Nur Wasser

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Raniero

Textablader
Nur Wasser

„Was gucken wir denn heute Abend, Papa?“ fragte Iris Laibermann ihren Mann an einem heißen Sommertag beim Nachmittagskaffee auf der Terrasse.
‚Papa’ legte die Fernsehzeitung beiseite und blickte seine Frau über die Brillengläser hinweg an.
„Wieder mal nichts Gescheites im Fernsehen, Iris, wie so oft“, antwortete er, „aber ich habe ja Gottseidank vorgesorgt.“
„Ach, Papa, wenn ich dich nicht hätte…“ „dann wüsstest du nicht, was du heute Abend machen solltest“, ergänzte Fred Laibermannn, von seiner besseren Hälfte in fröhlichen Momenten ‚Papa’ genannt.

Vor einiger Zeit erst hatten sie sich einen Videorekorder zugelegt, die Eheleute Laibermann, um die manchmal doch sehr öden Fernsehabende mit Sendungen aus der Konserve zu überbrücken. Da Freds Frau jedoch mit der Technik im Allgemeinen auf Kriegsfuß stand, wie sie sich ausdrückte, überließ sie von Anfang an die Bedienung des Aufnahmegerätes weitgehend ihrem Mann und äußerte nur ab und an einen Wunsch, wenn sie beispielsweise einen ganz speziellen Film aufgezeichnet haben wollte. Somit oblag praktisch die Auswahl der Sendungen und die daraus resultierende Gestaltung des Fernsehabends, wenn sie denn nicht durch Direktsendungen bestritten wurde, dem Ehemann und Fred ging wie folgt dabei vor.
Er legte sich ein Verzeichnis an, in welches er fein säuberlich die aufgenommenen Sendungen eintrug, mit Titel, Datum sowie der Nummer der Kassette; darüber hinaus versah er alle Eintragungen mit nur ihm bekannten Kürzeln für ein weiteres, für ihn äußerst wichtiges Merkmal; nach der Art, in welcher die entsprechende Fernsehsendung konsumiert werden würde, gemeinsam mit seiner besseren Hälfte oder nur von ihm allein.
Auf diese Weise teilte er bereits im Vorfeld alle Aufzeichnungen entsprechend ein, die einwandfreien, sehenswerten Beiträge wie Liebesfilme, Komödien, Tierfilme etc. für einen gemeinsamen Fernsehabend, die härten Sachen wie Horror-, Psycho- oder Pornostreifen für die Stunden danach, um Mutti damit nicht zu erschrecken.

