

Harry Luckner betont, dass Heimat für ihn dort ist, wo er gut leben kann. So einfach ist das. Man denke an die Geschichte von Leo Tolstoi „Wieviel Erde braucht der Mensch?“ Darin ging es um die Gier eines Bauern, mehr Land haben zu wollen, als er eigentlich bearbeiten kann. Daran ging er zu Grunde. Heute sind die Läden zwar voll mit allem was das Herz begehrt, aber das, was ihn erst innerlich reifen läßt und seine Würde unterstreicht, das ist die Arbeit, eine bezahlbare Wohnung und eine bezahlbare Gesundheitsversorgung. Und die Liebe. Und das in einem Gesellschaftssystem, das dies durch eine andere Verteilung des Reichtums als Rahmenbedingung garantieren könnte.

Erstaunlich, zu welcher Erkenntnis der westdeutsche Autor kommt, wenn er schreibt, trotz anfänglicher Staatsgläubigkeit heute den Glauben an den Staat wegen der Globalisierung, der zunehmenden Proftgier und der starken Kluft zwischen Arm und Reich verloren zu haben.

Die Offenbarungen des Autors sprechen von einer rückhaltlosen Ehrlichkeit – ohne Wenn und Aber. Er pflegt von Anbeginn einen faktenreichen Berichtsstil, gewürzt mit zahlreichen interessanten Vergleichen, einem selbstkritischen Ton und herzhaftem Humor.

Nordlichter? Sie wärmen nicht, aber sie muß man entdecken wollen – und so wirkt auch jeder ehrlich geschriebene Lebenslauf wie ein faszinierendes Feuer der Lebenslust, ansteckend und nachdenklich stimmend.

Und was meint Harry Luckner zum Buch seines Ostlers, der auch Harry heißt: „Zu deinem Buch muß ich Dir sagen, das auch wir Deine aufrichtige Ehrlichkeit entdeckt haben, und um Deine Gefühle nach der Öffnung der Mauer zu begreifen, haben wir beide, Waltraud und ich, Dein Buch ein zweites mal mit ´Verstand´ gelesen. Heut möchte ich fast sagen, diese beiden Bücher gehören zusammen. Wir widersprechen uns darin in keinster Weise, obwohl sich unser Leben in zwei total gegensätzlichen Systemen abspielte, und wir beide uns bis heute noch nie gesehen haben.“
 

jon

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Die Eigenwerbung in dieser "angeblichen" Rezi hat schon ein ziemliches "Gschmäckle" …

Interessant wäre das, wenn du explizit vergleichen würdest. Hat die Herkunft andere Gründe für das Auswandern erzeugt? Oder/Und anderes Wahrnehmen dort? Oder/Und andere Gründe der Rückkehr? Für mich klingt es nämlich, als wäre es in beiden Fällen um haargenau das selbe gegangen. Das muss ich nicht doppelt lesen/hören – es sei denn, du begründest, warum es so erheblich ist, dass es die selben Gründe waren.

Also: Entweder du machst eine Rezi (dann lass das mit deinem Buch etc. weg) oder du schreibst eine Art Tagebuch-Essay über eine "virtuelle" Begegnung inkl. Betrachtung der Gründe fürs "Auswandern" inkl. Gesellschaftskritik (wenn's denn sein muss).
 

Harry Popow

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Hallo jon,
ich nehme an, Du hast nicht mitbekommen, dass der Harry aus Westfalen gar nicht auswandern will. Und bei mir sind es recht politische Motive. Dass sich aber zwei Autoren auf einer bestimmten Ebene treffen und sich doch ziemlich nahe kommen - ohne sich persönlich gekannt zu haben - ist schon bemerkenswert. Ich erhielt zahlreiche Rückmeldungen, dass das alles sehr interessant ist. Und wenn Du den "Nordlandfahrer" - Beitrag richtig lesen kannst, geht es mir vordergründig darum, sich gegenseitig besser kennenzulernen und nicht auf das Geschwätz der Medien und der Oberen zu hören, die ohnehin die Geschichte verbiegen möchten. Mit mir ist da nichts zu machen. Ich wünsche sehr, dass Leute mit Verstand und ohne Vorurteile, um nicht noch zu sagen mit viel Herz, Lebensläufe lesen und aktzeptieren. Lebensläufe sind Festungen, daran ist nicht zu rüttel, vorausgesetzt, sie sind ehrlich geschrieben. Wenn es ins Forum nicht so recht passen sollte, dann lösche den Beitrag. Gruß von Harry
 

jon

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Teammitglied
Lieber Harry,

ich dachte mir schon, dass du sowas sagen wolltest, aber du hast das Ganze eben als Buchtipp "verkauft" – und das ist "Etikettenschwindel". Lass doch den Rezi-Teil weg (also die Buchdaten, die Bucheinschätzung etc) und schreib nur über diese "virtuelle" Begegnung. Dass die auch mittels der Bücher stattfindet, ist klar, aber das Neugierig machen auf das Buch ist dann eher ein Nebeneffekt.

Dass der andere Harry auswandern wollte/ausgewandert ist, war ein Rückschluss. Ich weiß nicht, woher, vielleicht wegen des Titels Nordlandfahrer, dem Wort Nordlichter und deiner Verknüpfungen mit deiner Auswanderung
 

Harry Popow

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Hallo jon und Ulrike,
danke für die ernstzunehmenden Hinweise. Ja, so etwas, dass sich welche - dazu noch Ost/West - über Bücher kennenlernen, gibt es sicherlich, dass dann aber über beide geschrieben wird in einem Beitrag, ist wohl eher selten. Lassen wir die Formfragen. Auch freute es den Westfalen außerordentlich, dass ich über ihn und über mich etwas ins Netz stelle. Wenn es geht, dann schicke den Text, liebe Ulrike, doch auf die Tagebuchseiten. Es passiert schon, dass man sich in der Wahl der Unterforen irrt. Alles Gute
 

jon

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Teammitglied
Redakteuersanmerkung

Auf Autorenwunsch hierher verlegt, da die Begegnung doch eher das Thema des Textes ist als der Buchtipp.
 



 
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