Nur so ....

Garde

Mitglied
Mord, Totschlag, Horror, Fantasie, überall wo ich hinsehe, denkt Tilo und klickt sich aus dem Netz. Er stützt den Kopf in die Hände, schaut aus dem Fenster auf die belebte Straße, drei Etagen unter sich. Die Bäume sind kahl, die Sicht wird kaum gestört.
Ein Auto folgt dem anderen, teilweise mit Licht, obwohl es früher Nachmittag ist. Wechselt weiter hinten an der Kreuzung die Ampel auf rot, bildet sich schnell eine dampfende, hüstelnde Schlange, die bei Grün langsam auseinander rollt.
Tilo hat schon öfter am Fenster gesessen und überlegt, wer wohl in diesem Moment dort unten im Auto sitzt. Wer sind sie, was denken, fühlen sie?
Haben sie heute geliebt, gehasst oder überhaupt, haben sie es heute schon versucht, fragt er sich. Kurz entschlossen steht er auf, schnappt sich den dunkelbraunen Pork Pie Stetson, den knöchellangen Mantel und gleitet eine Minute später mit dem Fahrstuhl nach unten.
An der Ampel wartet er, dass sie rot wird. Als das erste Auto hält, geht er nahe heran. In ihm sitzt ein älteres Ehepaar. Die Frau auf dem Beifahrersitz schaut Tilo direkt in die Augen. Er tippt freundlich mit dem Finger an die Hutkrempe und lächelt. Sie lächelt zurück, stutzt und schüttelt entrüstet den Kopf.
Im nächsten Wagen sitzt eine junge Frau. Sie scheint Musik zu hören, klopft gleichmäßig mit der rechten Hand auf das Lenkrad und nimmt keinerlei Notiz von dem Mann mit Hut. Anders der etwa fünfjährige Junge im Kindersitz. Er zeigt Tilo gekonnt einen Vogel und streckt ihm die Zunge entgegen.
Das nächste Fahrzeug gefällt Tilo außerordentlich. Es ein silbergrauer, ellenlanger Schlitten. Der Beifahrersitz ist leer, der Mann auf der Rückbank, hat einen Aktenkoffer auf den Knien, darauf einige weiße Blätter. Er telefoniert, zuckt zusammen, als Tilo mit dem Kopf näher kommt, macht aufgebracht mit dem Handy eine wegscheuchende Bewegung.
Am folgenden Jeep tritt Tilo erschreckt zurück. Hinter der Scheibe blitzt das Weiße in den Augen eines Rottweilers. Die Zunge hängt dem Hund weit aus dem Maul, sein Bellen klingt bedrohlich.
Tilo zögert, bevor er an das nächste Gefährt dichter herangeht. Er kann nicht sofort erkennen, ob eine Frau oder ein Mann hinter dem Lenkrad sitzt. Das Auto ist vollgestopft mit allem, was man so braucht. Er sieht Bettzeug, Putzeimer, einen Besenstiel, Kartons mit Cornflakes und Dosen mit Katzenfutter. Wieso liegen eigentlich immer Stehlampen oben auf.
Die Fahrerin sichert mit dem Arm die Gegenstände auf dem Beifahrersitz und streckt ihm stirnrunzelnd ihr Gesicht entgegen. Als sie merkt, dass der Wagen vor ihr fährt, richtet sie sich auf, legt den Gang ein und düst, ohne einen weiteren Blick für den Mann mit der Melone, davon.
Thilo schaut hinter dem Heckteil her, zieht die Schultern hoch und denkt. „Na ja, gelacht hat niemand, aber es war einen Versuch wert.“
 

anbas

Mitglied
Hallo Garde,

die Geschichte gefällt mir gut - lediglich den Schluss finde ich etwas mau. Er wirkt so, als solle da noch eine Botschaft rüber kommen. Mir gefällt dieser Grundgedanke, einfach mal nachzusehen, wer da in diesen Autos drin sitzt, so gut, dass ich eine zusätzliche Botschaft oder Aussage als störend empfinde.

