Reisenotizen

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Warne Marsh

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Unrasiert und betont cool sitzt er da; mit Stöpseln in den Ohren, welche ihn davor schützen, die Umwelt wahrzunehmen. Wie selbstverständlich hat sich seine Tasche neben ihm ans Fenster gesetzt – hier, im überfüllten Zug. Blaue Jeans, über welche hinweg das kleinkarrierte Polohemd schludert, wie ein achtlos hingeworfenes Handtuch. Weisse Socken stecken in braunen, nicht mehr glänzenden Lederschuhen. Breitbeinig sitzt er da. Sein langweiliger Gesichtsausdruck wird durch den Schriftzug seiner Tasche – „ moretti sport“ – mit der unentbehrlichen Lässigkeit gewürzt.


Wohin mit meinen Beinen? Den schwarzen Socken und Schuhen? Dies scheint ausschliesslich mein Problem zu sein. Er sitzt bequem, was er auch ausstrahlt. Warum Rücksicht im Verhaltensvokabular haben, wo sich doch die ganze Welt um einen dreht? Was bleibt, ist mit absichtsvoller Zufälligkeit den Rauch in Richtung des Nichtrauchers zu blasen. Das geniesse ich, obwohl ich noch immer ungemütlich sitze. Ab und zu streift mich sein stahlblauer Blick, als müsse er sich meiner Nichtanwesenheit vergewissern. Kontrast: Die herzliche Wärme des Schaffners und der friedlich glänzende Dingsbums-See. Rechts von mir fiebt nun ein Handy. Weisses Hemd immerhin, noch ebener, als der See, und zudem mit stilvoller Sockenfarbe ausstaffiert. Ein Langsamsmsler mittleren Alters aus dem Land der schroffen Schaffner. War’s am Ende noch der Zugersee? Da wollte ich mich soeben über Nordicwalkingstöcke und Angliszismen ärgern. Nun denn: Es war ein Blindenstock, der da auf dem Boden klapperte, als wär’s ein hungriger Specht auf Reisen. Wohlgeformte, junge Brüste stehen neben mir, und auch ich muss mich nun bewegen. Der coole trägt ein Fahrrad. Dort hingestellt vom Mann im Ohr, so nehme ich mal an. Oder ist er schlichtweg infantil? Meine Augen sind zugekniffen, obwohl sich da gar kein Zigarettenrauch zwischen ihnen und den Brillengläsern verfangen hat. Anzeigetafeln auf Umsteigebahnhof. Währenddem ich an meiner Zigarette ziehe, die ich mir vorhin unter Beobachtung stehend drehte, wechsle ich den Zug. Hell-, und dunkelhäutige Jugend, aus Hiphop-Magazinen entsprungen, leidet an krassem Sprachverlust und bevölkert das Raucherabteil im innerschweizerischen Regionalzug. Und dabei war das kaum die Hälfte meiner Reise(...)
 

norge

Mitglied
norge die fünfte

gute Reisenotiz

gefällt mir.
"ach. wieso?"

naja, weil die Beobachtungen und wie du sie beschrieben hast vor mir stehen.

wenn du erlaubst, einige Kleinigkeiten (aber wirst ja nicht gefragt ;-)

welche ihn davon schützen

davor schützen

Wohin mit meinen Beinen? Den schwarzen Socken und Schuhen? Dies scheint ausschliesslich mein Problem zu sein

vor diesem Abschnitt würde ich einen Abstaz machen, da ansonsten die schwarzen Socken die vorher (bei dem anderen) weiß waren irritieren

absichtsvoller Zufälligkeit


find ich gut

streift mich sein stahlblauer Blick, als müsse er sich meiner Nichtanwesenheit vergewissern.


prima

nun, das zu deinen Reisenotizen -

aber wo ist die Asche ? (kicher;-)

vG

norge
 

Warne Marsh

Mitglied
Hey Norsch:)

Wenn Du wüsstest, wieviel Mühe es mich gekostet hat, beim in die Armlehne (denn da war der Ascher) zu aschern, das neben mir sitzende weisse Hemd nicht zu schwärzen;-) Aber nun, da ich die Zigaretten selber drehe, schreib ich dann mal - extra für Dich - ein neuer Aschentext. Selbstgedrehte aschern nämlich gaaaanz anders, als die Fabrikfertigen.

Ansonsten: Lob und Kritik dankend entgegengenommen und nach Vorschlag geändert.

Macht nun doch langsam Spass hier!;-)

herzlich, der Warne

P.S. Meinereiner wird dann auch noch lesend und anmerkend sein, ja.
 



 
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