Rinderroulade und Rotkohl

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Ann-Britt

Mitglied
Rinderroulade mit Rotkohl

Es war Sonntagvormittag und sie stand in der Küche am Herd, wie immer angespannt vor Sorge, dass es ihr wieder nicht gelingen könnte, das Essen so zu kochen, dass ihr Ehemann zufrieden war.
Dabei hatte sie diese Aufgabe immer als ihre heilige Pflicht angesehen, denn er arbeitete, brachte das Geld nach Hause, von dem sie sorgenfrei lebte, und sie hatte nur den Haushalt. Nur. Immer nur.
Sie war, als er sie seinen Eltern vorstellte, nur eine Sekretärin gewesen.

Nur. Und dann nur Hausfrau, weil er es so wollte. Das ging ihr durch den Kopf, während sie den Rotkohl abschmeckte und überlegte, ob sie eine Nelke zuviel auf die Zwiebel gesteckt hatte. Für ihr Empfinden war der Rotkohl lecker, aber sie wusste, dass ihr Mann gequält den Blick zur Zimmerdecke heben würde, um dann in sein Schicksal ergeben zu murmeln: „Du brauchst doch nur so zu kochen, dass es wie bei meiner Mutter schmeckt. Sie hat dir doch oft genug erklärt, wie sie das gemacht hatte.“ Die war auch nur Hausfrau gewesen. Das war aber ganz was anderes.

Nur. Sie rührte die Rouladensauce um. War sie zu dick, zu dünn? Schmecken tat sie ausgezeichnet und von der Konsistenz her war sie fast cremig, vermutlich nur ein bisschen zu cremig. Ein kleiner Schuss Wasser würde helfen und am Geschmack der Rouladen konnte sie jetzt sowieso nichts mehr ändern. Ihre Hände zitterten, als sie den Tisch deckte, mit dem guten Geschirr seiner Mutter. Die war vor einem Jahr gestorben und sie hatte deren schwere Töpfe übernommen, weil sie gehofft hatte, ihre Bemühungen wären dann von mehr Erfolg gekrönt. Es hätte ja sein können, dass es nur an den Töpfen gelegen hatte. Sie füllte alle Schüsseln mit heißem Wasser, damit sie vorgewärmt waren, wenn sie sich zu Tisch setzten. Dann probierte sie noch einmal die Sauce, überlegte, ob sie es wagen sollte, von einer Roulade ein Stückchen abzuschneiden, ließ es sein, denn sie hätte doch nichts mehr ändern können. Jetzt fehlte nur noch ihr Ehemann.

Nur. Er kam vom Frühschoppen, eilte ins Esszimmer, rieb sich die Hände und setzte sich voller Erwartung an den Tisch: „Na, dann wollen wir mal!“
Sie brachte die Schüsseln mit dem Rotkohl und den Kartoffeln herein, ging zurück in die Küche, rührte die Sauce um, weil sich da eine Haut gebildet hatte, und servierte auch die Rouladen auf einem kleinen Bratentellerchen. Er füllte sich auf, eine gehörige Portion, und während sie sich etwas auf ihren Teller tat, dachte sie, wie man nur so dick werden konnte, wenn das Essen nicht schmeckte. Und da war er, der himmelwärts gedrehte Blick und dieser Satz: „Mein Gott, dieser Rotkohl, wieder zu viel Zimt und ohne Lorbeerblatt. Und in der Roulade zu wenig Gurke. Wenn du dir doch nur etwas mehr Mühe geben könntest...“
Sie stand auf, ging in die Küche, nahm die gusseiserne Kasserolle vom Herd, und während sie zurück ins Esszimmer lief, holte sie aus und schlug sie ihrem Ehemann auf den Scheitel. Dann stand sie nur noch da und starrte ihn an und als sie merkte, wie seine Augen brachen, stellte sie den Topf auf das weiße Tischtuch, stemmte die Hände in die Hüften und sagte mit fester Stimme: „ So, jetzt kannst du deine Mutter in der Hölle besuchen und mit ihr über die richtige Art der Rouladenzubereitung diskutieren.“
 
D

Dominik Klama

Gast
Ja, ja, die Frauen müssen ständig dermaßen leiden unter den Männern. Aber zum Glück hat es jetzt eine mal ausgesprochen.
 

