Rettender Engel

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flammarion

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Rettender Engel

Jeremia lag am Rande des Hochplateaus und sah dem Römischen Heere zu, wie es durch die Ebene zog. „Hoffentlich wenden sie sich nach links zur Hafenstadt“, dachte er. „Wenn sie sich nach rechts wenden, werden sie sich über das Anwesen meines Vaters hermachen. Sie werden alles aufessen und immer noch hungrig sein, denn so viele Mäuler kann ein Hof nicht stopfen.“
Gerade wollte er seine Augen gen Himmel richten und zum Herrgott beten, als er sah, dass sich einige Felsbrocken von der Steilwand gelöst hatten und mit Getöse auf die Söldner niederprasselten. Entsetzt sprang er auf und raufte sich die Haare.
Da sahen die Römer ihn. Sie vermuteten , dass er die Steine geworfen habe und nahmen die Verfolgung auf.
So schnell er konnte, lief Jeremia nach Hause. Er berichtete, was er gesehen hatte und die Familie packte ihre Habseligkeiten und rüstete sich zur Flucht. Da eilten die Knechte und Mägde herbei und berichteten, dass der Weg zum rettenden Wald bereits abgeschnitten sei. So blieb nur der Weg zum Meer. Der Vater hoffte, dort irgendein Schiff zu finden, welches ihnen die Überfahrt ermöglicht. Geld hatte er genügend bei sich, seine gesamte Barschaft.
Alle liefen mit leichtem Gepäck und trieben die Kühe, Pferde und Hühner vor sich her. Die Schafherde war zu groß, so sagte Jeremia zu ihnen: „Ihr habt die Wahl. Entweder, ihr folgt uns, oder ihr werdet von den Römern geschlachtet.“ Blökend und einander stoßend folgte die Herde. Und was blökten die Tiere? „Wir haben die Wahl. Das will bedacht sein. Wenn wir wählen können, dann müssen wir nicht diesen Menschen folgen, auch sie werden uns schlachten. Aber die Römer würden uns heute schon töten. Also folgen wir unseren Herren.“
Sie gelangten ans Ufer. Weit und breit war kein Schiff zu sehen. Da fielen alle auf die Knie und beteten flehend um Gottes Gnade. Das sah und hörte der Erzengel, den der Herr gesandt hatte, die Römer im Auge zu behalten, damit seinem Volk nicht allzu großes Unheil widerfährt. Er fuhr nieder zur Erde, offenbarte sich den Menschen und wies sie an, über das Wasser zu gehen, der Herr wird seine Hand schützend unter sie halten.
So geschah es. Die Menschen gingen über das Wasser und die Tiere schwammen. Die Hühner aber hatten sich auf die Menschen gesetzt, denn sie waren sehr wasserscheu. Die Tauben flogen über ihnen her und die Schafe trauten sich nicht ins Wasser hinein. Der Erzengel sprach zu ihnen: „Ihr habt die Wahl. Entweder ihr vertraut auf den Herrn oder die Römer werden euch schlachten.“
„Wieder eine Wahl“, blökten die Tiere, gingen dann jedoch zögernd in die Wellen hinein. Es freute sie sehr, dass das Wasser nicht durch die Wolle drang, denn dann hätte sie das Gewicht derselben sehr schnell hinunter gezogen.
Die Römer kamen an das Ufer und glaubten, die Juden wanderten auf einer Landzunge. So setzten sie ihnen nach, erkannten aber schnell ihren Irrtum und mussten die Verfolgung aufgeben.
Das Meer aber war weit und die Tiere ermatteten. Die Menschen erlangten Kraft durch Gott und der Erzengel betete: „Herr, erbarme dich der Kreaturen, denn sie sind nicht so stark wie die Menschen.“
Nach und nach versanken die Tiere in der Flut. Aus den Pferden wurden Seepferdchen, die Kühe wurden Seekühe, der Hund ein Seehund und die Schafe – die wurden zu einem Wal.
Die Menschen aber gelangten wohlbehalten ans andere Ufer und gründeten eine neue Existenz. Ihre Nachfahren stehen noch heute in Treue zu Gott.
 



 
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