Rendezvous mit einer Leiche

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Scientia

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„ Rendezvous mit einer Leiche“

Sie saßen beisammen und tranken ein Glas Wein. Bereits nach wenigen Stunden wurde aus einem Glas eine Flasche und als die Sonne aufging, waren noch drei weitere hinzugekommen. Sie mochte einen vollmundigen Roten, er hingegen bevorzugte einen trockenen Weißen, doch in dieser Nacht gab er ihr nach. Beide saßen sie in trauter Eintracht auf dem Balkon umgeben von allerhand Grünzeugs und blickten über die Dächer Rostocks, auf denen das fahle Mondlicht Schattenmuster zeichnete. Es war eine klare Spätsommernacht.

„ Von hier aus kann man sogar den Wasserturm vom Steinkohlekraftwerk sehen. Bemerkenswert.“
„ Ja.“
„ Ich würde deine Wohnung sofort gegen meine eintauschen wollen. Du wohnst fast mitten in der Stadt, es ist nicht weit zum Hafen und diese herrliche Aussicht. Jeden Abend hier sitzen und sehen wie die Sonne untergeht. Sehen wie sie eine brennende Linie auf die Dächer malt. Es ist ein Traum. Rostock ist so viel schöner als Berlin. Hier geht alles etwas langsamer von statten. Hier lässt es sich gut Urlaub machen. Und die Menschen, sie interessieren sich eher für einen als in der Anonymität der Großstadt. In Berlin hätte mich sicher keiner wie du angesprochen.“
„ Du siehst dich selbst viel zu schlecht.“ Er war nicht sehr gesprächig, nippte nur gelegentlich an seinem Wein und schien der jungen Frau zu seiner Linken nicht viel Beachtung zu schenken. Der alte Korbstuhl, auf dem er saß, knarrte verheißungsvoll, als er sich erhob und das Wohnzimmer betrat. „ Kommst du?“
„ Warte. Ich möchte nur noch einen Moment die schöne Aussicht genießen.“
„ Es ist kalt draußen. Komm rein. Du erkältest dich noch. Ich mache uns noch eine Flasche Wein auf.“
Widerwillig nahm sie den letzen Schluck Roten und schwankte ein wenig auf dem kurzen Weg ins Wohnzimmer. Beinahe wäre sie über die Teppichkante vor dem Balkonfenster gestolpert. Undamenhaft lies sie sich auf die mit einem hellen Tuch bespannte Eckcouch fallen, sodass ihr Bluse ein wenig verrutschte, und hielt ihm mit ausgestrecktem Arm ihr leeres Weinglas entgegen. Er begutachtete ihre rot lackierten Fingernägel und sinnierte darüber, dass sie fast die Farbe des Weines hatten, den sie tranken.
„ Nimmst du mir nun das Glas ab oder muss ich mir selbst einschenken?“ Er folgte ihrer Aufforderung mit einem stummen Nicken. Wäre es nach ihm gegangen, würde sie gar nicht auf seiner Couch sitzen, aber er nannte sich selbst einen Narr und mahnte sich zur Geduld. Gemächlich überreichte er ihr das bauchige Glas, nun wieder gefüllt. Sie nippte genüsslich und starrte sinnverloren aus dem Fenster, hinaus in die Nacht. Kurz versperrte er ihr die Sicht, als er zu Musikanlage hinüber schritt und eine CD von Glen Miller auflegte. ‚In The Mood` ertönte, er setzte sich neben ihr, entnahm ihr das Glas und blickte in ihre vom Wein vernebelten Augen.
Er wusste, sie mochte diese Musik. Er hatte es beim Kaffee erfahren, den sie beide heute Vormittag im Galeria Kaufhof genossen hatten. Er hatte sie einfach ansprechen müssen. Sie in ihrer dunklen Jeans und dem beigen Blazer, die blonden Haare zu einem Knoten hochgesteckt, die braunen Augen neugierig die Bücherregale im Erdgeschoss absuchend. Sie war nicht besonders schön, wesentlich kleiner als er, die Hüften ein wenig zu breit, ihre Gesichtszüge zu hart, zu maskulin, aber etwas an ihr interessierte ihn. Vielleicht, weil sie in dem Moment, als er vorbeikam, einen Agatha Christie Roman in ihren Händen hielt und stirnrunzelnd darin las. Er fragte, ob er behilflich sein könne. Er lese auch gern diese Krimis. Ihr scheues Lächeln und dennoch höfliche Ablehnung animierten ihn, weiter nachzuharken. Ob er sie auf einen Kaffee einladen dürfe, fragte er, den Blick auf ihre warmen Augen fixiert. Sie sei schon mitten im Aufbruch, wolle sich nur noch ein Buch für die lange Zugfahrt holen, habe ihren Koffer schon im Hauptbahnhof in ein Schließfach gelegt, müsse am Montag wieder anfangen zu arbeiten. Die Worte sprudelten aus ihrem Mund und bestätigten seine Ahnung, dass sie nicht oft von einem Mann seines Kalibers angesprochen wurde. Er lies nicht locker, beharrte darauf ihr das Buch schenken zu wollen. Er kenne nicht viele, welche Agatha Christie so zu schätzen wüssten. Sie habe fast alle Bücher von ihr, ihre Erwiderung. Ein Leuchten in ihren Augen. Er habe sogar ein paar signierte Erstausgaben, sein Kommentar darauf. Letzten Endes bekam er seinen Willen, wie fast immer. Frauen konnten ihm selten wiederstehen.

