Playing Baby Jane

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Ohrenschützer

Mitglied
„... und manchmal, wenn ich auf Baby Jane spiele...“

„Auf wem?“ Unglaublich. Versuchte er doch tatsächlich, den Dialog, den sie vor kurzem unerlaubterweise in seinen Notizen entdeckt hatte, mit ihr durchzuspielen. Wollte er etwa ausprobieren, ob er sie schon in- und auswendig kannte? Jedenfalls hatte er den überraschten, belustigten Ton ihres „Auf wem?“ richtig vorausgeahnt und präzise beschrieben. Oder hätte sie anders gesagt, wenn sie seine Notizen nicht gelesen hätte? Nun gut, sie würde das Theater mitspielen, auch wenn ihr der genaue Wortlaut des Geschriebenen nicht im Gedächtnis geblieben war.

„Baby Jane. Meine Gitarre.“, sagte er ohne besondere Betonung, fast gleichgültig, und wies hinter sich. Eigentlich hatte sie erwartet, dass er sie genau beobachten würde. Aber er tat es nicht. Sie schloss daraus, dass er sich auf seinen einstudierten Text konzentrieren müsse. Dabei wirkte er recht gelöst und locker, als er aufstand und erwiderte – erwiderte, denn sie hatte währenddessen bereits ohne viel nachzudenken gefragt, er nenne sie Baby Jane?

„Warum nicht. Der Name erinnert mich an eine frühere Geliebte.“ Dass sie nun wie vorgeschrieben ein Gesicht zog, ärgerte sie maßlos. Er möge von ihr nicht laufend in der dritten Person sprechen, da er es nunmehr zum zweiten Mal – diesmal nicht nur auf dem Papier - tat.

„Sie ist nämlich“, fuhr er fort und hängte sich die neue Baby Jane um, „genauso blau wie ihr Alter Ego.“ Das war die Passage gewesen, wo die Notizen für sie unverständlich geworden waren und sie das Blatt Papier zurücklegen musste, weil er in diesem Moment zurückgekommen war und nichts von ihren Stöbereien bemerken sollte. Daher auch hier die bereits im Vorhinein festgehaltene, verdutzt-distinguiert-kurzlachende Stellungnahme, die Gitarre sei doch rot, bitte. Und in der Tat war sie das.

Er blickte auf und lächelte verschmitzt. „Sie ist auch nicht für jeden blau.“ Wiederum vernebelte sich ihr Verstand; sie sah sich auf seinem Schoß liegen, während er auf ihr spielte, ließ sich Medium sein für seine Gefühlsausbrüche und spürte, wie ein Meer sie durchfloss, worin er zu ertrinken begehrte...

„Blau...“, sagte er, „sie spielt aquamarine Töne. Tiefblau, weit und – ich hasse dieses abgenutzte, bolschewike Wort, aber es trifft zu: frei. Baby Jane breitet sich vor mir aus, während ich sie spiele und ich kann in ihre Tiefe hineinhechten.“

Er sah nicht auf, ließ seine Hand wenige Zentimeter weit über den Gitarrenhals gleiten und fand schließlich den geeigneten Punkt auf der zartesten Saite. „Und manchmal, wenn ich auf Baby Jane spiele, dann werde ich ein bisschen in Trance versetzt und dadurch ein klein wenig hellsichtig. Dann spricht Baby Jane mit mir, und es wirkt so echt, dass ich mir den Dialog notieren möchte. Aber...“, er machte eine wegwerfende Handbewegung, „so wirklich ist es mir noch nicht gelungen.“

Er spielte drei traurige Moll-Akkorde und summte dazu. Es klang tatsächlich ein wenig blau.
 
A

Arthrys

Gast
hm,

Gitarren sind halt wie Frauen, hoch - tief, schwer - leicht, alle Farben: Spiel mir den Blues, baby...
Wirklich gut getroffen.
LG
Arthrys
 

Ohrenschützer

Mitglied
Hallo Arthrys,

wie wahr, wie wahr. Danke für das Lob; ich bin allerdings noch nicht ganz überzeugt von der Umsetzung, weiß aber nicht warum. Ich hab versucht, die Ausdrucksweise zu glätten, aber noch immer kommt sie mir ein wenig eckig vor. Vielleicht findet sich noch ein freundlicher Hinweis von einem geneigten Leser...

