MichaelaMaria
Mitglied
Prolog
Am Anfang war der Schmerz
Jahr 1 vor der Vertreibung
Im Norden von Harian
Seit dem Morgengrauen regnete es in Strömen. Schwarze Wolken hatten den Himmel verdunkelt, als wollten sie dem Land die kleine Freude einiger Sonnenstrahlen nicht gönnen. Doch nun war es endgültig Nacht geworden und eine noch tiefere Dunkelheit hatte sich wie ein Totenschleier über die sanften, grünen Hügel und dichten Wälder Harians gelegt.
Immer noch fielen dicke Tropfen auf den aufgeweichten Boden, als wolle der Himmel die Schande ertränken, die sich vor kurzem hier zugetragen hatte. Doch selbst das aggressive Grollen des Donners vermochte die gequälten Schreie der Sterbenden nicht zu übertönen, deren Blut sich mit dem Schlamm am Erdboden mischte. Sekundenlang erhellten die gezackten Blitze am Horizont die geschundenen Leiber. Manche regungslos, andere sich vor Schmerz windend und boten eine Anblick des Grauens.
Der beißende Wind heulte über die Ebene und zerrte an den Umhängen der schwarzgewandeten Gestalten. Sie hatten in ihrem grausigen Tun innegehalten als ihr Anführer eingetroffen war, der nun schweigend zwischen den verstümmelten Körpern hindurchschritt. Der metallische Geruch von Blut verpestete die frische, vom Regen gereinigte Luft.
Zwanzig Elfen war es nicht mehr gelungen sich vor ihren Verfolgern in den nahen, schützenden Wald zu retten. Was ihr Schicksal besiegelt hatte.
Langsam ging Lorcan durch die Reihen der Toten und Verwundeten, wobei er sich Mühe geben musste nicht das Gleichgewicht zu verlieren, da seine festen Lederstiefel immer wieder im Schlamm versanken. Seine dunkle Tunika, die schwarze Stoffhose und der schwere Umhang waren vollkommen durchnässt und klebten unangenehm an seinem Körper. Doch all das bemerkte er nicht während er sich einen Weg durch das Grauen bahnte, das er zu verantworten hatte.
Leere Augen starrten blind hinauf zum vollen Mond, der hinter den schwarzen Wolken erschienen war und die Szene in ein unwirkliches, silbernes Licht tauchte.
Er spürte wie sich seine Kehle immer mehr zuschnürte, als würden sich die vielen leblosen Hände um seinen Hals legen und zudrücken.
Plötzlich packte eine weiße Hand seinen Fuß und er wäre fast gestolpert. Mit einer recht unelegant wirkenden Bewegung gewann er sein Gleichgewicht zurück. Er blickte erschrocken hinab und sah einen Elfen; als er zu sprechen versuchte quoll gurgelnd ein Schwall Blut aus seinem Mund und der Arm erschlaffte nachdem er ein letztes Mal krampfartig zugepackt hatte. Die Regentropfen fielen ungehindert in seine weit aufgerissenen Augen und bildeten dort kleine Seen. Lorcan kniff seine Augen zusammen um sich von dem Anblick loszureißen. Seine langen, dunklen Haaren hingen ihm in nassen, gelockten Strähnen ins Gesicht. Seine Augenbrauen bildeten in der Mitte zwei steile Falten und die Lippen waren zu einem dünnen Strich zusammengepresst. Anscheinend hatten die Elfen sich gewehrt, denn er sah wie seine Gefolgsleute zwei schlaffe Körper vorsichtig auf die Rücken zweier Pferde banden, die nervös umher tänzelten. Der Geruch von Blut und Tod machte sie schreckhaft. Die Männer sprachen leise und hektisch miteinander, offensichtlich hatten sie erwartet er würde ihnen zufrieden auf die Schulter klopfen. Ihnen dazu gratulieren, Frauen und Kinder abgeschlachtet zu haben. Doch er empfand nichts als Abscheu und Ekel für sie.
