Ostkneipe

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A (gähnt lautstark): Kann nich mal eener die Uhr treten? Noch zwee Stunden, ick werd` varückt. (wischt sich über die Augen) Vorhin hab ick schon Karten jespielt?
B (stellt gerade sein Bier ab; Beine gekreuzt, in Jeans und Lederblouson): Alleene?
A (stützt den Kopf in die Hand): Nö, mitnm Jast. Muss man schon Karten lejen mit seem eenzijen Kunden, sonst bleebt der och noch wech.
B (nickt): Is nich ville los, montags, wa?
A (schüttelt den Kopf): Montags is nie ville los. Sonntags ooch nich. Eigentlich jar nich mehr. (richtet sich auf, nimmt die Arme vom Tresen und guckt mit großen Augen) Aber jestern ward widder janz anders. Zwee, dree Jäste wanda. Jab auch schon Taje mit vieren (stützt die Ellenborgen wieder auf den Tresen).
B (nickt) : Höhepunkt, wa? (nimmt einen Schluck von seinem Bier, streichelt den Zentimeter zwischen Nase und Oberlippe, korrigiert die Beinkreuzung von rechts nach links, seufzt, dreht sich weg und guckt aus dem Fenster. Schweigen.)
B (dreht sich mit ganzem Körper zum Fenster): Ejj, kieck ma, da draußen, da is Jabi. (hebt den Arm und wedelt mit der Hand) Hallo, winke, winke!
A (richtet sich wieder auf, reckt den Hals): Wat`n für ne Jabi?
B (dreht sich zu ihm um, macht ein wichtiges Doppelkinn): Na, unsre Jabi. Die jackelt jetzt bestimmt zur Arbeet.
A (verzieht das Gesicht): Unsre Jabi? Die vonne letzten Rolf-Party?
B (guckt immer noch mit diesem wichtigen Doppelkinn): Jenau, die! Unsre Jabi!
A (macht jetzt auch ein Doppelkinn): Die arbetet doch jarnich?
B (Doppelkinn verschwindet in zwei Handflächen; stützt nun seinerseits die Arme auf den Tresen): Nee? Ick denke, die is ...
A (streckt auch den Nacken): Die hat schon vorn paar Taje uffjehört.
B (räuspern, Bierschluck) Aahh! Bin ick wohl nich informiert.
A (räumt unterhalb des Tresen umher): Musste ma öfter kommen, wa. Ick informier dir schon. Aber hier kommt keener mehr. (Hält inne, hebt die Hand zu den Augen, reibt) Ooch, wat jucken mir die Oogen. Ick bin dit frühe uffstehn einfach nich jewöhnt. Früher hab ick die Nächte abjerissn. Arbeetsmäßich. Aber dit frühe uffstehn is zu ville. (Wendet sich ohne Übergang und Mühe mir zu) Müssen Sie ooch früh uffstehn, Frollein?
C: Ich bin generell Frühaufsteher.
A: Vastehe! Und wat heeßt früh for Ihnen, Frollein?
C: Sieben Uhr.
A: Hmmm. Und wenn se nich müssen?
C: Ich gehe abends um halb elf zu Bett und bin zwangsläufig um sieben Uhr wach. Ob ich muss oder nicht.
B (nickt A zu): Jenau acht Stunden, vascheeste, mehr broocht der Mensch nich.
A (beachtet ihn nicht): Ham se ooch schon mal ne Nacht durchjemacht? Arbeetsmäßich, meen ick.
C: Früher habe ich in vier Schichten gearbeitet.
A: Is nich wa!
C: Aber das ist alles schon so lange her.
B: Wat hamse denn jemacht?
C: Heizer.
A + B (gucken mich beide an): Heezer??
A: Inne DDR?
B: Altballiner Jeschichten!
C: In Rostock. Aber, wie gesagt, das ist alles schon Jahre her.
A: Wem sagn sit.
B: Nüscht is mehr wie eenst.
A: Früherwarsowiesoallitbessa.
B: Früher hattn we ooch een Kaiser.
C: Früher war ich siebzehn.
A+B (heben die Gläser), C (die Kaffeetasse): Prost.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hm,

haste den dialekt jenau so jehört? mir is noch keen balina untajekomm, der "Taje" saacht. det heest "Taare", eh.
ansonsten fehlt mir ein guter schluß der geschichte, ein knaller, ein bonbon oder irgendein echter schlußpunkt. schade. ganz lieb grüßt
 

Rainer

Mitglied
hallo katrin volkmann,

vom balinern (bestimmt auch nicht richtig) verstehe ich nichts, frage mich aber, warum überhaupt so ein heftiger dialekt sein muß, für mich erschwert er das lesen.
das von flammarion beanstandete fehlende bonbon ist für mich der, in bester kurzgeschichtenmanier letzte, satz: die antwort von b auf die aussage von a ist mir geläufig, aber die antwort der frau so neu, daß ich herzlich lachen mußte. ob er wirklich von dir ist, werde ich insofern überprüfen, als daß ich ihn demnächst öfter mal aufsagen werde, wenn das a/b geplänkel im gespräch auftaucht, mal sehen ob er bekannt ist.

gruß

rainer
 

Meeresblick

Verbotenes Mitglied
Als Süddeutscher fühlte ich mich in die Rolle eines Forschers zurückversetzt der Hieroglyphen entziffert...aber nein das war doch nur ein Scherz
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
also,

wenn "Früher war ich siebzehn." der abschließende knaller sein soll, dann kann meiner meinung nach die letzte zeile ersatzlos gestrichen werden. lg
 

Rainer

Mitglied
knallbonbon

nicht der knaller, sondern ein kleines bonbon (zuviel macht schlechte zähne). vielleicht ist es ja auch die geschichte der versoffenen ostkneiper und ihrer stammkundschaft aus denen sowieso nichts wird, weil sie sich nur besaufen und die sich durchschlagende frau ist so erfolgreich, weil sie nur kaffe trinkt?

gruß

rainer
 
Wenn ich auch mal ...

... was sagen darf: es ist kein Knaller, kein Bonbon, kein Witz. Es ist die Suche nach etwas: nach der verlorenen Zeit, verlorenen Jugend, verlorenen Träume ... vielleicht. Die Sehnsucht ist so unbestimmbar. Und weil sie sich nicht fassen lässt, packen wir sie in die Vergangenheit und beschreiben Zustände und Erlebnisse als "ach, das waren noch Zeiten!". Klar, aber was für welche, das sagt nie jemand genau. Waren sie denn besser? Ihr Bonus: sie sind vorbei, vorüber, gewesen. Und wenn man sie überlebt hat ohne ernsthaft Schaden genommen zu haben, können sie so schlecht nicht gewesen sein. --- Mit dem "Geplänkel" A+B wollte ich auch ein bisschen "Zeitgeist" festhalten. Die Stimmung des "kleinen Mannes", und die urberliner Mundart, die immer ein klein wenig nach Sarkasmus klingt: "Wenns auch Scheiße ist, man kann sie wenigstens anfassen! (Sie ist also real, ehrlich und handfest!)" Sorry, wenn ich den Dialekt hier und da nicht richtig getroffen habe, aber ich bin Mecklenburger und habe den Dialog zwar wirklich erlebt, aber erst sehr viel später aufgeschrieben. Werds verbessern, überhaupt noch ein bisschen dran rumschnipseln. Letztendlich muss man wohl tatsächlich dabei gewesen sein, um den herben Charme und letztendlich auch den Witz der Begegnung zu genießen. Oder ich muss besser be-schreiben lernen. Danke für eure Tipps und Hinweise, Tschö Katrin
 



 
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