Rosen - eine Momentaufnahme

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Pola Lilith

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ROSEN


Er war aus ihr gegangen; wann es passierte, interessiert nicht wirklich, keine Zeit läßt sich zurückdrehen.

Die Blätter der Rosen glänzten in der Sonne; dabei trat das Rankgerüst dezent in den Hintergrund wie auch das Hufeisen, das an ihm hing und kein Glück gebracht hatte. Farblos wurden die weißen Blüten von der Sonne verschlungen – so farblos wie sich das Leben in Anne von selbst verzehrte, seitdem er weg war.
Sie betrachtete ihr Werk, das halbrunde Rosenprofil, mit Freude. Aber dafür hatte sie es nicht angelegt. Nicht dafür versuchte sie, dem Haus Ordnung anzugewöhnen, es „heimelig“ zu machen. Anne tat es, um Jan zu halten, um ihrer Liebe ein Abbild zu geben, ihr den Wert zu verleihen, der sonst nicht erkannt wurde.
Das war nun vorüber. Die Ernte konnte nicht eingetragen werden; ein Hagelsturm war über sie hinweggefegt und sie mußte geschlafen haben. Oder hatte sie einfach nicht sehen wollen ?
Heuer gab es weniger Rosen als das Jahr zuvor. Es hatte viel geregnet und extreme Temparaturstürze gegeben. Aber ihm fiel nur auf, wenn etwas Eßbares weniger wurde. Wie die Zwetschgen dieses Jahr. Und was sie an Quitten einholen würde und ob dies überhaupt noch geschehen sollte, das blieb in den Sternen.
Sie erinnerte sich nicht, wann sie das letzte Mal einen Sternenhimmel betrachtet hatten. Ein Sternenhimmel ist für die Liebenden, die Hoffenden. Für die Einsamen wird dieser zur Furie.

Heute früh hatte Anne nur eine einzige verblühte Rose abgeschnitten; es gab ja nicht viele; vielleicht verbargen sie sich nur vor ihrem Blick oder sie konnte die verblühten von den Knospen gar nicht mehr unterscheiden; das war ihr schon ein paarmal durch den Kopf gefahren, als sie mit der Gartenschere vor der Rosenwand stand und zögerte, einhielt und schließlich abließ. Denn Anne wollte weder einer Knospe etwas antun noch der Nacktschnecke, die sie gestern auf der Terrasse ihre Schleimspur fortsetzen ließ, als sie diese für das Liebes- und Erfolgsnest, das sie beide vor Jahren eröffnet hatten, säuberte.

Jan sollte heute zurückkommen. Und sie wußte, er kam nicht zurück. Offiziell ging und kam er wieder, war da, wenn sie ihn brauchte für das organisatorische Schmuckwerk eines davoneilenden Lebens. Aber sie spürte, daß er irgendwo dazwischen stehen geblieben war, schließlich ging es ihr nicht anders. Die größte Gefahr ist nicht der Hagelsturm, die größte Gefahr für das Gedeihen ist, die Lieblosigkeit nicht zu erkennen, in welcher man dem Anderen entzieht, was er benötigt.

Rosen sollten für sich stehen. So hatte sie, mit dicken Handschuhen bewappnet, den Mirabellenbaum von den sich verästelnden Rosen befreit und die Zweige in mühevoller Kleinarbeit nach ihrem Willen zu einer romantischen Wand geformt. Vielleicht würden sich nun die bis dahin verborgenen Knospen öffnen und neue Rosen gebähren. Aber dies würde nichts ändern an den Verletzungen, welche die Lieblosigkeit den Gelähmten zugefügt hat.

„Wie geht es dir“? Wie geht es dir! Schau Jan, die Rosen. Aber er sieht ihr Werk nicht in der Absicht, die ihn auf die Terrasse geführt hatte. – Das wirkliche Leben ist pragmatisch, darin spielen Rosen, Sternenhimmel und der Verlust von Liebe nur eine untergeordnete Rolle. – Wer sagt das? –

Sie gab keine Antwort auf eine Frage, die nicht gestellt wurde. Und er stolperte wieder in’s Haus zurück, und sie nahm ihre Schere und kappte eine Knospe nach der anderen, die sich nun ganz deutlich auch als solche zu erkennen gaben – dem Strom des Lebens und der Gerechtigkeit wegen.