So nahm Fred denn auch an diesem Abend seine Liste zur Hand und studierte sie eifrig.
„Also, Schatz, ich hätte da im Angebot“, legte er los, mit Feuereifer, „einen echten Rosamunde Pilcher“, doch sein Weib winkte energisch ab, „nicht schon wieder, den hatten wir doch gestern noch.“
„Eine Blödelkomödie“, fuhr Fred fort, „oder, schau mal, Schatz, wie wäre das denn; der Untergang der Pamir, du erinnerst dich doch, dieses Segelschulschiff, weißt du noch?“
„Um Gottes Willen, bloß das nicht“, stöhnte Isolde, „das ist ja nur Wasser, den ganzen Abend lang!“
Fred war sprachlos.
„Aber, Schätzchen, wie kommst du denn darauf? Nur Wasser? Ich verstehe dich nicht. Eine menschliche Tragödie ist das, dieser Film, und nicht nur Wasser.“
„Aber der größte Teil dieser menschlichen Tragödie spielt sich im Wasser ab“ entgegnete ihm seine Angetraute, „da kannst du machen, was du willst.“
„Mein Gott, natürlich spielt sich einiges mehr oder weniger auf dem Wasser und zum Schluss auch im Wasser ab“, stöhnte Fred entnervt, „aber das ist doch nicht der ganze Film! Und, darüber hinaus, beginnt die Handlung stocknormal, wie bei allen solchen Filmen, an Land, auf dem Trockenen, ganz ohne Wasser und ganz trocken“.
Doch Fred konnte reden wie er wollte, seine Frau beharrte darauf, dass man in dem Film oder zumindest im größten Teil davon, nur Wasser zu sehen bekomme. Gleichwohl willigte sie ein, teils, weil sie keine besseren Alternativen sah, teils, um ihren Mann nicht ganz zu verärgern.
Gemeinsam machten sie es sich gemütlich, vor dem Fernseher, noch relativ weit voneinander entfernt, ein jeder ein Glas Mineralwasser vor sich. Fred schaltete Fernsehgerät und Videorekorder ein und schaute konzentriert auf den Monitor, während seine Frau gelangweilt dreinblickte, eigentlich fehlte ihr nur noch das Strickzeug. Je mehr jedoch die Handlung voranschritt und an Dramatik gewann, und je mehr Wasser in der Tat ins Spiel kam, umso näher löste sich Isoldes Langeweile, was sich dadurch bemerkbar machte, dass sie mit dem Sessel immer näher an ihren Mann heranrückte, doch als das Drama den ersten filmischen Höhepunkt erreichte, schaltete Fred plötzlich den Rekorder aus.
„Aber Papa, warum stoppst du denn den Film, an einer so spannenden Stelle?“ klagte die Frau.
„Ich muss Wasser lassen“, gab Fred knapp zurück.
„Bring mir bitte noch ein Wasser mit, Schatz.“
Der Film gewann weiter an Fahrt und man bekam immer mehr Wasser zu sehen, denn das Segelschulschiff befand sich nun auf hoher See, umtost von hohen Flutwellen.
„Das kann man ja vor Spannung nicht aushalten“, stöhnte Fred und eilte zum Wohnzimmerschrank.
„Möchtest du auch ein Kirschwasser?“
„Ja, Schatz, gerne.“
Verhalten prosteten sie sich zu, während das Schiff gerade von einer turmhohen Welle getroffen wurde und sich langsam auf die Seite legte. Isolde liefen die ersten Tränen übers Gesicht, und auch in Freds Augen zeigte sich ein verdächtiger Glanz. Kurz darauf war von dem schönen Segelschulschiff nichts mehr zu sehen, statt dessen hallten Entsetzensschrei übers Meer, und während sich die verzweifelten Überlebenden um das einzige Rettungsboot klammerten, umklammerten sich auch Isolde und Fred, mit tränenüberströmten Gesichtern.
Mittlerweile waren sie nun fast genauso nass wie die Seeleute im Wasser, denn bei der konzentrierten Anspannung hatten sie gar nicht den plötzlich einsetzenden Regen bemerkt, der gnadenlos auf sie herunterprasselte.
Gemeinsam starrten sie wie gebannt durch die geöffnete Terrassentür auf die Mattscheibe, von innen nass wie von außen, und während der Filmabspann auf dem Monitor erschien, seufzte Isolde Laibermann glücklich:
„War doch schöner, als ich dachte, Schatz, wenn auch nur Wasser.“
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
prust,

der kom ist ja witziger als die geschichte.
vielleicht könnte die frau die zimmerpflanzen gießen, weil sie mit ihrem mann uneins ist. dabei könnte es eine kleine pfütze geben. und im kirschwasser könnten die eiswürfel zu wasser werden. lass mal noch n bisschen mehr wasser plätschern, die stelle, wo er wasserlassen geht und sie ihn bittet, noch n wasser mitzubringen, finde ich lustig. nu nich gleich mit m klo weiter, aber es könnte ein so genanntes seestück an der wand hängen, so n schiff mit acht segeln und mit 50 kanonen . . .
lg
 

Raniero

Textablader
das Gleiche wünsche ich Dir und Deinen Lieben; ein Frohes Fest mit viel Hüftengold und ggf. einen reichen Kindersegen.:):):)
 



 
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