Beim Lesen war ich die ganze Zeit gespannt, ob es zu einem näheren Kontakt zwischen Tilo und einem der Autoinsassen kommt. Allein schon, dass es nicht zu diesem Kontakt kommt (abgesehen von Blickkontakt, Gesten usw.), hat schon viel Aussagekraft. Andereseits hatte ich die Idee, dass Tilo zum Abschluss irgendwann gefragt wird, warum er das tut und seine Antwort - entsprechend des Titels - lautet "Nur so..." Aber es gibt natürlich noch viele weitere Varianten, die für ein deutlich besseres Ende der Geschichte in Frage kommen (Ebenso könnte dies ganze der "Vorspann" einer viel längeren Geschichte sein).

Abschließend "schenke" ich Dir noch ein "ist" für diese Stelle:
Es [red]ist[/red] ein silbergrauer, ellenlanger Schlitten.
Liebe Grüße

Andreas
 

Garde

Mitglied
Mord, Totschlag, Horror, Fantasie, überall wo ich hinsehe, denkt Tilo und klickt sich aus dem Netz. Er stützt den Kopf in die Hände, schaut aus dem Fenster auf die belebte Straße, drei Etagen unter sich. Die Bäume sind kahl, die Sicht wird kaum gestört.
Ein Auto folgt dem anderen, teilweise mit Licht, obwohl es früher Nachmittag ist. Wechselt weiter hinten an der Kreuzung die Ampel auf rot, bildet sich schnell eine dampfende, hüstelnde Schlange, die bei Grün langsam auseinander rollt.
Tilo hat schon öfter am Fenster gesessen und überlegt, wer wohl in diesem Moment dort unten im Auto sitzt. Wer sind sie, was denken, fühlen sie?
Haben sie heute geliebt, gehasst oder überhaupt, haben sie es heute schon versucht, fragt er sich. Kurz entschlossen steht er auf, schnappt sich den dunkelbraunen Pork Pie Stetson, den knöchellangen Mantel und gleitet eine Minute später mit dem Fahrstuhl nach unten.
An der Ampel wartet er, dass sie rot wird. Als das erste Auto hält, geht er nahe heran. In ihm sitzt ein älteres Ehepaar. Die Frau auf dem Beifahrersitz schaut Tilo direkt in die Augen. Er tippt freundlich mit dem Finger an die Hutkrempe und lächelt. Sie lächelt zurück, stutzt und schüttelt entrüstet den Kopf.
Im nächsten Wagen sitzt eine junge Frau. Sie scheint Musik zu hören, klopft gleichmäßig mit der rechten Hand auf das Lenkrad und nimmt keinerlei Notiz von dem Mann mit Hut. Anders der etwa fünfjährige Junge im Kindersitz. Er zeigt Tilo gekonnt einen Vogel und streckt ihm die Zunge entgegen.
Das nächste Fahrzeug gefällt Tilo außerordentlich. Es ist ein silbergrauer, ellenlanger Schlitten. Der Beifahrersitz ist leer, der Mann auf der Rückbank, hat einen Aktenkoffer auf den Knien, darauf einige weiße Blätter. Er telefoniert, zuckt zusammen, als Tilo mit dem Kopf näher kommt, macht aufgebracht mit dem Handy eine wegscheuchende Bewegung.
Am folgenden Jeep tritt Tilo erschreckt zurück. Hinter der Scheibe blitzt das Weiße in den Augen eines Rottweilers. Die Zunge hängt dem Hund weit aus dem Maul, sein Bellen klingt bedrohlich.
Tilo zögert, bevor er an das nächste Gefährt dichter herangeht. Er kann nicht sofort erkennen, ob eine Frau oder ein Mann hinter dem Lenkrad sitzt. Das Auto ist vollgestopft mit allem, was man so braucht. Er sieht Bettzeug, Putzeimer, einen Besenstiel, Kartons mit Cornflakes und Dosen mit Katzenfutter. Wieso liegen eigentlich immer Stehlampen oben auf.
Die Fahrerin sichert mit dem Arm die Gegenstände auf dem Beifahrersitz und streckt ihm stirnrunzelnd ihr Gesicht entgegen. Als sie merkt, dass der Wagen vor ihr fährt, richtet sie sich auf, legt den Gang ein und düst, ohne einen weiteren Blick für den Mann mit der Melone, davon.
Thilo schaut hinter dem Heckteil her, zieht die Schultern hoch und denkt. „Na ja, gelacht hat niemand, aber es war einen Versuch wert.“
 