Diesmal waren sie zu weit gegangen.
Es hätte niemand sterben müssen.
Er hatte nicht gewollt, dass jemand stirbt.
Das Wimmern eines Babys riss ihn aus seinen Gedanken. Erleichtert dem Anblick von so viel Tod zu entfliehen ging er in die Richtung aus der es gekommen war. Es gab hier also noch Leben.
Etwas abseits lag eine junge Elfe, ein Baby schützend an ihre Seite gepresst. Sie lebte noch, denn Lorcan hörte sie erschreckt aufkeuchen als er auf sie zuging. Mit letzter Kraft redete sie auf ihr Kind ein um es zu beruhigen. Vielleicht hatte sie die Hoffnung, dass es unbemerkt bliebe.
Wäre er früher hier gewesen, er hätte es verhindern können
Er hätte es verhindern müssen.
„Nein! Ich flehe Euch an, verschont mein Baby ...“, schluchzte sie hysterisch als Lorcan sich neben sie kniete. Ihr langes, pechschwarzes Haar schwamm in einer dunkelroten Pfütze, in der sich das fahle Mondlicht spiegelte. Das Kind schien unverletzt, doch die Elfe hatte eine tiefe Schnittwunde über der Hüfte davongetragen. Ihr helles Gewandt war zerfetzt und von ihrem eigenem warmen Blut durchtränkt. Ihr Körper zitterte. Wahrscheinlich war es einzig die Sorge um ihr Baby, die sie noch am Leben hielt.
Das einst bestimmt hübsche Gesicht war von Schmutz überzogen.
Es war ein Gesicht, von dem er nicht mehr zu hoffen gewagt hatte, es jemals wiederzusehen.
„Sabira ...“, keuchte er und hatte das Gefühl zu ersticken als ihm die
weiteren Worte im Hals stecken blieben.
„Lorcan? Was ...?“, sie starrte ihn aus großen Augen an.
„Nein, ssscht, nicht sprechen! Bleib ruhig liegen, es kommt alles wieder in Ordnung!“, schon als er die Worte aussprach wusste er, dass es eine Lüge war. Eine Lüge die ihm das Herz zerriss. Er zog hastig seinen Umhang aus und presste ihn auf die klaffende Wunde.
Sie hustete und dunkles Blut rann aus ihren Mundwinkeln.
Was hatte er nur getan.
Zum ersten Mal war er dankbar für den Regen, der die heißen Tränen verbarg, die von seinem Gesicht tropften.
Als sie sprach war es nur noch wenig mehr als ein Flüstern: “Kümmere dich um meine Tochter ...“
Sie lockerte ihren Griff um das Baby und Lorcan hob das dreckige,
zappelnde Bündel mit zitternden Händen hoch.
Ein schwaches Lächeln erschien auf Sabiras Gesicht. Sie wollte eine Hand nach ihm ausstrecken, doch war bereits zu schwach dafür.
“Ich habe jeden Mond auf dich gewartet .. ich habe dich nie vergessen ...”, mit diesen letzten geflüsterten Worten erstarb ihr Atem und ihre Augen waren für immer gebrochen. Blind wie all die anderen, die ihn von diesem Tag an verfolgen sollten.
“Vergib mir ...”, heiße Tränen mischten sich mit dem kalten Regen, der langsam nachließ. Es war still geworden, bis auf das ferne, traurige Heulen eines Wolfes. Im Osten färbte sich der Himmel bereits orange und kündete von dem neuen Tag, der in Kürze anbrechen würde.
Das Baby schmiegte sich zufrieden an seine warme Brust. Als er den Blick dieser hellblauen Augen erwiderte, die ihn fragend und unschuldig anblickten, drohten ihn seine Erinnerungen zu ersticken. Erinnerungen an einen glücklicheren Ort, eine glücklichere Zeit, an hellblaue Augen die ihn fragend anblickten ...