Rudolph

Mitglied
Hallo, Ann-Britt,

du hast die Geschichte ganz nett erzählt. Für mich kommt gut heraus, wie "sie" darunter litt, dass sie nur Hausfrau sein durfte, und dass "er" mit ihren Kochkünsten nie zufrieden war und ständig den Vergleich mit seiner Mutter zog.
Ich habe vom Anfang an gewusst, dass sie ihm was antun wird. Da fehlt mir für eine interessante Geschichte der Überraschungseffekt. Was dann am Ende passierte, war weder Totschlag im Affekt noch vorsätzlicher Mord, also nicht Fisch noch Fleisch. Sie hat doch sein Verhalten, die Kritik an ihrem Essen, schon die ganze Zeit gekannt. Warum holt sie dann plötzlich die Pfanne? Hatte sie vorher schon mit dem Gedanken gespielt, einmal zuzuschlagen? Du erzählst es nicht.
Die Reaktion nach dem Totschlag ist auch sehr unrealistisch. Der zornige Ausspruch " So, jetzt kannst du deine Mutter in der Hölle besuchen und mit ihr über die richtige Art der Rouladenzubereitung diskutieren." kommt zu spät. Es wäre besser, wenn sie das sagt, während sie zuschlägt.
Was üblicherweise nach einer solchen Tat kommt, wenn die Spannung plötzlich weg ist, ist das Entsetzen und die Panik. Davon erfahren wir nichts, nicht einmal andeutungsweise. Befriedigung über die vollbrachte Tat gibt es nur bei vorsätzlichem Mord. Das war es aber nicht, wie du den Ablauf der Geschehnisse schilderst. Vielleicht magst du den Schluss noch einmal überarbeiten und um ein unvorhergesehenes Ereignis erweitern, welches das Fass dann zum Überlaufen bringt.

Das soll keine vernichtende Kritik sein, sondern dir zeigen, was ich als Leser empfunden habe, und eine Anregung sein, was du anders machen könntest, damit die Geschichte besser ankommt.
 

Ann-Britt

Mitglied
Hallo Rudolph!
Vielen Dank für Deine Rückmeldung.
Ich kann alles nachvollziehen, was Du schreibst.
Aber was die Frau macht, ist nicht logisch, so wie im richtigen Leben eine derartige Handlung genau so ablaufen könnte, ohne Logik, wobei in solchen Situationen ein Funken genügt, der die Lunte zündet.
Aber ich hätte den Ehemann noch mit Rotkohl garnieren sollen...
Ann-Britt
 

jon

Mitglied
Teammitglied
"so wie im richtigen Leben eine derartige Handlung genau so ablaufen könnte,"
Das eben nicht. Zumindest der Schluss nicht - das ist, denke ich, der Knackpunkt, auf den Rudolphs Kritik hinaus läuft. Entweder es geschieht im völligen Affekt, dann steht sie wie beschrieben da und muss erstmal realisieren, was sie da getan hat – dann ist aber der nachgeschobene Kommentar unglaubhaft. Oder es geschieht quasi als "spontane Umsetzung lange schon durchgespielter Szenarien des sich Wehrens" – dann wundert sie sich nicht; und sie wartet auch nicht, bis der Kerl tot ist, ehe sie ihm diesem giftigen Kommentar mitgibt, denn Teil des Wehrens ist es ja, ihm endlich mal die Meinung zu sagen.
 