August 2009
 
hallo pola lilith!

das hegen der rosen als sinnbild für den versuch, die liebe gedeihen zu lassen bzw. am leben zu erhalten, empfinde ich als schöne idee! gut ist auch die symbolik - knospen, blühen, welken - wenngleich auch nicht durchgehend klar umgesetzt.

einige anmerkungen und vorschläge:
Er war aus ihr gegangen[blue]. W[/blue]ann es passierte, interessiert nicht [blue](wirklich) mehr[/blue] [blue]- die[/blue] Zeit läßt sich [blue]nicht[/blue] zurückdrehen.
Die Blätter der Rosen glänzten in der Sonne [blue]und verschleierten den Blick[/blue] auf das Rankgerüst [blue]und[/blue] das Hufeisen, das [blue]daran[/blue] hing und kein Glück gebracht hatte. [blue](Farblos wurden die weißen Blüten von der Sonne verschlungen – so farblos wie sich das Leben in Anne von selbst verzehrte, seitdem er weg war.)[/blue]
das klingt etwas hölzern. der vergleich wirkt sehr konstruiert.
Sie betrachtete ihr Werk, das halbrunde Rosenprofil, mit Freude. Aber dafür hatte sie es nicht angelegt. Nicht dafür versuchte sie, dem Haus Ordnung anzugewöhnen, es „heimelig“ zu machen. [blue]Anne tat es, um Jan zu halten, um ihrer Liebe ein Abbild zu geben, ihr den Wert zu verleihen, der sonst nicht erkannt wurde[/blue].
jan wird doch nicht durch die rosen bei ihr gehalten. eher verstehe ich es als ihre erinnerung an, als ihre gedankliche fixierung auf ihn. es wird nicht ganz deutlich.
was genau du mit dem wert, der nicht erkannt wurde, sagen willst, verstehe ich nicht.
Das war nun vorüber. Die Ernte konnte nicht eingetragen werden; ein Hagelsturm war über sie hinweggefegt und sie mußte geschlafen haben. Oder hatte sie einfach nicht sehen wollen ?
Heuer gab es weniger Rosen als das Jahr zuvor. Es hatte viel geregnet und extreme Temp[blue]e[/blue]raturstürze gegeben. Aber ihm fiel nur auf, wenn etwas Eßbares weniger wurde. Wie die Zwetschgen dieses Jahr. Und was sie an Quitten einholen würde und ob dies überhaupt noch geschehen sollte, das blieb in den Sternen.
wahrscheinlich möchtest du hier die unbillen des wetters sowohl auf die realen pflanzen als auch auf das pflänzchen liebe anwenden. allerdings gestaltet sich die passage ein wenig verworren.
wie z.b. sollte sie einen hagelsturm verschlafen können, der über sie hinwegfegt? ...
Sie erinnerte sich nicht, wann sie das letzte Mal einen Sternenhimmel betrachtet hatten. Ein Sternenhimmel ist für die Liebenden, die Hoffenden. Für die Einsamen wird dieser zur [blue]Furie[/blue].
"furie" ist für mich etwas tobendes, lautes - kein sehr glückliches bild bei der beschreibung eines sternenhimmels. vielleicht lieber "bodenloser abgrund" oder etwas in der art.
Heute früh hatte Anne nur eine einzige verblühte Rose abgeschnitten; es gab ja nicht viele[blue]. V[/blue]ielleicht verbargen sie sich nur vor ihrem Blick oder sie konnte die verblühten von den Knospen gar nicht mehr unterscheiden[blue]. D[/blue]as war ihr schon ein paarmal durch den Kopf [blue](gefahren) gegangen[/blue], als sie mit der Gartenschere vor der Rosenwand stand und zögerte, einhielt und schließlich abließ. Denn Anne wollte [strike]weder[/strike] [blue]k[/blue]einer Knospe etwas antun[blue].[/blue] [strike]noch der Nacktschnecke, die sie gestern auf der Terrasse ihre Schleimspur fortsetzen ließ, als sie diese für das Liebes- und Erfolgsnest, das sie beide vor Jahren eröffnet hatten, säuberte.[/strike]
den teil mit der nacktschnecke halte ich für unnötig. warum noch ein weiteres symbol ins spiel bringen? die rosen (und all das obst ;)) genügen. denke ich.
Jan sollte heute zurückkommen. Und sie wußte, [blue](er kam nicht zurück) sie würde umsonst warten[/blue]. Offiziell ging und kam er wieder, war da, wenn sie ihn brauchte für das organisatorische Schmuckwerk eines davoneilenden Lebens. Aber sie spürte, daß er irgendwo dazwischen stehen geblieben war, schließlich ging es ihr nicht anders. [blue]Die größte Gefahr ist nicht der Hagelsturm, die größte Gefahr für das Gedeihen ist, die Lieblosigkeit nicht zu erkennen, in welcher man dem Anderen entzieht, was er benötigt.[/blue]
vielleicht könntest du diesen letzten satz noch ein wenig kürzen? die aussage ist gut, aber er liest sich nicht flüssig.
Rosen sollten für sich stehen. So hatte sie, mit dicken Handschuhen [blue]g[/blue]ewappnet, den Mirabellenbaum von den sich verästelnden Rosen befreit und die Zweige in mühevoller Kleinarbeit nach ihrem Willen zu einer romantischen Wand geformt. Vielleicht würden sich nun die bis dahin verborgenen Knospen öffnen und neue Rosen gebä[strike]h[/strike]ren. Aber dies würde nichts ändern an den Verletzungen, welche die Lieblosigkeit den Gelähmten zugefügt hat.
spätestens hier finde ich das bild ein bisschen schief: sollte die liebe nicht eher wachsen und wachsen und wachsen, bis sie schließlich alles überwuchert? wenn sie immer die rosentriebe kappt, beschneidet sie sich doch letztlich selbst. oder erträgt sie einfach nicht mehr als klar begrenzte liebe? auch das wäre nachvollziehbar. dann jedoch sollte sie den untergang ihrer liebe vor allem sich selbst vorwerfen...
vielleicht könntest du deine intention hierbei noch ein wenig erläutern. mag sein, dass ich es falsch verstehe.
„Wie geht es dir[blue]?“[/blue] Wie geht es dir! Schau Jan, die Rosen. Aber er [blue]hat keine Augen für ihr Werk [/blue]– Das wirkliche Leben ist pragmatisch, darin spielen Rosen, Sternenhimmel und der Verlust von Liebe nur eine untergeordnete Rolle. – Wer sagt das? –
eine tagtraumsequenz? dann vielleicht anstelle des abschließenden "wer sagt das?" so etwas wie: Nein, er wird heute nicht kommen...
[strike]Sie gab keine Antwort auf eine Frage, die nicht gestellt wurde. Und er stolperte wieder in’s Haus zurück, und[/strike] [blue]S[/blue]ie nahm ihre Schere und kappte eine Knospe nach der anderen, die sich nun ganz deutlich auch als solche zu erkennen gaben – dem Strom des Lebens und der Gerechtigkeit wegen.
so gefiele mir das ende besser.