Garde

Mitglied
Hallo Andreas

Danke Dir für die positive Rückmeldung. Und vor allem auch für das geschenkte "ist." Habe es sofort verwendet und nun ist es weg.

Die Geschichte war ein ganz spontaner Einfall. Einfach mal jemanden etwas tun lassen, was aus der Norm fällt, was andere nicht erwarten.
Das Ende ist irgendwie ein Problem, da ich ja kein Fazit ziehen und auch eine Fortsetzung offen lassen möchte.
Tilo wird auf jeden Fall mindestens noch einmal agieren, das steht fest.

Liebe Grüße

Garde
 
E

eisblume

Gast
Hallo Garde,

also deine Geschichte hat was, gefällt mir.
Den Pork Pie Stetson musste ich zwar googlen, aber jetzt weiß ich wenigstens, wie diese Hüte heißen :)

Ein paar Kleinigkeiten:
Haben sie heute geliebt, gehasst oder überhaupt, haben sie es heute schon versucht, fragt er sich.
Der fett markierte Teil hat mich jetzt ein wenig irritiert. Das liest sich (für mich) so, als sei es erstrebenswert, wenigstens einmal am Tag gehasst zu haben. Ich denke mal nicht, dass du das damit ausdrücken wolltest.

... macht aufgebracht mit dem Handy eine wegscheuchende Bewegung.
Das finde ich jetzt unschön formuliert - eine Bewegungen machen. Du könntest ihn z. B. "mit einer fuchtelnden Bewegung davon scheuchen".

Tilo zögert, bevor er an das nächste Gefährt dichter herangeht.
Nur eine winzige Umstellung, aber ich finde, von der Satzmelodie her liest es sich so flüssiger.
Tilo zögert, bevor er dichter an das nächste Gefährt herangeht.

Ebenso meine ich, dass sich der letzte Satz mit einer kleinen Umstellung ebenfalls schöner lesen würde:
„Na ja, gelacht hat niemand, aber es war einen Versuch wert.“
"Na ja, gelacht hat niemand, aber einen Versuch war es wert."

Dieses Bild hier
Wechselt weiter hinten an der Kreuzung die Ampel auf rot, bildet sich schnell eine dampfende, hüstelnde Schlange, die bei Grün langsam auseinander rollt.
finde ich sehr gelungen (nur rot bitte groß schreiben).

Zum Schluss habe ich jetzt noch eine Anmerkung zur Perspektive (mit der ich hin und wieder auch gern mal auf Kriegsfuß stehe).
Ich lese es aus der Perspektive von Tilo heraus. Wenn dem so ist, dann bist du hier
... ohne einen weiteren Blick für den Mann mit der Melone, davon.
ein bisserl zu weit weg von ihm.


Thilo schaut hinter dem Heckteil her,...
Nur zur Info: Hier hat dein Tilo auf einmal ein "h" :)

Das sieht auf den ersten Blick jetzt vielleicht nach viel Gemecker aus, ist aber gar nicht so gemeint, sind wirklich nur Kleinigkeiten. Es ist, wie ich eingangs geschrieben habe: der Text gefällt mir.

liebe Grüße
eisblume

doch noch etwas vergessen:
Braucht es denn den Satz mit der Stehlampe, vor allem als Frage formuliert (auch, wenn das ? fehlt :) )
 

Garde

Mitglied
Liebe Eisblume,

es freut mich, dass dir mein kleiner Spaziergang mit Tilo, (natürlich ohne (h), gefällt. (Irgendwie bekomme ich das mit den Smilies nicht geregelt)


Vielen Dank für die wertvollen Hinweise, ich denke gerne darüber nach und werde den einen oder anderen sicherlich bei einer Überarbeitung berücksichtigen.