Am Anfang war der Schmerz
Jahr 1 vor der Vertreibung
Im Norden von Harian
Seit dem Morgengrauen regnete es in Strömen. Schwarze Wolken hatten den Himmel verdunkelt, als wollten sie dem Land die kleine Freude einiger Sonnenstrahlen nicht gönnen. Doch nun war es endgültig Nacht geworden und eine noch tiefere Dunkelheit hatte sich wie ein Totenschleier über die sanften, grünen Hügel und dichten Wälder Harians gelegt.
Immer noch fielen dicke Tropfen auf den aufgeweichten Boden, als wolle der Himmel die Schande ertränken, die sich vor kurzem hier zugetragen hatte. Doch selbst das aggressive Grollen des Donners vermochte die gequälten Schreie der Sterbenden nicht zu übertönen, deren Blut sich mit dem Schlamm am Erdboden mischte. Sekundenlang erhellten die gezackten Blitze am Horizont die geschundenen Leiber. Manche regungslos, andere sich vor Schmerz windend und boten eine Anblick des Grauens.
Der beißende Wind heulte über die Ebene und zerrte an den Umhängen der schwarzgewandeten Gestalten. Sie hatten in ihrem grausigen Tun innegehalten als ihr Anführer eingetroffen war, der nun schweigend zwischen den verstümmelten Körpern hindurchschritt. Der metallische Geruch von Blut verpestete die frische, vom Regen gereinigte Luft.
Zwanzig Elfen war es nicht mehr gelungen sich vor ihren Verfolgern in den nahen, schützenden Wald zu retten. Was ihr Schicksal besiegelt hatte.
Langsam ging Lorcan durch die Reihen der Toten und Verwundeten, wobei er sich Mühe geben musste nicht das Gleichgewicht zu verlieren, da seine festen Lederstiefel immer wieder im Schlamm versanken. Seine dunkle Tunika, die schwarze Stoffhose und der schwere Umhang waren vollkommen durchnässt und klebten unangenehm an seinem Körper. Doch all das bemerkte er nicht während er sich einen Weg durch das Grauen bahnte, das er zu verantworten hatte.
Leere Augen starrten blind hinauf zum vollen Mond, der hinter den schwarzen Wolken erschienen war und die Szene in ein unwirkliches, silbernes Licht tauchte.
Er spürte wie sich seine Kehle immer mehr zuschnürte, als würden sich die vielen leblosen Hände um seinen Hals legen und zudrücken.
Plötzlich packte eine weiße Hand seinen Fuß und er wäre fast gestolpert. Mit einer recht unelegant wirkenden Bewegung gewann er sein Gleichgewicht zurück. Er blickte erschrocken hinab und sah einen Elfen; als er zu sprechen versuchte quoll gurgelnd ein Schwall Blut aus seinem Mund und der Arm erschlaffte nachdem er ein letztes Mal krampfartig zugepackt hatte. Die Regentropfen fielen ungehindert in seine weit aufgerissenen Augen und bildeten dort kleine Seen. Lorcan kniff seine Augen zusammen um sich von dem Anblick loszureißen. Seine langen, dunklen Haaren hingen ihm in nassen, gelockten Strähnen ins Gesicht. Seine Augenbrauen bildeten in der Mitte zwei steile Falten und die Lippen waren zu einem dünnen Strich zusammengepresst. Anscheinend hatten die Elfen sich gewehrt, denn er sah wie seine Gefolgsleute zwei schlaffe Körper vorsichtig auf die Rücken zweier Pferde banden, die nervös umher tänzelten. Der Geruch von Blut und Tod machte sie schreckhaft. Die Männer sprachen leise und hektisch miteinander, offensichtlich hatten sie erwartet er würde ihnen zufrieden auf die Schulter klopfen. Ihnen dazu gratulieren, Frauen und Kinder abgeschlachtet zu haben. Doch er empfand nichts als Abscheu und Ekel für sie.