„ Tanz mit mir!“ Seine Worte waren Malerei in ihren Ohren. Unterstrichen von der Musik hatten sie eine hypnotische Wirkung, derer auch sie sich nicht widersetzen konnte, wollte. Sie tanzten zur Musik. Langsam und in kleinen Schritten, ihr Kopf auf seiner Schulter, vorbei an der Eckcouch, vorbei am Balkon bis nah an den Esstisch, dann in die Küche, offen gelegen direkt gegenüber des Fensters. Hier drehte er sich mir ihr im Kreis, flüsterte ihr warme Worte ins Ohr, schmeichelte ihrem Haar, ihrer Figur, ihr selbst. Sie war anfällig für solche Schmeicheleien. Auch das hatte er beim Kaffee am Vormittag erfahren. Er hatte ihr behände in die Augen gesehen, nicht von ihrem Blick abgelassen, während er sie fast selbstverständlich fragte, ob sie ihn nicht noch ein wenig durch die Stadt begleiten wolle. Es fuhren auch noch später Züge nach Berlin und wenn sie keine weiteren Verpflichtungen hätte... Ein scheues Lächeln, ein gesenkter Blick und ein gehauchtes Ja zauberten ein beinahe diabolisches Grinsen auf sein Gesicht. Seine blauen Augen, kalt und berechnend, mochten anfangs noch verwirrend auf sie gewirkt haben, aber er konnte, wenn er wollte, Gefühle wie ehrliche Zuneigung, Interesse oder mehr in sie legen. Er war ein begnadeter Schauspieler. Und so spielte er auch jetzt.

„ Du hast wunderschöne Augen. Sie waren mit das erste, was mir an die aufgefallen ist.“ Er hauchte die Worte in ihr Ohr, atmete tief. „ Deine Haare, so geschmeidig und blond wie die eines Engels.“ Er vergrub sich mit seinem Gesicht in ihrer Halsbeuge, nahm einen kräftigen Zug ihres Duftes auf und schloss genießerisch die Augen immer bedacht darauf, ihre Bewegungen ja nicht ins Stocken geraten zu lassen. Sie sollten fließen sein, die Bewegungen, die Schritte, die Worte, die aus seinem Mund kamen, alles in einem Fluss. So drehten sie sich weiter im Kreis.

„ Ich bin müde. Bringst du mich zum Bahnhof?“ Leise, kaum zu verstehen, waren ihre Worte.
„ Dafür ist es zu spät, jetzt fahren keine Züge mehr nach Berlin.“ Aus der Anlage strömten die Töne der Moonlight Serenade.
„ Du hast gesagt, es fahren später noch Züge. Der Wein...“ Sie brach ab, zu schwer ihre Zunge, als dass sie ihren Satz vollenden hätte können.
„ Ja, mein Engel.“ Sie blickte schläfrig zu ihm auf, die rot lackierten Hände hinter seinem Nacken verschränkt. Sie legte den Kopf schief, nachdenklich.
„ Küss mich!“ Er senkte sein Haupt zu ihr herab und noch bevor er ihre Lippen berühren konnte, war sie in seinen Armen eingeschlafen.