Liebe Grüße

Garde
 

Garde

Mitglied
Mord, Totschlag, Horror, Fantasie, überall wo ich hinsehe, denkt Tilo und klickt sich aus dem Netz. Er stützt den Kopf in die Hände, schaut aus dem Fenster auf die belebte Straße, drei Etagen unter sich. Die Bäume sind kahl, die Sicht wird kaum gestört.
Ein Auto folgt dem anderen, teilweise mit Licht, obwohl es früher Nachmittag ist. Wechselt weiter hinten an der Kreuzung die Ampel auf Rot, bildet sich schnell eine dampfende, hüstelnde Schlange, die bei Grün langsam auseinander rollt.
Tilo hat schon öfter am Fenster gesessen und überlegt, wer wohl in diesem Moment dort unten im Auto sitzt. Wer sind sie, was denken, fühlen sie?
Haben sie heute geliebt, gehasst oder überhaupt, haben sie es heute schon versucht, fragt er sich. Kurz entschlossen steht er auf, schnappt sich den dunkelbraunen Pork Pie Stetson, den knöchellangen Mantel und gleitet eine Minute später mit dem Fahrstuhl nach unten.
An der Ampel wartet er, dass sie rot wird. Als das erste Auto hält, geht er nahe heran. In ihm sitzt ein älteres Ehepaar. Die Frau auf dem Beifahrersitz schaut Tilo direkt in die Augen. Er tippt freundlich mit dem Finger an die Hutkrempe und lächelt. Sie lächelt zurück, stutzt und schüttelt entrüstet den Kopf.
Im nächsten Wagen sitzt eine junge Frau. Sie scheint Musik zu hören, klopft gleichmäßig mit der rechten Hand auf das Lenkrad und nimmt keinerlei Notiz von dem Mann mit Hut. Anders der etwa fünfjährige Junge im Kindersitz. Er zeigt Tilo gekonnt einen Vogel und streckt ihm die Zunge entgegen.
Das nächste Fahrzeug gefällt Tilo außerordentlich. Es ist ein silbergrauer, ellenlanger Schlitten. Der Beifahrersitz ist leer, der Mann auf der Rückbank, hat einen Aktenkoffer auf den Knien, darauf einige weiße Blätter. Er telefoniert, zuckt zusammen, als Tilo mit dem Kopf näher kommt, macht aufgebracht mit dem Handy eine wegscheuchende Bewegung.
Am folgenden Jeep tritt Tilo erschreckt zurück. Hinter der Scheibe blitzt das Weiße in den Augen eines Rottweilers. Die Zunge hängt dem Hund weit aus dem Maul, sein Bellen klingt bedrohlich.
Tilo zögert, bevor er an das nächste Gefährt dichter herangeht. Er kann nicht sofort erkennen, ob eine Frau oder ein Mann hinter dem Lenkrad sitzt. Das Auto ist vollgestopft mit allem, was man so braucht. Er sieht Bettzeug, Putzeimer, einen Besenstiel, Kartons mit Cornflakes und Dosen mit Katzenfutter. Wieso liegen eigentlich immer Stehlampen oben auf?
Die Fahrerin sichert mit dem Arm die Gegenstände auf dem Beifahrersitz und streckt ihm stirnrunzelnd ihr Gesicht entgegen. Als sie merkt, dass der Wagen vor ihr fährt, richtet sie sich auf, legt den Gang ein und düst, ohne einen weiteren Blick für den Mann mit der Melone, davon.
Tilo schaut hinter dem Heckteil her, zieht die Schultern hoch und denkt. „Na ja, gelacht hat niemand."
 



 
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