Röntgenstrahlen
„Sind Sie schon einmal geröntgt worden, in den letzten Jahren?“
Die Frage des Arztes traf Richard K., den kleinen technischen Angestellten in der großen Verwaltung, wie ein Blitz aus heiterem Himmel.
Nicht, dass er auf eine solche Frage nicht gefasst war; er musste damit rechnen, dass ihm der Orthopäde, den er wegen seiner starken Rückenschmerzen aufgesucht hatte, diese Frage stellen würde, ja müsste.
Nein, es lag etwas anderes in dieser auf den ersten Blick so stinknormalen, fast banalen Frage, was ihn beschäftigte, und er kam zu der Erkenntnis, dass er zeitlebens noch nie darüber nachgedacht hatte.
Richard galt als ein Mann, der allem Wissenschaftlichen gegenüber sehr aufgeschlossen stand, als ein Mensch, der nach Höherem strebte und doch Realist genug war, zu erkennen, dass er es über seinen derzeitigen Status niemals hinausbringen würde, wenn nicht ein Wunder geschähe, doch alles in allem war er damit nicht unzufrieden.
Es beschäftigte ihn schon sehr, dass ihn etwas an der Frage des Arztes beschäftigte, und er beschloss, dem auf den Grund zu gehen und nach einigen Minuten angestrengten Denkens gelangte er auf dem Grund der Erkenntnis an.
Es war das Verb in der Frage, dieses Zeitwort in der Form des Partizip Perfekt, dieses sogenannte Mittelwort der Vergangenheit: ‚Geröntgt!‘
Das Verfahren, das Innerste eines menschlichen Körpers sichtbar zu machen, welches von seinem Erfinder, dem Arzt und Wissenschaftler Konrad Röntgen abgeleitet wurde, stand Pate für diesen Ausdruck.
Man nannte die Methode nicht strahlen, sichtbar machen oder etwa transparentisieren, nein, sie hieß schlichtweg röntgen, durch die einfache Umwandlung eines Nomens in ein Verb.
Was könnte einem menschlichen Wesen auf diesem Erdenrund Höheres widerfahren, dachte Richard fasziniert, als dass man seinen Namen zum Verb umwandelt, um auf diese Weise seiner wissenschaftlichen Großtat zu huldigen.
Nun gut, mögen Kritiker einwenden, im Bereich der Wissenschaften gibt es seit Urzeiten zahlreiche Beispiele, bei denen die Namen großer Geister direkt in Verbindung mit deren Kreationen gebracht wurden, sei es beim Platonschen Idealstaat oder den Mendellschen Gesetzen, um nur einige zu nennen.
Darüber hinaus wird noch heutzutage gegenüber anderen Geistesgrößen die Wertschätzung zum Ausdruck gebracht, indem sich deren Anhänger, vor allem auf dem Gebiet der Philosophie, nach dem Namen des jeweils verehrten Genie nennen und ein einfaches -ianer anhängen, wie beispielsweise die Hegel- oder die Kantianer.
Gottlob, schoss es Richard hierbei durch den Kopf, dass es noch keinen großen Denker mit dem Namen Indi gibt.
Aber gab es denn, stellte er sich erneut die Frage, etwas Vergleichbares, zumal in der deutschen Sprache, der dem Ausdruck ‚röntgen oder geröntgt‘ gleichzusetzen wäre?
Etwa ‚geeinsteint‘?
Nein, selbst der Name dieses großen Naturwissenschaftlers, den viele Zeitgenossen heute für den Größten aller Zeiten halten, kann eine solche Namensgebung nicht aufweisen; dafür hat er halt seine berühmte Formel.
Oder gar ‚versauerbrucht‘?
Auch dieses Wortspiel konnte bei ihm keine Euphorie aufkommen lassen.
Als Richard K. am Nachmittag des nächsten Tages das Büro seines Vorgesetzten verließ, in gebückter Haltung und mit hochrotem Kopf, lief ihm der Kollege N. über den Weg.
„Na, Herr Kanzel, wieder mal abgekanzelt worden, vom Chef?“
Diese Frage traf Richard wie ein Röntgenstrahl!
Zu seiner außerordentlichen Genugtuung existierte ein Verfahren, welches nach ihm, Richard Kanzel, abgeleitet und benannt worden war.
Auf einmal fühlte er sich den naturwissenschaftlichen Größen, allen voran Konrad Röntgen, ganz nah.