Er lies sie sanft auf den gefliesten Kücheboden gleiten und küsste ihre Stirn.
„ Mein blonder Engel.“, hauchte er in ihr Ohr. „ Der Wein ist dir nicht bekommen.“ Er drapierte ihre Arme überkreuzt auf ihrem Brustkorb. Ein flüchtiger Kuss auf ihre Lippen, dann riss er sich abrupt los, stieg über sie hinweg und öffnete eine Küchenschublade.
„ Deine Lippen sind so rot wie Sünde. Deine Nägel haben die Farbe des Weines, den du heut Abend getrunken hast. Doch welche Farbe hat dein Blut?“ Er sprach diese Worte ruhig, fast bedächtig und leckte mit seiner Zunge über das Messer, welches er der Schublade entnommen hatte. Das gekaufte Buch „ Rendezvous mit einer Leiche“ lag vergessen auf dem Wohnzimmertisch. Ursprünglich hatte er ihr daraus vorlesen wollen.
 

Raul Reiser

Mitglied
Rendevous mit einer Leiche

Hi Scientia,
Du bist wahrscheinlich recht neu hier, deshalb: Herzlich willkommen.
Dein Text ist gar nicht schlecht, aber wie der Titel irgendwie hat man das schon gehört, oder im Fernsehen gesehen.
Als Schreibübungstext find ich das gut.
Aber denk mal darüber nach, was Du mit Deinem Schreiben aussagen willst - über einen Tatort-Text - so klingt das, hinaus.
Dann wirst Du viel Besseres produzieren können.
Viele Grüße
Raul
 

WiTaimre

Mitglied
formale Ueberlegung hierzu

Gruess Dich, ich bin noch neuer hier als Du.
Zu Deinem Krimi moecht ich sagen - waer es ein Text von mir, wuerd ich mir dieses selber sagen:

Der Titel - nicht ok, denn den Krimi dieses Namens kennen viele aus dem Hitchcock-Film, es war ein grosser Meister dran zu Werke, und dessen Krimis Inhalt ist bekanntermassen der, dass zynische junge Leute sich geeinigt hatten, einen von sich umzubringen, als sei das "nichts", weil der "nicht wertvoll" war, und ein bisschen spaeter ueber dessen Koerper Ahnungslose feiern zu lassen - eine Zynik, die am Ende doch gescheitert war, dank ihres aufmerksamen Lehrers, von dem sie dachten, diese Zynik gelernt zu haben.

- Wenn dieser Titel eigentlich erst darin wieder vorkommt, dass dieses nur das Buch war, das im Schlussatz als liegengelassen und ungelesen erwaehnt wird, dann fehlt der Bezug zu dem Mord, der - bzw.wie er hier - hier geschildert ist.
Mein Tip an mich waere gewesen, wenn schon, dann einen hierzu parallel geeigneteren Krimi neben-zunutzen.

Die Partie, welche Rostock mit Berlin vergleichend wohl dem Ort als Ort der Tat ein wenig huldigen soll, ist so kompakt in einen Absatz ohne Dialog gepfercht, und nicht erhellend, warum dieser Mord gerade da passiert sein soll. Vielleicht, weil ich kein Rostocker bin. Diese paar Erwaehnungen von Gebaeuden, die man aus einem hoeheren Stockwerk habe sehn koennen, kann man fuer tausend andere Orte ja auch aus dem Internet heraus konstruieren, ohne dass der beschriebenen Tat eine Nuance passierte.

- vielleicht ist eine lokale Anspielung darin verborgen?

Mein Tip an mich waere gewesen: Das, was man erwaehnen will als einen bestimmten Ort, falls man ihn vielleicht nichtmal so genau kennt, das muss ich geschickter im Ganzen verteilen, so etwa, dass der Moerder, waehrend sie heiter quasselt, immer mal aus dem Fenster schaut, um seine Ungeduld zu bezaehmen, wann sie endlich blau genug fuer seine Absicht ist
- oder dass sie davon redet und dann fahriger wird, Namen verwechselt, sich korrigiert
- oder dass ihm auf dem Weg vom Bahnhof bis zu dieser Tat der Gedanke ausgeloest wurde beim Anblick irgendeiner fuer Rostock bekannten Baulichkeit, und sei es "eine alte Kohlerutsche direkt rechts von..."
Wollte ich etwas auf "Stadtschreiber" hin ueben, muesste ich umso umsichtiger zuwerke gehen: der Wiedererkennungs-Wert fuer den dort lebenden Rostocker ist durchaus wichtig und heftet sich nicht an die 3 allgemeinsten Sehenswuerdigkeiten der Stadt allein an. Es macht den Ort nicht bereits spannender, dass man ihnen diese Tat nach da-passiert "unterschiebt", wenn es ebensogut New York haette sein koennen.