Schönen Gruß,
 
A

Arthrys

Gast
Ich

bin's noch mal. Geänderte Passagen sind in rot Hoffe ich doch). Vielleicht bringt dich das weiter:

„... und manchmal, wenn ich auf Baby Jane spiele...“


[red]Auf wem? Das gibt's doch nicht! Versucht er doch tatsächlich, den Dialog, den sie vor kurzem unerlaubterweise in seinen Notizen entdeckt hatte, mit ihr durchzuspielen. Wollte er etwa ausprobieren, ob er sie schon in- und auswendig kannte? Vielleicht, weil sie mit genau demselben überraschten, belustigten Ton nachgefragt hatte, genau so, wie es dort geschrieben stand? Oder aber, weil er ihr Wesen schon ein wenig kannte, und daher eben diesen kommenden Ton natürlich voraussagen konnte? Nun gut, sie würde das Theater mitspielen, auch wenn ihr der genaue Wortlaut nicht mehr im Gedächtnis war.[/red]
[red]„Baby Jane. Meine Gitarre.“, sagte er ohne besondere Betonung, fast gleichgültig, und wies hinter sich. Eigentlich hatte sie erwartet, dass er sie genau beobachten würde. Aber er tat es nicht. Sie schloss daraus, dass er sich auf seinen einstudierten Text konzentrieren müsse. Dabei wirkte er jedoch recht gelöst und locker, als er aufstand und erwiderte, ja, er erwiderte, denn sie hatte währenddessen bereits ohne viel Nachdenken gefragt, er nenne sie Baby Jane?[/red]

„Warum nicht. Der Name erinnert mich an eine frühere Geliebte.“ Dass sie nun, wie vorgeschrieben, ein Gesicht zog, [red]ärgerte sie maßlos[/red]. Er möge von ihr nicht laufend in der dritten Person sprechen, da er es nunmehr zum zweiten Mal – diesmal nicht nur auf dem Papier - tat.

„Sie ist nämlich“, fuhr er fort und hängte sich die neue Baby Jane um, „genauso blau wie ihr Alter Ego.“ Das war die Passage gewesen, wo die Notizen für sie unverständlich geworden waren und sie das Blatt Papier zurücklegen musste, weil er in diesem Moment zurückgekommen war und nichts von ihren Stöbereien bemerken sollte. Daher auch hier die bereits im Vorhinein festgehaltene, verdutzt-distinguiert-kurzlachende Stellungnahme, die Gitarre sei doch rot, bitte. Und in der Tat war sie das.

Er blickte auf und lächelte verschmitzt. „Sie ist auch nicht für jeden blau.“ Wiederum vernebelte sich ihr Verstand; sie sah sich auf seinem Schoß liegen, während er auf ihr spielte, ließ sich Medium sein für seine Gefühlsausbrüche und spürte, wie ein Meer sie durchfloss, worin er zu ertrinken begehrte.

„Blau...“, sagte er, „sie spielt aquamarine Töne. Tiefblau, weit und, ich hasse dieses abgenutzte, bolschewike Wort, aber es trifft zu, frei. Baby Jane breitet sich vor mir aus, während ich sie spiele und ich kann in ihre Tiefe hineinhechten.“

Er sah nicht auf, [red]ließ seine Hand wenige Zentimeter weit über den Gitarrenhals gleiten [/red]und fand schließlich den geeigneten Punkt auf der zartesten Saite.
„Und manchmal, wenn ich auf Baby Jane spiele, dann werde ich ein bisschen in Trance versetzt und dadurch ein klein wenig hellsichtig. Dann spricht Baby Jane mit mir, und es wirkt so echt, dass ich mir den Dialog notieren möchte. [red]Aber...“, [/red]er machte eine wegwerfende Handbewegung, „so wirklich ist es mir noch nicht gelungen.“

Er spielte drei traurige Moll-Akkorde und summte dazu. Und es klang tatsächlich ein wenig blau.

LG
Arthrys
 

Ohrenschützer

Mitglied
Hallo Arthrys,

das hat mir sogar sehr geholfen! Vielen Dank für die nähere Analyse, ich hab einiges wundervoll passend gefunden und so übernommen. Den Anfang hab ich aufgrund Deiner Anregungen überarbeitet (bei Deiner Variante hat mich die Präsens-Form der ersten zwei Sätze gestört, die allerdings im Präteritum nicht schön klingen). Die Aufteilung von jeweils einem komplizierten Satz auf zwei einfache war jedenfalls bestechend. Mit dem Ergebnis kann man glaube ich recht zufrieden sein.

Nochmals vielen Dank für die Mühe, beste Grüße,
 



 
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