Rentners Leid

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RENTNERS LEID oder
die Generation der Ahnungslosen.

Ist der Ruf erst ruiniert, pensioniert sich´s ungeniert. Der schlechte Ruf der Rentner oder Pensionäre ist legendär und durch keine Tatsache zu erschüttern! Dass der Rentner als solcher für sein Geld nicht mehr arbeiten muss, gilt dabei als das kleinere Übel.
Schwerer wiegt, dass er den nassen Herbst und den ungemütlichen Winter mit seiner rüstigen Rentnerin auf den Kanarischen Inseln zu verbringen pflegt, von wo er im Frühjahr eigentlich nur nach Deutschland zurück kehrt, um die zwischenzeitlich aufgelaufenen Anlagen- und Aktiengewinne persönlich bei einer Bank in einem benachbarten Kleinstaat, den ich hier nicht nennen darf, auf sein Nummernkonto zu deponieren.
Mit Missmut stellt der Normalverbraucher weiterhin fest, dass die Geschäftsführer der großen Warenhäuser ihr Verkaufspersonal offenbar dazu anhalten, Senioren/innen sofort nach Betreten der Verkaufshalle aufs freundlichste zu begrüßen und sie persönlich durch das Warensortiment zu geleiten. Auch Ärzte, Apotheker, Kliniken, sowie die Betreiber gehobener Gastronomiebetriebe umwerben diesen elitären Personenkreis mit ausgesuchter Höflichkeit. Die Anbieter von Bus- Flug- und Schiffsreisen geben unvorstellbare Summen aus, um an ihre Adressen zu kommen.
Diese Sonderbehandlung verdanken die Pensionäre jenen Dienstleistungsunternehmen, die durch das Auswerten von Statistiken zu der Erkenntnis gelangten, dass deutsche Rentner(innen) die idealen und zahlungskräftigsten Kunden ihrer ausschließlich am Rentnerwohl interessierten Unternehmen wären.
Es ist verständlich, dass dieser, den Pensionären vorbehaltene Status, sowie deren Mobilität und Bonität bei einem Teil der noch arbeitenden Bevölkerung nicht nur Bewunderung, sondern auch einen gewissen Sozialneid hervorruft, von dem diese erst geheilt werden, wenn sie einst ihren eigenen Rentenbescheid in ihren Händen halten.
Da nimmt es nicht Wunder, dass unsere Politiker, die ihren prüfenden Finger stets am Puls des Bürgers haben, sich Sorgen um uns zu machen beginnen, weil wir im Fortschreiten des Lebensalters einfach nicht innehalten und uns, ohne unser eigentliches Zutun, dabei auch noch unkontrolliert vermehren.
Also, weg mit uns? Aber niemals!! Keiner will uns etwas Böses anhaben, schon gar nicht die Politiker! die Parteien brauchen uns, wir sind ihre treuesten Stammwähler! Denn nur mit schlimmsten Gewissensbissen würde es ein auf Rot fixierter Sozi, oder ein in der Wolle tiefschwarz gefärbter Unions-Anhänger fertig bringen, als Grauschopf etwas anderes zu wählen, als jene Partei, die ihm in seiner Jugend den politischen Puls schneller schlagen ließ; mag sie auch Renten- und Leistungskürzungen, Zuzahlungen und andere Grausamkeiten für ihn auf Lager haben.
Dabei ist unsere Regierung selbst schuld, dass sie bei der letzten Wahl nicht alle Senioren hinter sich scharen konnte!
Nicht im Traum wäre es unserem früheren, mit allen Rheinwässern gewaschenen eisernen Kanzler Adenauer eingefallen, die Rentenhöhe etwa von demographischen Faktoren abhängig zu machen. Er ließ seinen Finanzminister stets zur rechten Zeit die eingelagerten Spargroschen in seiner Bundes-Reservekasse zählen, und da dieser erwartungsgemäß immer fündig wurde, ließ Konrad, der Listige, die Renten vor den wichtigen Wahlen spürbar erhöhen. So zogen seine zufriedenen Senioren quasi mit klingender Münze in die Wahllokale und zitterten ihr Kreuz ins rechte Kästchen.
Auch sein später etwas aus den Fugen geratener politische Ziehsohn, Helmut, der Stämmige, hielt sich in seinem Gefolge noch einen lustigen Papagei, der mit seinem großen Schnabel in alle Mikrophone zu plappern pflegte: "Die Renten sind sicher! Die Renten sind sicher!"
Ihr System würde wahrscheinlich heute noch funktionieren, hätten nach dem letzten Krieg nicht wir, aus der Generation der Ahnungslosen, die Werkbänke und Schraubstöcke der bundesrepublikanischen Produktionsstätten besetzt!
Wir, in deren ersten Kinderjahren das kürzeste aller tausendjährigen Reiche aufstieg und unterging, waren zwar reich an Erfahrung, aber praktisch hatten wir in der Nachkriegszeit nicht viel mehr gelernt, als unsere Ärmel hochzukrempeln und in die Hände zu spucken. So richteten wir uns bei der Arbeit nach der damals sehr geläufigen Redensart: "Es geht nichts über den deutschen Erfindergeist!" Ahnungslos tüftelten und verbesserten wir so lange an unseren Arbeitsplätzen herum, bis wir uns selbst überflüssig gemacht hatten. Hätte uns ein mit prophetischen Gaben ausgestattetes himmlisches Wesen dabei zugesehen, es hätte gebetet: "Herr vergib ihnen, sie wissen nicht, was sie tun!"
So kam, was kommen musste; eines Tages wurden wir, meine fleißigen Kollegen und ich, von unserem Vorgesetzten ins Personalbüro komplimentiert, wo sich der Personalchef bei uns für die bisher geleistete Arbeit mit einem Glas Sekt und einem Blumenstrauß bedankte und uns mitteilte, dass nun glücklicherweise in der Firma alles auch ohne uns, dafür aber zur vollsten Zufriedenheit der Geschäftsleitung, weiterlaufen würde. Wenn das kein stilvoller Abschied für uns war....
Was wir selbst nicht ganz schafften, brachten unsere Söhne zu Ende, die wir studieren ließen, damit sie es später einmal besser hätten. Als sie diplomiert und damit befähigt waren, die Leitungs- und Managerposten in den Firmen zu besetzen, vollendeten sie von ihren gepolsterten Ledersitzen aus, was wir einst an den Werkbänken erfolgreich begannen: Sie optimierten und rationalisierten, sie fusionierten und nützten Synergieeffekte, bis von den einst stolzen Unternehmen nur noch wir Rentner übrig blieben.
Bei diesem Sachverhalt wurden sogar die Parteien wach! Als gar einem unerfahrenen Abgeordneten aus den hintersten parlamentarischen Reihen des Deutschen Bundestages einmal versehentlich der Satz herausrutschte: "Die Renten sind nur noch bedingt sicher", berief die Regierung eine Kommission, die herausfinden sollte, wie bedingt sicher unsere Renten denn nun seien.
Diese Kommission wird noch lange tagen, aber das vorläufige Ergebnis ihrer Arbeit und die Klärung der Schuldfrage stand gestern bereits in der Zeitung: In Zukunft sind die Renten mit Sicherheit bedingt! Hauptverursacher der Misere ist sehr wahrscheinlich der Gründer unseres Rentensystems! Diesen jedoch, Otto Fürst von Bismarck, dürfte diese Erkenntnis in seinem kühlen Grabe eher kalt lassen. Er starb zwar hochbetagt, aber sozialverträglich und mit gutem Gewissen, denn als deutscher Politiker bezog er nie eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
 

