Opa Kurt 5: Nachts auf der Auffahrt

Bursch

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Zu den Personen und zur Situation lies die kurze Einleitung zu "Opa Kurt 1". Zwei Wochen nach seinem letzten Telefonat mit seiner Ex-Schwägerin hat Bäckermeister Rolf M. wenig Gutes zu berichten. Im Gegenteil, der Mann ist außer sich:

Nein, Susanne. Und nochmal nein.
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Susanne, es reicht. Ich habe jetzt lange genug für euch alle ...
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Ja, ich weiß. Meine Ex, was deine werte Schwester ist, will ja seit Menschengedenken nichts mehr wissen von ihm. Und du bist auch ...
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Ich habe Arbeit bis über beide Ohren, Susanne, ich kann es mir überhaupt nicht weiter leisten ...
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Also gut, ich reiße mich zusammen und erzähle der Reihe nach. Beruhigen werde ich mich allerdings nicht mehr.
Mitten im Jahrestreffen unserer Innung gestern, spät schon - wir waren längst beim gemütlichen Teil, ein Bier hatte ich mir genehmigt, ansonsten Sprudel, weil ich noch fahren musste - da summt mein Handy. Zweimal, dreimal. Unbekannte Nummer. Ich geh nach draußen und rufe zurück. Es meldet sich eine Nachtbar, allgemein bekannt hier. Sie hätten meine Nummer von einem älteren Herrn mit Vornamen Kurt. Er brauche meine Hilfe. Es gäbe da auch ihrerseits noch etwas zu klären. Ob es mir etwas ausmache zu kommen, ob die Adresse bekannt sei?
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Was blieb mir denn übrig? Stinksauer bin ich weg von den Kollegen. Da hast du einmal im Jahr die Chance, dich auszutauschen. Aber egal.
Ich da hin. Komm rein, führt man mich in einen Nebenraum, liegt unser Alter quer über ein Ledersofa und schnarcht. Ich schüttle den und rüttel, schüttle gewissermaßen mich selbst, weil ich's einfach nicht glauben wollte.
"Mein Gott, Kurt, was machst du denn in diesem ...?"
"Ach, da bisse ja, Jung!" Blau wie'n Veilchen. "Du, Rolf, diese Blasill ..., diese Blasillanerin, musst du mal gucken."
Glaubst du, ich hätte den ...!
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Ja, nee, nix Brasilien. Kam ich gar nicht zu. Der junge Mann, der mich hergeführt hatte, stand wieder neben mir. Ob ich vielleicht mal an die Theke kommen könnte? Es gäbe da etwas zu besprechen. Damen zur Rechten und Linken, ein paar versprengte Gäste, hinten durch ein Türsteher. "Wenn Sie bitte mal schauen."
Die Rechnung. 280 Euro. Unter anderem zwei Flaschen Schampus.
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Kurt? 50 hatte er wohl angezahlt, mehr war nicht.
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Was blieb mir übrig? War alles sauber aufgelistet.
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Mit Karte. Dann haben wir deinen Vater auf meinen Rücksitz verfrachtet. Labert mir auf dem gesamten Rückweg weiter die Ohren voll von seiner "Blasillanerin". Es geht auf eins zu, als wir endlich ankommen. Kein Mensch mehr auf der Straße. Du weißt, es sind so 20 Meter von seiner Auffahrt bis zum Eingang. Er unfähig, sich zu bewegen, schwer wie ein Kartoffelsack, sinkt in sich zusammen, als ich ihn endlich aus dem Auto bekomme. Kannst du dir das vorstellen? Bei meinen Kollegen steigt die Stimmung gerade auf den Siedepunkt, und ich Arschloch stehe da in meinem besten Anzug auf der Auffahrt des Alten und weiß nicht, wie ich den in sein Haus schaffen soll?
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Irgendetwas Fahrbares musste her. Hab seine Scheune abgesucht, fand den Lichtschalter nicht, mir mit dem Handy ausgeholfen.
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Eine ausgeleierte Sonnenliege mit Rollen. Müll, aber sie tat's noch. Draufgepellt und in seinen Eingang gerollt. Und ihn dann einfach da liegen gelassen. Ich konnte nicht mehr, Susanne.
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Ja, ich weiß. Er hat das nicht verkraftet mit dieser Gerda. Ich war der Meinung, er sei darüber hinweg. War er aber nicht. Aus Frust war er in diese Bar gerannt. Reine Verzweiflung. Kannst du mir sagen, was ich damit zu schaffen ...?
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Ach! Die ganze Nacht kein Auge mehr zugetan. Susanne, ich kündige.
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Nein, das ist mein Ernst. Die Blutsverwandten seid ihr. Mein vieles Geld will ich auch nicht zurück, weißt du was? Ich pfeif drauf.
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Susanne, kümmert euch um den Alten, macht. Von mir hörst du jetzt erstmal nichts mehr. Und grüß Hans.
 



 
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