so, ich hoffe, ein paar meiner bemerkungen sind nützlich.
frohes schaffen auch weiterhin!

lg C.
 

Pola Lilith

Mitglied
Da hast du mir aber Arbeit gegeben...!

lieber Christian !

Zuerst einmal danke für deine konstruktive Kritik, auf die ich jetzt direkt Absatz für Absatz antworten möchte. Anmerken möchte ich jedoch, daß dieser Text nicht von mir überarbeitet wurde d.h. ich habe ihn direkt von der Kladde i.d. PC getippt, vielleicht 2,3 durchgelesen und dann i.d. PC getippt. So ist es also gut, wenn dann so viel auf einmal auf mich zukommt.

Das "wann" spielt nicht unbedingt eine Rolle, wenn man "fatalistisch" mit der Zeit umgeht - deshalb ist m.E. das "nicht mehr" auch nicht notwendig.

Mit dem Leben, das sich "in Anne verzehrt" - da hast du recht, das hat mir auch nicht gefallen - das muß geändert werden !

Ja, es ist eine gedankliche Fixierung "auf ihn" - was einem selbst viel bedeutet, muß nicht unbedingt auch dem anderen viel bedeuten.

Dem Wert der Liebe stehen in diesem Falle andere Werte gegenüber, die an Bedeutung zugenommen haben und vielleicht den Wert der Liebe überhaupt dadurch in Frage stellen (leider)

Mit der Ernte, über die ein Hagelsturm hinweggefegt sein mußte, sind nicht die Pflanzen gemeint, sondern das Bemühen um die Beziehung und die Existenz. Aber du hast recht, das kommt hier wohl nicht so klar raus.

Vielleicht besänftigt der Blick in den Sternenhimmel immer (auch das Toben in einem) - vielleicht hast du recht, ich bin mir da aber nicht so sicher.

Die Nacktschnecke kann ich getrost weglassen !

Ja, der Satz mit der Lieblosigkeit könnte gekürzt werden.

Es ist nicht alles Synonym. Ich habe tatsächlich den Mirabellenbaum von den Rosen befreit bzw. umgekehrt i.d. Hoffnung, die Rosen würden dann besser erblühen. Ich wollte etwas Neues schaffen, das den Blick auf sich zieht. - Ich habe diese Momentaufnahme kurz nach dieser Gartenarbeit geschrieben und dann kamen erst die anderen Gedanken dazu bzw. habe ich mein Tun dann etwas analysiert.

"Wer sagt das " bleibt, denn es ist ein Hinterfragen, gleich von wem.

Das sie keine Antwort auf eine Frage gab, die nicht gestellt wurde, bleibt stehen - es ist eben das nicht hinterfragen.

Das Stolpern ist hier wichtig - Synonym für Hilflosigkeit.

Der Text bleibt nun wie meine sonstigen Texte erst mal eine Weile liegen. In der anschließenden Überarbeitung sind Deine Kommentare sicher weiter hilfreich - schau'n wir mal, ob ich dran denke, ihn dann wieder hier reinzustellen.

Liebe Grüße aus dem bayerischen Voralpenland nach Berlin

Pola
 



 
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