Ottos abenteuerliche Möbelschau

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hwg

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Das vor Otto liegende Einladungsschreiben zur hypermodernen Wohnkultur-Show ist tiefschwarz mit kleinen, weißen, kaum lesbaren Schnörkelbuchstaben. Und in der Tat, was er dort zu sehen und zu spüren bekommt, ist zweifellos auch sehr seltsam. Die Gäste, die er in dieser Lack- und Leichtmetall-Kollektion trifft, sind etwa dieselben, die auch häufig die Ausstellungen abstrakter Gemälde oder Free-Jazz-Abende besuchen und hartnäckig auf Godot warten. Zuerst suchen ihre Blicke wohl nach dem von einem italienischen Designer gestylten Superbett, von dem in der High Society derzeit gesprochen wird. Es soll dem Vernehmen nach 25.000 Euro kosten. Auf Wunsch werden, so erzählt man sich, für ganz besonders extravagante Interessenten auch ein halbes Dutzend verchromter Edelflöhe mitgeliefert, die einen prima Stammbaum und einen kleinen, verruchten Morphium-Stachel haben. Nun, dieser kostbare Schlummertresor ist allerdings nicht zu sehen. Aber immerhin allerhand andere kultivierte Wohnmaschinen.
Ein unbefangener Banause wie Otto, der noch die Neandertaler-Vorstellung von einem alten gemütlichen Kuschel-Sofa und einem krisenfesten Wohnzimmertisch mit sich herumträgt, kommt da aus dem Staunen nicht mehr heraus. Da sind Tische, offenbar von Picassos Kunst inspiriert, die sind so nieder, dass der Gast seine Suppe höchstens im Liegestütz löffeln kann. Das Prunkstück der Ausstellung aber ist ein Stuhl. Der bequemste Sessel der Welt, wie es heißt. Er ist zweiteilig wie fast jedes Drama. Der erste Teil dient zur Erfassung und Aufnahme des menschlichen Hecks. Das zweite Stück ist als Untersatz für die Füße gedacht. Jeder Besucher kann diesen Dividenden-Bob einmal benutzen. Otto tut es auch. Zweifellos, angenehm ist dieser Apparat schon. Doch Otto kommt sich ein bisschen arg aufgebahrt darin vor. So etwa wie auf einem Versuchsschlitten für den Weltraumflug. Und bang vor lauter Bequemlichkeit wartet Otto auf das Zählen des Verkäufers: „Drei, zwei, eins, ab. Nächste Station Jenseits!“ An die zwanzig Mal soll dieses Ischias-Katapult schon bestellt worden sein, obwohl es mehr als 1000 Euro kostet. Aber das ist einem Aktiengewinnler sein Hinterteil doch mindestens wert. Bloß – Otto besitzt keine Aktien. Außerdem fühlt es sich zwischen und auf seinen alten Möbeln sehr wohl.
 
Hier mein Kommentar zur Bewertung: Diese Geschichte spricht aus der Sicht des Ottos, der von oben auf diese Designermöbelfuzzis herabschaut. An sich kein Problem, nur wird zusätzlich durch die indirekte Rede Otto noch mehr darübergehoben und die Designerfuzzis noch abschätziger betrachtet. Das machen die Geschichte und Otto unsympathisch, der Leser wird sich damit nicht wirklich freiwillig identifizieren wollen und darüber lachen, weil's zu plump kommt.

Das ist genauso wie die Typen, die immer schlecht über andere reden und dabei hervorstreichen wollen, wie toll sie damit eigentlich sind.

Um dem Text mehr Humor und Sympathie zu geben, würde ich wirklich aus Ottos Sicht schreiben (direkte Rede), und ihn aus dieser Sicht an den Dingen scheitern lassen. Das Ganze aber nicht überheblich im Sinne von "Ich weiss schon im Vorhinein, das das Scheisse ist und ich scheitern werde", sondern ihn ernsthaft bemühen und dann umso grandioser Scheitern lassen.

Dabei ein Scheitern im zweifachen Sinn: er als Tollpatsch und dann natürlich in Kombination mit den unfunktional Designermöbeln. Damit fällt ein Teil des Humors auf Otto zurück, macht ihn tollpatsch liebenswürdig und richtet sich nicht nur in bissig-böser-überheblicher Art gegen die Designer.

Marius
 



 
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