LuMen

Mitglied
Rentnerschicksale

HALLO BERNHARD,

jetzt habe ich Deinen Namen versehentlich durch meine üblichen Mißgriffe auf den Klimpertasten groß geschrieben - ich lasse das aber mal aus gutem Grund so stehen. Ich freue mich, daß Du Dich zurückgemeldet hast, und das gleich mit einem solchen Fanfarenstoß! Deine Satire trifft voll ins Schwarze - wie die Seniorenglosse, die ich mit Deiner freundlichen Genehmigung in der Velberter VHS-Zeitung "Standpunkte" abdrucken lassen durfte. Ich frage gleich vorsorglich nach, ob Du Deine Erlaubnis auch auf den Abdruck Deines heutigen Werkes erstreckst!

Herzliche Grüße
LuMen
 
Hallo Bernhard,

zum Teil wirkt es etwas unstet ( gar nicht Rentnertypisch ), da du einfach alle "Vorurteile" zu dem Thema "durchkaust", da wäre eine etwas enger gefasste Thematik besser gewesen. Es ist glaube ich die fehlende chronologische Reihenfolge, die mich stört.

Ist aber nur eine kleine Anmerkung, ich habe mich auf jeden Fall köstlich über den Text amüsiert und freue mich schon auf weiteres.

Bis bald,
Michael
 
N

niclas van schuir

Gast
Hallo Bernhard,
wie schön, dass du wieder da bist. Leider hat sich in der Lelu so vieles verändert, dass es mir keinen Spaß mehr macht, hier zu schreiben. Aber ich schaue hin und wieder noch rein, wie du siehst.
Noch eine kleine Anmerkung zu deiner Glosse. Sie hat einen Fehler, einen, der mir persönlich und sicherlich auch anderen Ruheständlern ziemliche Schmerzen verursacht hat: Die schlauen Bänker (Wertpapierexperten mit der Berufserfahrung von mindestens plusminus 3 Jahren!) haben den Rentnern (nach meiner Erfahrung) natürlich weitestgehend NEMAX-Papiere angedreht. Also, was mich betrifft, ich hätte auch jedes Frühjahr kassieren können, wenn das mal funktioniert hätte. :D
So aber ...
Gruß Nic
 
Hallo Michael, Niclas und natürlich LuMen.
Vielen Dank für eure, (im Duchschnitt)sehr positive Beurteilung. Da ich mich zur Zeit nur sehr sporadisch mit der LL beschäftige, die ich trotzdem noch sehr schätze, möchte ich mich mit einem "Rundumschlag" für euer Interesse bedanken. Mich amüsiert, dass in diesem "Forum" wo neue Namen auftauchen und verschwinden, die alten Hasen es doch nicht lassen können, immer wieder dort vorbei zu schauen, um guten Tag zu sagen!
Lieber Michael, ich habe mit voller Absicht einige Vorurteile aufgezählt, die sich hauptsächlich mit dem Begriff "Pensionär" verbinden. Allein der Unterschied zwischen Rentnern und Pensionären böte Stoff für jede Menge Glossen. Der Schreiber einer Glosse trägt eine Narrenbrille und sein Leser muss sich die Mühe machen, auch das zu lesen, was zwischen den Zeilen steht. LuMen, Du wirst noch auf direktem Weg von mir hören.
Weiterhin viel Spaß beim Schreiben und Lesen! -Bernhard-
 



 
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