Rote Augen
Rote Augen sind böse. Das kann Ihnen jeder bestätigen, der schon mal eins dieser besessenen weißen Kaninchen gesehen hat, die im Käfig rumhoppeln und einem die Pest an den Hals wünschen. Heimlich natürlich. Äußerlich sind sie genauso lieb und weich wie jedes x-beliebige blöde Kaninchen auch und lassen sich streicheln und erlauben einem, daß man ihnen das Freßchen hinstellt und den Dreck wegputzt. Aber zurück zum Thema.
Kaninchen sind nämlich nicht die einzigen, die rote Augen haben können. Nur können diese dummen Viecher es nicht verstecken. Anders die Menschen. Sie würden sich wundern, wenn Sie wüßten, wie viele Rotaugen um Sie herumlaufen, jawohl, Sie würden sich wirklich wundern, und womöglich wäre es das letzte, was Sie täten. Aber das ist nur meine Vermutung.
Ja, werden Sie sich jetzt fragen, wie soll denn ein normaler Mensch seine Augenfarbe verstecken können, die Kaninchen können's ja auch nicht. Das liegt auf der Hand, sage ich, haben Sie schon mal ein Kaninchen gesehen, das Hunger hat? Wenn ein Kaninchen Hunger hat, rennt es direkt zum Freßnapf. Wenn zwei Kaninchen Kaninchen machen wollen - Sie verstehen? Sie folgen nur ihren Instinkten. Wohingegen der Mensch sich da weit besser unter Kontrolle hat. Deswegen kann es sein, daß all die Leute, die für Sie bisher blaue, braune oder grüne Augen hatten, nichts weiter sind als Besessene. Und wenn Sie nicht aufpassen, dann kriegen sie Sie.
Aber lassen Sie mich erzählen. Es ist nicht lange her, da entdeckte ich was. Sehen Sie, wenn Sie vor einem Kaninchen - ach, lassen wir das.Wenn Sie einen Menschen in Streß versetzen, und sei es auch nur, daß Sie ihn durch ein Händeklatschen erschrecken, fält die zivilisierte Maske und für einen Moment ist er wieder ein Kaninchen. Und in diesem Moment können Sie die Augen sehen, die echten.
Das erste Mal, als ich einen Besessenen traf, lief ich einfach weg. Das klingt nicht sehr heldenhaft, aber ich war zu Tode erschrocken, als ich mit diesem Mann zusammenstieß, der einen Stapel Pakete trug, und sie fielen runter, und er fluchte, und ich sah ihm in die Augen, und dann rannte ich.
Außerdem ist die Straße ohnehin kein guter Ort für irgendwelche Maßnahmen, obwohl es manchmal nicht anders geht, die Leute verstehen ja nicht, und sie nehmen so schnell übel.
Ich aber verstand, und tue es noch heute, denn die ersten roten Augen hatte ich schon viel früher gesehen. Das Foto müßte heute noch in meiner Wohnung liegen, aber sie haben sie vermutlich ausgeräumt, ich weiß es nicht.
Nach diesem Erlebnis beschloß ich, gewappnet zu sein.
Das nächste Mal fuhr ich eine Straße entlang. Ein Spielplatz lag daneben, und ein kleines Kind lief auf die Straße. Ich trat auf die bremse, sie quietschte, erschrocken wandte es mir das Gesicht zu - un starrte mich aus roten Augen an. Ich gab Gas.
Ich denke nicht, daß mich jemand erkannt hat... und wenn schon - die Mutter wußte wohl gar nicht, was sie da für eine Brut im Nest hatte. Seltsamerweise merken die anderen so etwas gar nicht. Oder womöglich bin ich die einzige, die sich traut, nein, die sich traute, etwas zu unternehmen.
Ich kann nicht sagen, daß mich dieser Vorfall kaltließ. Es war ein seltsames Gefühl, den Kinderkörper durch das offene Fenster unter meinen Reifen aufplatzen zu hören, und fast kamen mir Zweifel... weil ich sein Gesicht nicht mehr sehen konnte, nur deshalb.
Als ein paar Frauen auf die Straße liefen, bog ich gerade um die Ecke. Ich habe wegen diesemVorfall nie etwas von der Polizei gehört, deswegen nehme ich an, niemand war schnell genug, auf mein Nummernschild zu achten.
Bis ich begann, auf diese Wesen zu achten, hatte ich überhaupt nur sehr wenig mit der Polizei zu tun. Als Kind... ich kann nur noch schwach daran erinnern, wie die Polizisten zu uns kamen. Das Foto, das sie mir zeigten, ist mir allerdings um so besser im Gedächtnis geblieben, aber wie oft habe ich es mir seitdem auch angeschaut?
