Realitätssinn

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HFleiss

Gast
Realitätssinn


Nie werd ich sein einer von diesen,
empörst du dich, die Sterne ungezählt betrachten
und dann vom göttlichen Himmelszelt schwärmen,
die das Pfund Blei für schwerer erachten
als das Pfund Daunenfedern.
Wohl, du bist keiner von diesen. Sondern von
jenen, die unter Nachtfrösten nicht erschauern,
die ein klagender Zugvogel nicht um den
Verstand bringt, einer von jenen, die achtlos Rosen
knicken in der Mittagshitze, weil du die
unnützen Blüten verachtest. Erst die Hagebutte zählt.
Du bist der, welcher nie verzagt, der
immer noch einen Grund weiß, sich
die ungeheuerlichen Höllen fürs praktische Leben
umzuwidmen. Blinder Theresias, reist
du durch die Welten und schickst von dorther,
triumphierend,
euphorische Zeilen, in denen du mitteilst,
wie gut dir das südliche Leben die Glieder
wärmt, derweil wir in schaurigen,
qualvollen Winternächten erzittern.
Du bist einer von denen, die tapfer ihre Lieder
trillern, seliger Lerchensänger über den Feldern, auf dass
ihn der krumme Habicht nicht hackt. Du rechnest eben
mit den animalischen Realitäten.

(2006)
 



 
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