Ann-Britt

Mitglied
Ihr geht davon aus, dass im richtigen Leben alles nach einem Schema läuft, das ist aber nicht so. Es gibt Dinge, die realistisch und logisch sein müssen, da gebe ich euch recht. Eine unvorhersehbare Reaktion, ein plötzlicher "Black out", ein Ausbruch von Emotionen sind aber möglich, leider oder zum Glück. Es ist ja häufig nur der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Ihr geht davon aus, dass im richtigen Leben alles nach einem Schema läuft, …
Das ist eine echt kühne Vermutung von dir. Ich verstehe ja, dass dir das das Abschmettern der Kritik vereinfacht, aber es trifft – zumindest was mich angeht – nicht zu.

Es ist einer der allergrößten Irrtümer, denen Autoren erliegen: Was "im wirklichen Leben" tatsächlich passiert, ist nicht automatisch geeignet für Geschichten. (Das betrifft den reinen Plot ebenso wie die Art, wie erzählt wird.) Das Schlüsselwort ist Glaubhaftigkeit – und dieses Ende hier (das Ende! Nicht der Akt der Tötung oder wie es dazu kommt!) ist schlichtweg so nicht glaubhaft.

Das Starren z. B. ist völlig unmotiviert. Es beginnt direkt nach dem Schlag (noch vor dem Topfabstellen), das klingt wie "sie muss erstmal realisieren, was passiert ist", dann aber klingt es, als würde sie nur abwarten, dass der Tod eintritt. Wo und wie hat sich der Charakter des Starren so gravierend geändert? Zeig das! Lass sie was fühlen, was denken!

Und: Sie war immer so verhuscht, dass sie sich nie wehrte (zumindest ist im Text keine Rede davon). Und plötzlich nimmt sie eine so resolute Haltung wie das Arme-in-die Hüfte-Stemmen (eine typische "Herr(in) im Haus"-Geste) ein? Woher dieser radikale Charakterwandel?
 
Ich habe diese Geschichte gelesen, weil sie mir im Gegensatz zu einigen anderen vom Titel her nicht wie ein Thriller erschien. Ich mag lieber Krimis als Thriller.

Die Geschichte ist sehr, sehr ausbaufähig. Im Moment ist das nur eine Idee, eine hingeworfene Szene. Aber es ist so viel mehr enthalten. Es würde sich lohnen, die Geschichte richtig auszuarbeiten, Ann-Britt. Ich finde die Geschichte absolut realistisch und logisch, wie im richtigen Leben.

Eine Frau, die wirklich ernsthaft an ihrem Beruf als Sekretärin gehangen hat, würde sich niemals von so einem dominanten Ehemann dazu überreden lassen, ihren Beruf aufzugeben. Warum also hat sie ihren Beruf aufgegeben? Weil es für sie nur ein Übergangsmodell bis zur Heirat war?

Es wäre also interessant, den Charakter der Figur näher zu erforschen. Was für ein Mensch ist sie? Wie hat sie gelebt, bevor sie ihren Ehemann kennenlernte? War sie immer schon so ein verhuschtes, gehorsames Mäuschen, das keinen eigenen Willen hat? Oder ist etwas in ihrem Leben passiert, so dass sie sich nichts mehr zutraut?

Und aus jeder dieser Fragen ergeben sich die nächsten. Ich würde diese Frau wirklich gern kennenlernen in Deinem Text. Im Moment ist sie nur ein zweidimensionales Abziehbild, ein Klischee (womit ich nichts gegen Klischees gesagt haben will, die sind manchmal äußerst zutreffend). Aber sie könnte eine richtige Person werden, deren Leiden und vielleicht auch Freuden man spürt. Im Moment leide ich nicht mit ihr, weil das alles viel zu kurz ist.
 

Ann-Britt

Mitglied
Hallo Rechtschreibfetischistin,
vielen Dank, das ist ja eine sehr konstruktive Kritik, mir ist das gar nicht so präsent gewesen, dass man da noch etwas herausholen könnte. Ich werde mal darüber nachdenken!
Nochmals herzlichen Dank!
Ann-Britt
 



 
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