November Rose

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Walther

Mitglied
November Rose


Ich sitze hier, erkenne: Meine Rose,
Am dünnen Zweig im Kalten, das bist Du.
Im Innern Dich betrachtend, immerzu
Dies Lächeln um die Lippen, Haare lose:

Ich sitze hier und schmunzele im Nu.
Wenn ich Dich in Gedanken zärtlich kose,
Mit Dir um Baum und Strauch wie Kinder tose,
Ist in der Wildheit Alles wie in Ruh.

Ich sitze, sehe Dich in diesem Bild,
Als wärst Du nah und nicht in einer Ferne.
Es ist die Rose, die die Sehnsucht stillt

Und macht. Sie duftet, und sie sticht mich gerne:
Die Träne wie das Herzblut leise quillt,
Als ich die Liebe durch mein Staunen lerne.
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Walther,

der Text geht nach meinem Empfinden, durch die letzte Strophe kaputt.

Statt "und macht", könntest Du "und weckt" schreiben. Da wäre also leicht etwas zu reparieren.

Aber dass "das Herzblut leise quillt", damit kann ich leider gar nichts anfangen. Ich weiß natürlich, was Du meinst, aber wie Du es ausdrückst, ist für mich befremdlich.Ich kann mir nicht vorstellen, dass mein Herzblut leise quillt. Leider habe ich auch keinen Gegenvorschlag.

Die Aussage in der letzten Zeile ist sehr schön,aber nach meinem Gefühl kommt sie zu unvorbereitet. Es müsste schon verher etwas deutlich werden, aus dem man dann wenigstens andeutungsweise selbst einen Schluss auf das "Staunen" ziehen könnte.

So weit meine unmaßgebliche Meinung zu Deinem Text. Ich nehme nicht an, dass Du ihn überarbeiten möchtest, das ist bei einem Sonett seeeeeehr schwierig und außerdem, warum sollte Dich nun gerade mein persönlicher Eindruck dazu bewegen. Da Du mich aber direkt auf diesen Text hingewiesen hast, wollte ich Dir auch ehrlich sagen, was mir dazu einfällt.

Mit steter Bewunderung für Dein Können und lieben Grüßen :)
Vera-Lena
 

Walther

Mitglied
Hallo Vera-Lena,

der Hinweis mit dem "weckt" ist gut. Ihn werde ich umsetzen.

Die Bilder sind eigentlich klar: Das Herzblut ist die Träne des Herzens, der Schmerz der unerfüllten Liebe ist so ein doppelter, die Augen- und die Herzträne. Beide quellen, in der Einsamkeit, leise, sie rollen einfach über Gesicht und Herz.

Es ist in der Tat ein "Staunen", nämlich das über das Vermissen, das die Liebe lehrt: Der Verlust trägt die stärkste Form der Erkenntnisgewinnung über den Wert ein Menschen, des geliebten hier, oder einer Sache in sich.

Daher ist das Alles sehr schlüssig, wie ich finde, und gar nicht so überraschend. Denn die "Ferne" wird ja bereits angesprochen - im Sinne von "nicht da", nicht in greifbarer Nähe.

Das Gedicht ist voller Bilder dieser Art, aus der sog. "alten Zeit" stammend, aber eben modern gebrochen. Wir wissen heute, daß wenig sicher ist. Außer der Erderwärmung. Und von der wissen wir, wer sie macht. Liebe hin, Liebe her.

Allerbeste Grüße, mit Verbeugung ob des Lobs,

der W.
 

Walther

Mitglied
November Rose


Ich sitze hier, erkenne: Meine Rose,
Am dünnen Zweig im Kalten, das bist Du.
Im Innern Dich betrachtend, immerzu
Dies Lächeln um die Lippen, Haare lose:

Ich sitze hier und schmunzele im Nu.
Wenn ich Dich in Gedanken zärtlich kose,
Mit Dir um Baum und Strauch wie Kinder tose,
Ist in der Wildheit Alles wie in Ruh.

Ich sitze, sehe Dich in diesem Bild,
Als wärst Du nah und nicht in einer Ferne.
Es ist die Rose, die die Sehnsucht stillt

Und weckt. Sie duftet, und sie sticht mich gerne:
Die Träne wie das Herzblut leise quillt,
Als ich die Liebe durch mein Staunen lerne.
 

Vera-Lena

Mitglied
Aha, lieber Walther,

jetzt sehe ich, warum mir ein Verstehen hier schwerfiel. Für mich persönlich bedeutet "Ferne" nicht das Ende einer Liebe oder Liebesentzug oder Ähnliches. Für mich bedeutet Fernsein immer über die Ferne hinweg lieben. Deshalb konnte ich gar nicht erkennen, dass da ein Liebesschmerz schon angedeutet war.

Ja, das ist durchaus wahr, wenn man jemanden über Jahrzehnte immer bei sich hat,weiß man erst so richtig wieder, was er einem bedeutet, wenn er einmal nicht da ist, und sei es nur für eine Woche.

In Deinem Text geht es also um einen dauerhaften Verlust und der Liebende erfährt an sich selbst voller Staunen, was ihm die Geliebte bedeutet. So weit ist das jetzt alles ok für mich.

Dass das Herzblut die Träne des Herzens ist, mit dem Gedanken kann ich mich immer noch nicht anfreunden, aber muss ich ja auch nicht.

"Mit Herzblut unterschrieben" ist eine gängige Metapher, und hier bedeutet es einfach, dass man ohne wenn und aber zu etwas "ja" gesagt hat. Vielleicht habe ich mich durch dieses geläufige Bild zu sehr festgelegt, das kann sein.

Danke für Deine Erläuterungen! :)
Dir noch einen schönen Abend!
Liebe Grüße von Vera-Lena
 

Walther

Mitglied
Liebe Vera-Lena,

Herzblut kann auch vergossen werden (und wenn nicht auch über die Liebe), und dazu darf auch ein wenig aus der leicht länglichen Stichwunde des Rosenstachels "hervorquillen". :)

Lange Rede kurzer Sinn: Inhalt und Bild sind und bleiben immer auch Geschmacksache. Die Metapher muß anrühren - das ist bei Dich nicht vollkommen gelungen, die Bescheidenheit muß dazu führen, das einfach so zu akzeptieren. ;)

Ich wünsche Dir einen schönen und erholsamen Novemberabend.

Lieber Gruß W.
 



 
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