Regen

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Regen



Wir warten auf Heilung
wie andere auf Regen
und können doch nicht wachsen,
weil wir keine Blumen sind.
Wir holen uns nur nasse Füße,
doch immerhin, wir haben Durst,
und deine Augen sind ein Fluss.
Mein Herz ist eine Wüste,
in der kein Kaktus blüht.
Alles Leben ist gespannt
und wartet auf die Flut,
mit Geduld und Angst,
denn wir könnten ja ertrinken
in all der Trauer und Einsamkeit,
die uns gefangen hält
in unserer Haut,
die wir nie verschmelzen können,
trotz jeden Versuchs,
aber selbst die Sonne stirbt
und strahlt doch
jeden Tag.
 

wondering

Mitglied
Hallo black sparrow,

das sind sehr intensive Zeilen und zu meckern gibt es nichts.

Wahrscheinlich hätte ich nach dem "trotz jeden Versuchs" einen Punkt gesetzt und der Sonne einen eigenen Satz ohne "aber" gegeben. Kommt mir noch intensiver vor...

[...]
Alles Leben ist gespannt
und wartet auf die Flut,
mit Geduld und Angst,
denn wir könnten ja ertrinken
in all der Trauer und Einsamkeit,
die uns gefangen hält
in unserer Haut,
die wir nie verschmelzen können,
trotz jeden Versuchs.
Selbst die Sonne stirbt
und strahlt doch
jeden Tag.


vG wondering
 
D

Daniel Mylow

Gast
Hallo black sparrow,
dein Gedicht ist sehr schön, wie das Strömen eines ruhigen Flusses habe ich deine Sprache empfunden. Spontan gestört hat mich nur "trotz jeden Versuchs", das klingt nicht flüssig.
Vielleicht wäre besser: trotz aller Versuche oder auch Tag und Nacht oder ein ganz anderes Bild, was die Unmöglichkeit der Nähe umschreibt. Herzliche Grüße Daniel
 
M

Minouche

Gast
Ich hoffe, es kommt eine Menge Regen, deiner Seele den Durst zu nehmen.
Wir sind Blumen, wir Menschen. Wir dürsten nach Wasser, nach Substrat und nach Leben. Nach Licht, nach Sonne. Denn ohne das geht es nicht. Wir würden sterben. Auch wir Menschen.
Ich wünsche dir gute Erde. Und Licht,auf dass du leben kannst.

Deine Zeilen rührten mich tief an.
Machten mich unendlich traurig.
Doch Tränen sind salzig. Damit ungeeignet für eine Wüste. Ich werde mich in Süßwassertränen üben.

Liebe Grüße
Minouche
 
Hallo ihr Drei,

ich danke euch für die wohlwollende Kritik!

@wondering und Daniel: Das Gedicht ist noch so neu,
dass ich über eure Vorschläge erst mal nachdenken
muss. Jedesmal wenn ich es lese, fallen mir noch andere
Stellen auf, die ich ändern könnte, als wäre das Ding
noch "flüssig". Kriegs noch nicht gepackt.
Aber eure Anmerkungen sind berechtigt!

@ minouche: Deine Antwort ist fast selbst schon ein
Gedicht!

Schlaft gut

black sparrow
 
Lieber black sparrow,

dein Name erinnert mich immer an einen Verlag, in dem Bukowski erscheint (Black Sparrow Press, Santa Rosa). Darf ich sagen, dass, wie ich finde, du hier ganz diesen Erwartungen gerecht wirst? Man könnte (ich sage: könnte) das doppelte Relativpronomen beanstanden, also „Einsamkeit, die… in unserer Haut, die…“ Man soll ja bekanntlich nicht einen Relativsatz von noch einem Relativsatz abhängig machen, vor allem wenn das Relativpronomen gleichlautend ist, aber, ehrlich gesagt, es stört mich in deinem Gedicht nicht. Die Schlichtheit im Ton sagt mir sehr zu und die Verbindung von Lakonik und stillem Pathos findet einen schönen Ausgleich. Noch mehr sympathisiere ich mit der dahinter aufscheinenden Haltung des lyrischen Ichs. Ich habe immer auf solche Gedichte von black sparrow gewartet, geht’s noch bitterer? Und bitter bitte mit Superbildern! Die Sonne stirbt und strahlt doch jeden Tag… Solche Sätze brauche ich täglich, um als Leser zu überleben. Danke.

