Rosengarten

Lomil

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Rosengarten


Rosen waren gute Zuhörerinnen. Lautlos konnte Sally stundenlang, all die bedeutenden und unbedeutenden Kümmernisse erörtern, die sie bedrängten. Unbewusst hatte sie an wichtigen Ereignissen ihres Lebens einen Rosenstock gepflanzt. Entweder bestimmte die Jahreszeit oder Züchtung den Zeitpunkt der Pflanzung. Rückblickend erkannte Sally, dass weder Sorte, noch Frühjahrs oder Herbstbepflanzung zufällig waren.

Den ersten Rosenstock bekam Sally anlässlich ihrer Hochzeit mit Chris von Freunden geschenkt. Eine Kletterrose "Gruß aus Heidelberg", Anspielung an ihre gemeinsame Studienzeit in Heidelberg. Ohne viel über Rosen zu wissen, hatte Sally ihnen instinktiv den richtigen Platz zugedacht. Am Ende des total verwilderten Gartens, an der hässlichen Mauer, die ihr Grundstück von dem des Nachbarn trennte. Die Mauer war nicht mehr zu sehen. "Gruß aus Heidelberg" hatte sie mit ihren blutroten Blüten überwuchert.

Sallys Lieblinsplatz im Garten war die Bank unter dem verknöcherten Birnenbaum. Unmittelbar daneben hatte sie die Kletterrose "Elfe " gepflanzt, die Stamm und Äste als Rankhilfe nutzte. Bei Pias Geburt, hatte sie schon die Hälfte des Baumes in ein Meer von weißen Blüten getaucht, dass der Anblick allein berauschte, ohne in die Nähe des Duftes zu kommen den sie ausströmte. Mittlerweile hatten sie den ganzen Baum eingenommen. Anlässlich Pias Geburt hatte Sally ein Spalier mit Buschrosen angelegt, das den Nutz- vom Rosengarten trennte. "Estephania" eine weiße Rose mit rotem Blütenkelch.

Links im Garten, etwas abseits gelegen, hinter einem kleinen Hang sich dem sofortigen Blick entziehend, lag ein Seerosenteich. Bodendeckerrosen die so lustige Namen trugen wie "Sommerwind", "Knirps", "Schneeflocke", in rosa, gelb und weiß hatten sich um ihn herum ausgebreitet. Später als Pia schon malen konnte, erinnerten ihre Zeichnungen an den Hang, wenn auch nur farblich.

Malen war die Lieblinsbeschäftigung von Pia. Stundenlang, wenn Sally im Garten die Rosen zurückschnitt oder veredelte, oder nur mit einem Buch unter dem Birnenbaum saß, war Pia in ihrer Nähe. Summte melodienlos vor sich hin und malte.

Zuerst wusste Sally nicht was sie störte. Als ihr bewusst wurde, dass es die Stille, die absolute Stille war, war sie schon auf dem Weg zum Seerosenteich. Das melodienlose Summen hatte aufgehört. Wie lange schon?
Sally betete, flehte und wusste, dass es zu spät war bevor sie den Teich erreichte.
Der schwere süßliche Duft der "Kaskaden Trauerrosen" verschlug ihr den Atem, Erst im letzten Frühjahr hatte sie die Kletter-Strauchrosen auf Hochstamm veredelt.

Sally saß oft am Seerosenteich. Sie liebte die Stille des Wassers. Seine dichte Durchsichtigkeit. Die Seerosen auf dem Wasser, die stillen Geschöpfe in ihm. Die ihr keine Antwort gaben; jedoch Trost.
Es ist der Tod und die Zeit darin. Geh Tod. Steh still Zeit.
Auf eines kann sie sich verlassen, dass das Gefühl dem Gefühl genügt. Hier kann sie der Einsamkeit genügen, Einsamkeit in die ihr keiner folgt.
Doch es ist das Tägliche was hilft. Der ständig wiederkehrende Ritus in denen Dinge erledigt werden müssen. Die einfachen Umstände, die einem helfen mit den Dingen fertig zu werden. Sie erträglich zu machen, in ihnen Sinn zu sehen. Dinge die man nicht vergessen darf. Essen und Trinken, der Geruch, die Geräusche, das Licht am Morgen, die Dunkelheit der Nacht.

Der Duft der Rosen in ihrem unterschiedlichen Blütenstand.
 



 
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