Zum Mord-Typ: es soll wohl ein Serienmoerder getan haben, der nur einfaedelt, abwartet und dann erledigt, wonach ihm war. Der toetet ein argloses Dummchen, der ein Mensch "seines Kalibers" noch nie den Hof gemacht hatte, wie Du vermerkst.
Naja, wenn, dann waere sie ja schon damals am ersten "seines Kalibers" gestorben?
- Das ist aber im Rahmen des geschilderten Anlockens relativ unzusammenhaengend mit der ihr drohenden Untat beschrieben - und wenn denn schon der Titel war "Rendevous mit einer Leiche" - dann koennte ich, muesste ich - wenn ich es geschrieben haette, aus genau diesem arglosen "Dummchen in den Augen dieses moerderischen Betrachters" das dem beruehmten Krimi parallel zu-denkbare Motiv der "Blasiertheit eines solchen Moerders" deutlicher herauskristallisieren, aber muss bedenken, dass jene jungen Moerder-Studenten nicht zugleich Massenmoerder waren, nur weil sie "theoretisch" mordeten, denn in "Schuld und Suehne" von Dostojewski findest Du auch einen "theoretischen Mord", den bei Dostojewski der Moerder dann aber doch nicht verkraftete.

- Dein Moerder: er wirkt, als habe er das so beilaeufig an sich, hin und wieder "geeignete" Frauen, die geeignete Wohnungen haben koennten, oder vielleicht auch sonstwen - so nebenbei mal umzubringen, weder etwas gegen sie empfindend noch eigentlich selbst dabei mhr als die Wartezeit vollbringend.
Mein Tip: wenn das von mir geschrieben waere, wuerde ich mir sagen: na, das waer doch mal ein ganz anderer Typ von Moerder, schhon weit ueber die Stufe der Zynik hinaus, einer, der "es" in der Freizeit macht, so nebenbei eben, und auch nur, wenn die Umstaende sich wieder mal eignen (einsames Appartement irgendwo) - das IST doch schon in sich gruselig, nicht wahr?
Diesmal waere es eben in Rostock gewesen, falls der Ort meiner Leser-Zielrichtung nach rein muss, oder er wohnt gar in dieser grossen Hafenstadt und behauptet nur jeweils, er sei auf der Durchreise und lebe in Berlin oder so.
Er sei so schon hinaus ueber gut und boese, dass ihm nichtmal einfaellt, sein "geeignetes Opfer" zu bewerten. Ihn mal kurz sich erinnern lassend, er habe es sich diese Untaten eben nur einfach irgendwann so angewoehnt - weil es ging.
Den Titel wuerde ich dann vielleicht auf irgendwas aendern, worin das Wort "anonym" vorkaeme. - Diese arme Frau, sein diesmaliges Beschaeftigungs-Objekt fuer ein paar Stunden, registriert er nur, wie sie aussieht und sich benimmt, weil sie halt im Raum ist, doch es interessiert ihn auch nicht sehr, "zwischendurch" faellt sein Blick auf sie - oder auf ein Moebelstueck, oder mal wieder auf die Stadt draussen
- um diesen Kontrast zu erhoehen, wuerde ich, wenn ich es geschrieben haette, mich dann dransetzen, dieser Frau aber das Anonyme zu nehmen, den Ansatz dazu hast Du ja geschrieben, wo Du sie vermerken laesst, wie wortkarg er ihr vorkomme.
Ihr musste ich mehr Affekt und Wollen zuschieben, da sie doch bisher an ihren weiblichen Reizen gearbeitet hat und sie auch ihm verlockend darbietet, und das umso tolpatschiger je mehr sie sich in diesem Bestreben zu-saeuft, weil sie schon fast schmollt, aber dennoch vage hofft, der werde schon noch im Bett ein bisschen mehr belebt sein.
Deinem Text nach hat der ihr doch auch zuerst allerhand ueber sich geschildert, sein so "hohes Niveau" als Leser und Sammler von Krimis, was sie auf einen netten Lese-Abend hoffen machte, seinerseits aber mit einem einzigen am Bahnhof gekauften Buch als bewiesen-genug Routine ist. Ware sie fuer Wellensittiche, haette er ein Baendchen zu dem Thema vorgezeigt - wuerde er in meiner verbesserten Version, irgendwann bei diesem Warten, wann sie "endlich fertig" ist zum ganz bequemen Umbringen, bei sich denken. - Auch wer aus Langeweile angelt, wird ab und zu den Koeder wechseln.

