Pilze sind Jazz

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Cafard

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In letzter Zeit häuften sich diese schönen Einladungen zu allem, was anfällt: Das fröhliche Grillen, der übliche Geburtstag, die feierliche Einweihung der renovierten Terrasse: Essen, Trinken, Reden, das gute Leben, kein Grund zur Klage.

Wenn irgendetwas an diesen Treffen zu bemängeln wäre, dann höchstens die relative Vorhersehbarkeit der Gespräche, meistens ging es um Urlaubserlebnisse und Urlaubspläne, weil man in unseren Kreisen immer gerade aus dem Urlaub kommt oder der nächste bevorsteht.

Neulich ging es zu den Elsenbeins, Dirk hat eine gute Stellung bei der West-LB, Saskia fördert junge Künstler, mit ihr komme ich besser klar. Ich wollte non-konform auftreten, um mir das Urlaubsthema vom Hals zu halten, und schon bei den Vorspeisen nach andalusischer Art, („Atemberaubend, wie alles in Andalusien!“), lieferten mir die marinierten Pilze eine erste Gelegenheit, ich überging Andalusien komplett und verkündete:

„Pilze sind Jazz.“

Dirk Elsenbein schaute nicht lange verdutzt, er ist darin trainiert, immer sofort eine Antwort zu haben:

„Wenn eines auf der Welt kein Jazz ist, dann ja wohl Pilze!“

Ich schmunzelte, ohne weiter etwas zu sagen, was mir recht selbstsicher vorkam, Dirk schaute mich an, dann seine Saskia, dann erneut zu mir, ich schwieg, um den Glanz meiner knappen Aussage nicht zu zerstören.

Dirk wechselte zum Wetter, heute sei andalusisches Wetter, morgen würde es abkühlen, ich sah Gefahr im Verzug und trat wieder auf den Plan:

„Nur was morgen stirbt, ist heute schön!“

Saskia freute sich mehr als Dirk und meinte, wir sollten alle den Moment genießen, sie würde jetzt etwas spanische Musik auflegen, stimmungsreiche Musik, schön andalusisch! Aha, schön andalusisch, ich musste handeln:

„Schön ist, was tschechich ist.“

Dirk Elsenbein klopfte mir auf die Schulter, so richtig lustig fand er mich nicht:

„Es gibt Leute, die sehen das anders.“

Damit keine lästige Diskussion aufkam, etwa über die Gründe, Tschechien Andalusien als Urlaubsland vorzuziehen, zeigte ich auf die Bewegung am Boden der neuen Terrasse:

„Ameisen haben keine Ahnung, was in einem Menschen vorgeht.“

Dirk lachte, meine reizende Begleitung lachte, ich selbst lachte ebenfalls, da fing Saskia von der andalusischen Fauna an, ich erschrak für einen Moment, bis mir wieder etwas einfiel:

"Ja, spanische Katzen, es ist immer eine Frage des Warums.“

Saskia grinste kurz, um sofort danach ein gewisses Thema anzuschneiden:

„Wie sieht es denn mit Heiraten aus, ihr seid doch langsam mal reif?!“

Ich zeigte mich auf die Brisanz dieser Frage vorbereitet:

„Ich heirate nur Leute, die wissen, wie Maiglöckchen und Marienkäfer auf Englisch heißen.“

Allgemeines Staunen, und ich tat selbst erstaunt, was mir da für eine Schlagfertigkeit gelungen war. Naja, vielleicht auch nicht, irgendwie ging es dann weiter, Dirk holte eine Runde Sherry, natürlich eigenhändig importiert:

„Auf das Gold Andalusiens, auf uns, so jung kommen wir nie mehr zusammen!“

Mein Gott, dachte ich, Dirk und sein Scheiß-Andalusien, daher ging ich schnell auf den zweiten Teil in seinem originellen Toast ein:

„Ja, das zeitraubende Warten auf die Zeitmaschine!“

Verwunderung, nichts als Verwunderung, und nichts weiter an irgendwelchem Vortrag über Sherry und Andalusien, ich war gut in Form. Auf Saskia schien das schon zu wirken, sie schaute mich an und meinte:

„Mach mit mir, was du willst, und schmeiß mich anschließend in die Themse!“

Jetzt lachten wir alle zusammen, und ich fragte, wie es denn im Urlaub war, das gehört sich, man will doch nicht frech sein, und Andalusien ist auch Jazz.

So vieles kann Jazz sein, wovon man es nicht dachte.



(Ja, ich verwurstete einige T-Shirt-Sprüche)
 
D

Dnreb

Gast
im Drall der Glückseligkeit

"Im Drall der Glückseligkeit bittet die Stubenfliege um ein kleines bisschen Geduld."

auch so ein Satz für die anderen...

Ein schöner Text!

Herzliche Grüße
Bernd (Dnreb)
 



 
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