Ode an die Zigarette

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birdy

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„ Freude schöner Götterfunken „ beginnt Schillers Ode an die Freude.
Was ist in dieses Werk nicht schon alles hineininterpretiert worden. Die Autoren der reichlich vorhandenen Sekundärliteratur verachten sich für ihre unterschiedlichen Ansätze zur Erkenntnis des womöglich oder auch nicht gemeinten.
Meine Theorie: Schiller war Raucher und er wollte es uns wissen lassen. Der weitere Text seiner Ode lässt darauf schließen, dass er dem Tabak eventuell noch die Eine oder Andere verbotene Substanz beigemengt hat, da er ab „Tochter aus Elysium“ zu delirieren begann.
Aber egal, er war Raucher. Punkt. Und Beethoven sein oberster Lungeninhalator.
Sie halten meine Argumentationslinie für literaturhistorisch gewagt, riskant, gar absurd?
Aber kann man das Gefühl für die erste Zigarette zum Kaffee morgens mit einem schöneren Satz beschreiben. Ja, kann dieser Satz überhaupt etwas Anderem gelten?
Der dem Nikotin zugeneigte Leser möge prüfen und mir anschließend recht geben ( Man beachte: Ich schreibe diese Zeilen für Menschen, die Ihre erste Zigarette ZUM Kaffee genießen, nicht VOR diesem. Solche Leute fressen auch kleine Kinder, trinken ihr Badewasser und sind somit nicht meine Zielgruppe).
Dass das Gelb des Nikotins mit dem Braun des Kaffees eine höchst unheilige Allianz auf den Zähnen eingeht und auf jedem Zahnschmelz farblich den Anschein eines ausgedehnten Tunesienurlaubs hinterlässt, soll hier nicht Gegenstand der Erörterung sein.
Mit der Unterstützung eines Kapazunders der Weltliteratur, finden wir die Repressalien, denen wir täglich ausgesetzt sind, wenn schon nicht vernachlässigbar, so doch erträglicher. Raucher sind tolerant.
In Amtsgebäuden, auf U-Bahn Stationen per Verordnung - Rauchen Verboten.
Zu Hause, wenn Kinder vorhanden oder auf Besuch bei einem nichtrauchenden Ehepaar per eigenem drückenden Moralzwang – Rauchen Verboten.
Was dazu führt, dass wir Raucher uns unsere eigenen kleinen Homelands errichten, uns Raucherclaims abstecken.
Wenn Papa dann seine Sitzungen auf dem letzten Ort, wo Männer noch Könige sind, zeitlich an die tatsächliche Schmerzgrenze seiner Angehörigen ausdehnt und diesen in einem Zustand verlässt, der die Nachfolgenden in das London der industriellen Revolution zurückversetzt, ist so ein Claimzustand erreicht.
Und wenn man Einladungen von Freunden nach den Kriterien Jahreszeit, Vorhandensein eines Balkons oder wenigstens olfaktorischer Defizite der Ladenden selektiert, wird es zur Gewissheit – ich bin nicht von diesem Planeten, ich will nach Hause telefonieren.
Warum Rauchern in Restaurants immer Plätze nahe den Toiletten zugewiesen werden ist mir ein Rätsel, wobei ich es nicht beschwören kann, ob ich mir die Studie „Der Schließmuskel des Rauchers – die Geschichte einer Tragödie“ auch wirklich genau durchgelesen habe.
Dass Raucherabteile in Zügen vornehmlich am Anfang und am Ende des Zuges zu finden sind und diese statistisch signifikant seltener in der Mitte verunglücken, nährt in mir die Vermutung, dass der Gesundheitsminister mit seiner Warnung auf den Zigarettenpackungen nicht nur das Krebsrisiko gemeint hat.
Aber wir Raucher sind nicht nur tolerant, sondern auch flexibel.
Auf die kleinen Unsportlichkeiten unserer lasterlosen Mitmenschen reagieren wir, je nach Notwendigkeit, zuerst gelassen, dann anpassungsbereit.
Sogar bis zur letzten Konsequenz.
Man fühlt sich von uns belästigt, na gut, sterben wir halt früher.
 

Dorian

Mitglied
Hallo Birdy!

Wieder ein ausgezeichneter Text von Dir. Da ich selbst starker Raucher bin, kann ich sehr gut nachvollziehen, was Du Dir beim Schreiben dieser Glosse gedacht hast. Ich wünschte nur, ich wäre selbst auf das Thema gekommen. Dein Humor gefällt mir auch sehr gut, aber das könnte auch an unserem Humorverständnis als Österreicher liegen.
Auf jeden Fall freue ich mich auf weitere Arbeiten von Dir!

LG

Dorian
 



 
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