Radetzkymarsch

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Ich bin ein Soldat, aber es ist kein Krieg für mich da. Jeden Tag wichse ich mein Gewehr und warte auf den Krieg. Der Großvater in Uniform hängt an der Wand und mein Vater betet zu Sonnabend vor ihm, wie es die Kameraden tun. Aber wiewohl der Vater ohne allzu viel Unterscheidungen der Würde unter uns lebt, ist er doch etwas ganz anderes, als es der Großvater war. Der Vater ist geflohen vor der Fahne. Die Mutter hatte es heimlich erzählt. Im letzten Krieg, als der Kaiser rief, grub er ein Loch unterm Hühnerstall. Zwei auf zwei Meter soll’s gewesen sein. Acht Wochen wär er in dem Loch gewesen, der feige Hund. Als Kind war ich dabei, als eine Abteilung des Kaisers kam und nach ihm zu suchen begann. Tot sei er, hatte die Mutter zu ihnen gesagt, und ich hab’s geglaubt und die Soldaten gingen davon, nur einer blieb eine Zeit lang und hat mit der Mutter geschrien, oben im Zimmer. Und dann war der Krieg vorbei und der Vater auferstanden. Er hat gesagt, er wär an der Front gewesen, aber ich hab’s nicht geglaubt, weil ich das Loch sah und den Haufen Knochen von den Hühnern.
Der Kaiser ist dann gestorben und ich bin größer geworden. Ich bin der Partei beigetreten; wir treffen uns jeden Abend und warten auf den Befehl, die Grenze zu überschreiten. Ich bin bereit, und wenn wir marschieren, dann werd ich den Vater zuvor noch erschießen, denn der ist wohl nichts wert, und ich brauch mich nicht mehr zu schämen.
 
Ich bin ein Soldat, aber es ist kein Krieg für mich da. Jeden Tag wichse ich mein Gewehr und warte auf den Krieg. Der Großvater in Uniform hängt an der Wand und mein Vater betet zu Sonnabend vor ihm, wie es die Kameraden tun. Aber wiewohl der Vater ohne allzu viel Unterscheidungen der Würde unter uns lebt, ist er doch etwas ganz anderes, als es der Großvater war. Der Vater war geflohen vor der Fahne. Die Mutter hatte es heimlich erzählt. Im letzten Krieg, als der Kaiser rief, grub er ein Loch unterm Hühnerstall. Zwei auf zwei Meter soll’s gewesen sein. Acht Wochen wär er in dem Loch gelegen, der feige Hund. Als Kind war ich dabei, als eine Abteilung des Kaisers kam und nach ihm zu suchen begann. Tot sei er, hatte die Mutter zu ihnen gesagt, und ich hab’s geglaubt und die Soldaten gingen davon, nur einer blieb eine Zeit lang und hat mit der Mutter geschrien, oben im Zimmer. Und dann war der Krieg vorbei und der Vater auferstanden. Er hat gesagt, er wär an der Front gewesen, aber ich hab’s nicht geglaubt, weil ich das Loch sah und den Haufen Knochen von den Hühnern.
Der Kaiser ist dann gestorben und ich bin größer geworden. Ich bin der Partei beigetreten; wir treffen uns jeden Abend und warten auf den Befehl, die Grenze zu überschreiten. Ich bin bereit, und wenn wir marschieren, dann werd ich den Vater zuvor noch erschießen, denn der ist wohl nichts wert, und ich brauch mich nicht mehr zu schämen.
 

Ralf Langer

Mitglied
hallo gernot,

davon würde ich gerne mehr lesen.

es liest sich wie ein treatment für eine
größrere geschichte.

das bild der drei männerfiguren
großvater, vater, sohn hat potential.

der erzählzeitpunkt vor beginn von weltkieg 2
ist gut gewählt.

AUCH TOLL:

das bild des soldaten ohne krieg, der sein gewehr
wichst!

der versteckte vater in der "hühnergube"
mit verbindungen zu saddam( für mich)



wie gesagt, würde gerne eine erzählung darüber lesen
DAS POTENTIAL IST LESBAR!

LG
ralf
 
hallo Ralf

danke für deinen Kommentar. Ich wollt mal aus der Sicht eines jungen Mannes schreiben, der überzeugt von dem war, was die Regierenden dem Volk eintrichterten - Vaterlandsliebe.
Ich wollte eigentlich einen provokanten Text schreiben.

liebe grüße gernot

PS. ich kenne tatsächlich einen fall, wo sich ein mann längere zeit unter einem hühnerstall verborgen hatte (um 1940), sie haben ihn auch gesucht, aber nicht gefunden. er war ein herzensguter mensch.

liebe grüße
gernot
 

Ralf Langer

Mitglied
der text ist provokant
aber - und das macht ihn für mich "gut"-
er lässt dem moralischen zeigefinge unten.

wenn es eine erzählung würde, würde ich a la
zauberberg, den prot in den kieg ziehen
lassen und die geschichte damit enden lassen

ralf
 

Odilo Plank

Mitglied
Lieber Gernot,
auch mir gefällt Dein Text! Ich bin versucht, Dein Sujet auf eine gegenwärtige Person zu übertragen. Das Ergebnis würde ich aber nur Dir schicken.
Liebe Grüße! Odilo
 

Odilo Plank

Mitglied
Spirit
In der Schule nennen sie mich Keenich, weil ich zu dick bin, die Blöden. Sie wissen nicht, was ich weiß. Ich weiß jetzt schon, dass in fünf Jahren unser Bürgermeister Ülligüll heißt und nachts mit dem Lautsprecher vom Kirchturm plärrt und sich dann alle mit dem Bauch nach Mekka legen müssen.
Ich bin bereit, wenn wir marschieren.
Wenn alles hier deutsch wäre, gäbe es keine Kopftücher, und die Mädchen gingen auch mit mir ins Spirit. Dort gehen sie hin. Ich nicht. Ich hab ja nix zum Anziehen.
Ich ginge so gern ins Spirit. Dort könnte ich mit einem Mädchen knutschen.
Wenn alles deutsch wäre, könnte ich saufen wie die anderen, weil ich Knete hätte. Die kriegen hier die da oben und die Neger. Nur nicht die Deutschen.
Wenn ich heut Abend im Spirit wäre, wüsste ich vielleicht auch, wie das heißt.
 



 
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