„Sind Sie schon einmal geröntgt worden, in den letzten Jahren?“
Die Frage des Arztes traf Richard K., den kleinen technischen Angestellten in der großen Verwaltung, wie ein Blitz aus heiterem Himmel.
Nicht, dass er auf eine solche Frage nicht gefasst war; er musste damit rechnen, dass ihm der Orthopäde, den er wegen seiner starken Rückenschmerzen aufgesucht hatte, diese Frage stellen würde, ja müsste.
Nein, es lag etwas anderes in dieser auf den ersten Blick so stinknormalen, fast banalen Frage, was ihn beschäftigte, und er kam zu der Erkenntnis, dass er zeitlebens noch nie darüber nachgedacht hatte.
Richard galt als ein Mann, der allem Wissenschaftlichen gegenüber sehr aufgeschlossen stand, als ein Mensch, der nach Höherem strebte und doch Realist genug war, zu erkennen, dass er es über seinen derzeitigen Status niemals hinausbringen würde, wenn nicht ein Wunder geschähe, doch alles in allem war er damit nicht unzufrieden.
Es beschäftigte ihn schon sehr, dass ihn etwas an der Frage des Arztes beschäftigte, und er beschloss, dem auf den Grund zu gehen und nach einigen Minuten angestrengten Denkens gelangte er auf dem Grund der Erkenntnis an.
Es war das Verb in der Frage, dieses Zeitwort in der Form des Partizip Perfekt, dieses sogenannte Mittelwort der Vergangenheit: ‚Geröntgt!‘
Das Verfahren, das Innerste eines menschlichen Körpers sichtbar zu machen, welches von seinem Erfinder, dem Arzt und Wissenschaftler Konrad Röntgen abgeleitet wurde, stand Pate für diesen Ausdruck.
Man nannte die Methode nicht strahlen, sichtbar machen oder etwa transparentisieren, nein, sie hieß schlichtweg röntgen, durch die einfache Umwandlung eines Nomens in ein Verb.
Was könnte einem menschlichen Wesen auf diesem Erdenrund Höheres widerfahren, dachte Richard fasziniert, als dass man seinen Namen zum Verb umwandelt, um auf diese Weise seiner wissenschaftlichen Großtat zu huldigen.
Nun gut, mögen Kritiker einwenden, im Bereich der Wissenschaften gibt es seit Urzeiten zahlreiche Beispiele, bei denen die Namen großer Geister direkt in Verbindung mit deren Kreationen gebracht wurden, sei es beim Platonschen Idealstaat oder den Mendellschen Gesetzen, um nur einige zu nennen.
Darüber hinaus wird noch heutzutage gegenüber anderen Geistesgrößen die Wertschätzung zum Ausdruck gebracht, indem sich deren Anhänger, vor allem auf dem Gebiet der Philosophie, nach dem Namen des jeweils verehrten Genie nennen und ein einfaches -ianer anhängen, wie beispielsweise die Hegel- oder die Kantianer.
Gottlob, schoss es Richard hierbei durch den Kopf, dass es noch keinen großen Denker mit dem Namen Indi gibt.
Aber gab es denn, stellte er sich erneut die Frage, etwas Vergleichbares, zumal in der deutschen Sprache, der dem Ausdruck ‚röntgen oder geröntgt‘ gleichzusetzen wäre?
Etwa ‚geeinsteint‘?
Nein, selbst der Name dieses großen Naturwissenschaftlers, den viele Zeitgenossen heute für den Größten aller Zeiten halten, kann eine solche Namensgebung nicht aufweisen; dafür hat er halt seine berühmte Formel.
Oder gar ‚versauerbrucht‘?
Auch dieses Wortspiel konnte bei ihm keine Euphorie aufkommen lassen.
Als Richard K. am Nachmittag des nächsten Tages das Büro seines Vorgesetzten verließ, in gebückter Haltung und mit hochrotem Kopf, lief ihm der Kollege N. über den Weg.
„Na, Herr Kanzel, wieder mal abgekanzelt worden, vom Chef?“
Diese Frage traf Richard wie ein Röntgenstrahl!
Zu seiner außerordentlichen Genugtuung existierte ein Verfahren, welches nach ihm, Richard Kanzel, abgeleitet und benannt worden war.
Auf einmal fühlte er sich den naturwissenschaftlichen Größen, allen voran Konrad Röntgen, ganz nah.