Beste Grüße
Monfou
 
puh, monfou

Monfou,ich danke dir für deine positive
Kritik, und hoffe auch mit meinen weiteren Gedichten
dazu beizutragen, dein "Überleben" zu sichern! ;-)

Und die Verbeugung, die ich gerade mache, kommt daher,
dass du erkannt hast, woher mein Pseudonym kommt!
Respekt! Da bist du der Erste!

Ein schönes Wochenende wünscht

black sparrow
 

Echoloch

Mitglied
Ich bin verliebt ...

... in die Zeile "und Deine Augen sind ein Fluss". Das zerreißt mich. Wunderschön.
Ganz tolles Gedicht, der Anfang gefällt mir persönlich besser als das Ende.
Eine Frage in die eloquenten Runde geworfen: Müsste es nicht heißen: "trotz jedeS Versuchs"? Es heißt doch auch nicht: "trotz deN Versuchs". Dieses "N" hat sich als Gewohnheit im deutschen Genitiv eingenistet, und ich verstehe eigentlich nie so recht, warum.(?)

Grüße von Maja
 
Schöne Frage, liebes Echoloch.

Die Präposition trotz zieht im Allgemeinen den Genitiv nach sich: Trotz des schlechten Wetters.

In anderen Fällen, die ich hier nicht aufzähle, ist auch der Dativ richtig.

Im Fall des Gedichts liegt zunächst ein Genitiv vor: Trotz jeden Versuchs.

„Trotz jedes Versuchs“ wäre sprachlich nicht nur weniger schön (drei s-Laute), es wäre auch grammatikalisch nicht richtiger. Es wäre fast so, als würdest du sagen: Trotz schlechtes Wetters, statt "trotz schlechten Wetters". Denn „jeder, jede, jedes“ wird in dem Fall, dass es vor einem maskulinen Substantiv steht, schwach gebeugt, also „trotz jeden Versuchs“.

Die Duden-Grammatik schreibt hierzu.
Steht das Pronomen „jeder“ („jedes“) bei einem stark gebeugten männlichen oder sachlichen Substantiv (in unserem Fall also „Versuchs“), dann hat es im Genitiv Singular statt der starken Endung –es häufig auch die schwache Endung –en. Beides ist korrekt.

Immer offen und selten besoffen, herzlich

Monfou
 

Echoloch

Mitglied
Stark!

Lieber Monfou, das ist endlich eine tolle, überzeugende Antwort auf eine Frage, die mich seit langem wurmte. Leider war ich nicht so schlau, im Duden nachzugucken - da ich zwar auch sehr offen, dabei aber äußerst häufig besoffen bin, kommen mir derart großartige Ideen eher selten ;O)
Ich werde Deine Antwort noch einige Male durchlesen, bis ich sie wirklich verstanden habe, aber dann ist mal wieder ein Punkt auf dieser Riesenliste in meinem Rumpelkopf angehakt.
Mit Dank, Maja
 
Hallo echoloch und monfou

tja, die Tipps! Anfangs stand dort: trotz jedes Versuchs,
und dann habe ich es geändert, weil ich mich habe irritieren lassen. So gehts...
Und nu? Ich lasse es so, und gebe monfou Recht!

Liebe Grüße

black sparrow
 
P.S.

echoloch,

das ist eine Premiere, denn in eine Zeile von mir
hat sich noch nie jemand verliebt!
Ich hoffe, das liegt nicht an den Trinkgewohnheiten,
die du erwähnst! ;-)

the sobber sparrow
 

Echoloch

Mitglied
Indirekt schon, bin heute nämlich zum ersten Mal seit äußerst langer Zeit nüchtern - vielleicht berauscht mich das???
;O)
 



 
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