- Dein Beispieltext hat mich immerhin angeregt, es mir zu ueberlegen, wenn ich das geschrieben haette, was ich von mir aus aendern muesste - damit wollte ich ausdruecken, dass es mir auch oft passiert, Texte zu schreiben, an denen ich viel aendern koennte. :-D
- Das macht mir naemlich auch Spassssss, einen einmal gefertigten Ansatz dann doch noch zu "retten".

Also nix fuer ungut
- und ein erfolgreiches Neues Jahr 2009
mfG WiT
 
[red]„D[/red]u hast wunderschöne Augen. Sie waren mit das erste, was mir an di[red]r[/red] aufgefallen ist.“
Ein Flüchtigkeitsfehler beim Schreiben ("dir" statt "die") und stellvertretend für die gesamte Geschichte und in meinen Augen wichtiger: Zwischen Anführungszeichen unten und dem nächsten Wort setzt man keine Leerzeichen. Mich hat das sehr irritiert.

Ich habe diese Kurzgeschichte gelesen weil ich auch den Christie-Roman desselben Titels kenne und das dann mein Interesse geweckt hat. Von der Idee her finde ich die Geschichte gar nicht schlecht (wie verführt ein Mörder sein Opfer, was geschieht in den letzten Momenten vor der Tat), aber dennoch muss ich sagen, dass mich die Ausführung irgendwie kalt gelassen hat. Aus der Geschichte könnte man sicher mehr herausholen wenn man sie psychologisch mehr auf das Opfer oder den Täter beziehen und ihnen mehr Gestalt verleihen würde oder wie bereits von einem Vorposter erwähnt den Lokalkolorit ausbauen um für die Kenner der Stadt eine Art unterschwellige Bedrohungssituation zu schaffen.
 

WiTaimre

Mitglied
Oh fein, ein Lebender wandert vorbei *g*
z.B. diese Partie:
>"Widerwillig nahm sie den letzen Schluck Roten und schwankte ein wenig auf dem kurzen Weg ins Wohnzimmer. Beinahe wäre sie über die Teppichkante vor dem Balkonfenster gestolpert. Undamenhaft lies sie sich auf die mit einem hellen Tuch bespannte Eckcouch fallen, sodass ihr Bluse ein wenig verrutschte, und hielt ihm mit ausgestrecktem Arm ihr leeres Weinglas entgegen.
Er begutachtete ihre rot lackierten Fingernägel und sinnierte darüber, dass sie fast die Farbe des Weines hatten, den sie tranken."
Dies kleine Kontrastieren ist m.E. recht gut illustriert, wo diese Geschichte beginnt, surrealistisch zu zeigen, dass seine Gedanken durchaus weit weg von ihren sein werden. Noch ist der Leser sich hier ja noch nicht sicher, was passieren wird. Da ja vermutlich aussen auf dem Buch draufstehen wird, dass dies ein Krimi wird - und man andererseits nicht die Spur von Aehnlichkeit zu dem bekannten "Rendevous"-Film erfuhr, vermerkt man dass diese Dame naiv ist und nun schon ziemlich - der Hilflosigkeit nahe - "fast" betrunken.
Dann kommt aber ein Ebenen-Wechsel, der nicht zu dem am Ende eher gelangweilten "Nebenbei-Routine"-Taetertyp passt:

>Er begutachtete ihre rot lackierten Fingernägel und sinnierte darüber, dass sie fast die Farbe des Weines hatten, den sie tranken.
- hier ette ich ihn etwas verstohlen auf die Uhr schauen lassen, denn er soll doch nun schon etwas gedraengelt haben, "es", was er vorhat, zu beenden. Das dauert ihm doch schon zu lange, fuer eine "Nebensache".