Diesmal waren sie zu weit gegangen.
Es hätte niemand sterben müssen.
Er hatte nicht gewollt, dass jemand stirbt.
Das Wimmern eines Babys riss ihn aus seinen Gedanken. Erleichtert dem Anblick von so viel Tod zu entfliehen ging er in die Richtung aus der es gekommen war. Es gab hier also noch Leben.
Etwas abseits lag eine junge Elfe, ein Baby schützend an ihre Seite gepresst. Sie lebte noch, denn Lorcan hörte sie erschreckt aufkeuchen als er auf sie zuging. Mit letzter Kraft redete sie auf ihr Kind ein um es zu beruhigen. Vielleicht hatte sie die Hoffnung, dass es unbemerkt bliebe.
Wäre er früher hier gewesen, er hätte es verhindern können
Er hätte es verhindern müssen.
„Nein! Ich flehe Euch an, verschont mein Baby ...“, schluchzte sie hysterisch als Lorcan sich neben sie kniete. Ihr langes, pechschwarzes Haar schwamm in einer dunkelroten Pfütze, in der sich das fahle Mondlicht spiegelte. Das Kind schien unverletzt, doch die Elfe hatte eine tiefe Schnittwunde über der Hüfte davongetragen. Ihr helles Gewandt war zerfetzt und von ihrem eigenem warmen Blut durchtränkt. Ihr Körper zitterte. Wahrscheinlich war es einzig die Sorge um ihr Baby, die sie noch am Leben hielt.
Das einst bestimmt hübsche Gesicht war von Schmutz überzogen.
Es war ein Gesicht, von dem er nicht mehr zu hoffen gewagt hatte, es jemals wiederzusehen.
„Sabira ...“, keuchte er und hatte das Gefühl zu ersticken als ihm die
weiteren Worte im Hals stecken blieben.
„Lorcan? Was ...?“, sie starrte ihn aus großen Augen an.
„Nein, ssscht, nicht sprechen! Bleib ruhig liegen, es kommt alles wieder in Ordnung!“, schon als er die Worte aussprach wusste er, dass es eine Lüge war. Eine Lüge die ihm das Herz zerriss. Er zog hastig seinen Umhang aus und presste ihn auf die klaffende Wunde.
Sie hustete und dunkles Blut rann aus ihren Mundwinkeln.
Was hatte er nur getan.
Zum ersten Mal war er dankbar für den Regen, der die heißen Tränen verbarg, die von seinem Gesicht tropften.
Als sie sprach war es nur noch wenig mehr als ein Flüstern: “Kümmere dich um meine Tochter ...“
Sie lockerte ihren Griff um das Baby und Lorcan hob das dreckige,
zappelnde Bündel mit zitternden Händen hoch.
Ein schwaches Lächeln erschien auf Sabiras Gesicht. Sie wollte eine Hand nach ihm ausstrecken, doch war bereits zu schwach dafür.
“Ich habe jeden Mond auf dich gewartet .. ich habe dich nie vergessen ...”, mit diesen letzten geflüsterten Worten erstarb ihr Atem und ihre Augen waren für immer gebrochen. Blind wie all die anderen, die ihn von diesem Tag an verfolgen sollten.
“Vergib mir ...”, heiße Tränen mischten sich mit dem kalten Regen, der langsam nachließ. Es war still geworden, bis auf das ferne, traurige Heulen eines Wolfes. Im Osten färbte sich der Himmel bereits orange und kündete von dem neuen Tag, der in Kürze anbrechen würde.
Das Baby schmiegte sich zufrieden an seine warme Brust. Als er den Blick dieser hellblauen Augen erwiderte, die ihn fragend und unschuldig anblickten, drohten ihn seine Erinnerungen zu ersticken. Erinnerungen an einen glücklicheren Ort, eine glücklichere Zeit, an hellblaue Augen die ihn fragend anblickten ...