Papierschnitt

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Twinanni

Mitglied
PAPIERSCHNITT

Ich kreiere mich selbst, erfinde mich neu:
Nur fehlen hier zwei Dimensionen.
Ein Selbstbildnis ganz ohne Inhalt,
den Umriss erhält’s von Schablonen.
Papierene Haut, Organe aus Luft, die Augen sind Filzstiftflecken.
Das Gesicht unbeweglich, der Mund g’radeaus -
kann nicht mal die Lippen lecken.
Kein Rufen, kein Meckern, kein Weinen, kein Schrei’n –

Ich denk fast, mein neuer Papierschnitt,
könnt ein besserer Mensch als ich sein.
 

aboreas

Mitglied
So lebt sichs leichter, meistens.

Schön.

Gut rübergebracht.

Vermutlich findet sich dieses Verhalten gar nicht so selten. Man passt sich an, schneidet sich quasi zurecht, gestaltet sich so, wie die soziale Umwelt einen haben möchte. Der Lohn: weitgehende Konfliktlosigkeit.
 

Twinanni

Mitglied
Hallo Aboreas!
Genau auf diese Konfliktlosigkeit wollte ich hinaus, zu oft wird man ja nur noch als 'guter Mensch' angesehen, wenn man sich in 'Everybody's Darling' verwandelt
(kein Schreien, kein Meckern ...) - bloß keine Widerworte ...
Ich danke dir sehr für deinen Kommentar!
Gruß, Twinanni
 
E

Edgar Wibeau

Gast
Hi, Annie!
Die Aussage des Gedichts ist mir klar und gefällt mir gut. Bei Rhythmus und Metrum habe ich aber so meine Bedenken. Auch das Reimschema ist gewöhnungsbedürftig. Sachlich bin ich mir bei den Dimensionen nicht sicher, aber ich glaube, es fehlt nur eine, nämlich die dritte, die des Raumes (Dimension 0: Punkt, D.1: Gerade, D.2: Ebene). Die Filzstiftfleckaugen irritieren mich auch. Bei Scherenschnitten/Schattenrissen verzichtet man eigentlich darauf, irgendetwas in den Schnitt hineinzuzeichnen. Ich verstehe das "gradeaus" (grade?)in Verbindung mit dem Mund nicht. Ist der Papierschnitt nicht ein Profil, bei dem man die Lippenumrisse in der entsprechenden Perspektive sieht, aber die Stellung der Mundwinkel nicht erkennen kann? Auch unter "Organen aus Luft" kann ich mir nicht wirklich etwas vorstellen, zumal Du ja gleich danach von Augen sprichst, die eben nicht aus Luft bestehen.
Geschmackssache, aber "kreiere" mag ich als Wort nicht besonders. Im ersten Moment lese ich immer "kr-ei-ere". "Inhalt" und "erhält's" stehen in enger Nachbarschaft. Das finde ich wegen der Wortverwandtschaft nicht so elegant.

Ein Vorschlag:

Papierschnitt

Ich schaffe mich selbst, erfinde mich neu,
doch fehlt die dritte aller Dimensionen.
Ein Selbstbild ohne Inhalt ganz,
den Umriss gaben ihm Schablonen.
Umspannt keinen Schädel, die papierene Haut,
die Augen sind Filzstiftflecken,
das Gesicht unbeweglich, der Mund ohne Laut.
Wie soll seine Lippen er lecken?
Ich höre kein Rufen, kein Klagen, kein Schrei'n

und denk' fast, mein neuer Papierschnitt
könnt' ein besserer Mensch als ich sein.

Gruß

Christian
 

Twinanni

Mitglied
Hallo Chris!
Ich finde deine Umstellungen und Veränderungen an dem Papierschnitt wirklich gut, aber du wirst verstehen, dass es mir irgendwie widerstrebt, einfach eine 'fremde' Fassung für meine zu übernehmen.
Mir hat es selbst noch mal in den Fingern gejuckt und deshalb werde ich das Papierschnitt Gedicht in neuer Form noch mal in die LL stellen.
Vielleicht hast du zu meinen Veränderungen ja noch ein paar Worte übrig, würde mich freuen, denn der vorher - nachher Vergleich ist mir schon wichtig!
Nochmal Danke für deinen Kommentar,
LG Anni
 



 
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