>„Nimmst du mir nun das Glas ab oder muss ich mir selbst einschenken?“
- hier soll er doch wohl aus ganz fern schweifende Gedanken "geweckt" werden, dazu ist das Farbvergleichen zu kurz. Im Sinn der Story koennte er schonmal gedanklich ihre Masse und ihr Gewicht geschaetzt haben, ganz nuechtern auf den praktischen Fortgang der baldigen "Entsorgung", ehe es hell wird, konzentriert. Vielleicht passt hier noch so etwas hin wie "lallte sie etwas draengelnd, mit dem ebenso wie die Bluse verrutschenden Versuch, keck zu blicken, waehrend ihr aber die Mundwinkel schon entglitten und er diagnostizierte, dass es wohl noch um 1-2 Glas Wein ginge - und das bei den Weinpreisen in letzter Zeit..."

- Nimmt man das "genauso rot wie..." als Idee auf, wo das Glas hier aber doch grade leer ist - dann muesste man es vielleicht etwas eher unterbringen, im Ablauf, als es noch "so normal-romantisch" anfing und die Abendsonne den Rest Wein im Glas (nahe ihrer Fingernaegel) kurz hervorhob.
Mir ist unklar, wie einem, beim Groessenvergleich zwischen Weinglas und Fingernaegeln, und der Abwesenheit von Wein so etwas erst jetzt haette auffallen sollen. - Die naechste Gelegenheit waere allenfalls jetzt gleich, wo er denn also Wein nachgiesst.

>Er folgte ihrer Aufforderung mit einem stummen Nicken. Wäre es nach ihm gegangen, würde sie gar nicht auf seiner Couch sitzen, aber er nannte sich selbst einen Narr und mahnte sich zur Geduld. Gemächlich überreichte er ihr das bauchige Glas, nun wieder gefüllt. Sie nippte genüsslich und starrte sinnverloren aus dem Fenster, hinaus in die Nacht. Kurz versperrte er ihr die Sicht, als er zu Musikanlage hinüber schritt und eine CD von Glen Miller auflegte. ‚In The Mood` ertönte, er setzte sich neben ihr, entnahm ihr das Glas und blickte in ihre vom Wein vernebelten Augen."
- "setzte er sich neben sie"
- "neben ihr" ginge weiter mit z.B. "nun doch noch kurz mit auf das Sofa..." - um anzudeuten, dass sie persoenlich ihn zu wenig interessiert, sondern nur, dass es doch noch etwas dauern koennte und sie sich hoechstens mal allmaehlich beeilen sollte, fuer seinen Ablaufplan "soweit" zu sein.

- oder?
mfG WiT
 

Lesemaus

Mitglied
Die größte Schwäche der Geschichte liegt für mich im Schluss. Bei dieser langen und ausführlichen Einführung MUSS zum Schluss etwas Überraschenden kommen und nicht das, was sowieso jeder erwartet. Ich habe mich am Ende gefragt: so what?

Dafür der ganze Aufriss?

Was wird eigentlich erzählt? Eine etwas naive, nicht gerade mit übergroßem Selbstbewusstsein geschlagene junge Dame lässt sich von einem ansehnlichen Herrn einladen und landet bei ihm in der Wohnung. Nachdem sie einiges getrunken haben, will sie zum Bahnhof - wie unrealistisch -. Doch er tut, was er von Anfang an vorhatte, er bringt sie um (Mit dem Motiv: "mal sehen, welche Farbe ihr Blut hat"- noch ... kann man's wirklich nicht schreiben, sorry.)

Weder kommt mir im ganzen Text das Abartige, Böse, Perverse, Gestörte am Täter auch nur ansatzweise auf, noch kann ich Vermutungen darüber anstellen, mit welcher Art von Unterhaltung die beiden so viele Stunden zugebracht haben. Ist es für einen solchen Täter nicht einfacher, sich eine Frau nachts von der STraße bzw. einer Bar heraus zu "kaschen"?

Also alles in allem viele Fragen und keine befriedigende Lösung im Text.

LG Lesemaus
 



 
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