Ich wüßte zu gerne, ob es noch bei mir liegt, oder was sonst damit geschehen ist.
Jedenfalls schien mir das Treiben der Polizei damals schon sinnlos. Ich meine, sie bringen auch keine Menschen ins Leben zurück. Das können sie doch nicht, oder?
Meinen Spielgefährten habe ich jedenfalls nie mehr wiedergesehen, und daß ich ihnen auf dem Foto unsere Kindergärtnerin zeigen mußte, scheint mir wie dumme Neugier... was meinen Sie?
Da wir gerade bei dem Foto sind, auch auf Fotos kann man rote Augen erkennen. Ich wette, das wußten Sie nicht. Sie starrte damals auf dem Foto direkt in die Kamera.
Wie gesagt, es war ein seltsames Gefühl, das Kind zu töten, aber ich war stolz auf mich. Ich hatte mich gewehrt, auch im Namen der Unwissenden, denen gar nicht klar war, was für eine Seuche ihre Städte und Straßen und Wohnungen beherbergten.
Mehrere Wochen lang hielten sie sich fern von mir.
Dann überschlugen sich die Ereignisse.
Ich fuhr auf der Rolltreppe eines Kaufhauses nach unten, kurz vor Ladenschluß, die meisten Kunden hatten das Haus schon verlassen. Eine ältere Verkäuferin hatte es ganz offensichtlich eilig, aufzuräumen, und schob sich mit einem rollenden Kleiderständer an mir vorbei.
Plötzlich drohte der Kleiderständer, sich selbständig zu machen, und aus Angst, das Gleichgewicht zu verlieren, hielt sie sich an meiner Schulter fest. Ich drehte ihr das Gesicht zu und schaute ihr in die Augen.
An dieser Stelle muß ich gestehen, daß ich etwas den Kopf verlor. Man hätte die Sache sauberer regeln können, aber was geschehen ist, ist geschehen.
Ich packte ihren Hals und warf sie nach hinten. Der Kleiderständer rollte mit lautem Getöse die Treppe runter und überschlug sich. Als die Verkäuferin auf die Treppe aufschlug, stöhnte sie auf und griff nach mir. Wir näherten uns dem Ende der Rolltreppe. Sie schlug um sich und traf mich ins Gesicht, und mein Blut tropfte auf ihre weiße Bluse und auf mein Shirt und vermischte sich auf der Treppenstufe mit ihrem, das von irgendwo zwischen den Haaren heraussickerte.
Mit aller Kraft hieb ich mit meinem Unterarm gegen ihre Stirn und hörte ein Knacken. Ihr Kopf sackte in einem seltsamen Winkel zur Seite, aufgehalten von der spitzen Stufe, die in ihrem Nacken lag. Panik stieg in mir auf, als ich von oben eine zweite Verkäuferin kommen sah. Ich rappelte mich auf und versuchte, über den toten Körper hinwegzusteigen. Ein unglücklicher Schritt ließ mich unterhalb ihres Brustkorbs landen, wo der Körper zwischen zwei Stufen in der Luft hing. Es knackte ein zweites Mal, und ich sackte ein, so daß ich wohl die Treppe hinuntergestürzt wäre, wenn wir nicht gerade unten angekommen wären. Ich stolperte über den umgestürzten Kleiderständer hinweg und rannte zum Ausgang, ohne mich umzudrehen.
Ich weiß nicht mehr, wie ich es bis zu meinem Auto und von da aus nach Hause schaffte, doch als ich in unsere Straße einbog, konnte ich im Rückspiegel keinen Verfolger mehr erkennen.
Manchmal täuscht man sich.
Manchmal kommen Leute in der guten Absicht, einen aufzuklären, manchmal bleibt es aber auch bei der Täuschung. Ist das etwa schlimm? Ich meine, wem macht die Realität schon Spaß?
Sie hätten damals darauf verzichten können, mir zu sagen, wer an seinem Tod schuld war. Ich habe die Frau schließlich gemocht. Bis sie mich sie auf dem Foto zeigen ließen, und mir sagten, was sie für die Wahrheit hielten. Nein, sage ich, das ist Blödsinn. Sie war nicht betrunken oder so, normale Menschen haben nicht diese Augen, und sie starren mich nicht direkt an, aus dem Foto heraus.
Auch jetzt hätte man darauf verzichten können, mir die Realität so schmerzhaft nahezubringen, aber man tat es nicht. Die beiden Streifenwagen parkten vor dem Haus.
Ich sah sie durch das Fenster im Hausflur. Noch stieg niemand aus. Ich raste die Treppen hinauf. Auf dem Absatz vor meiner Wohnungstür stand ein Handwerker vor dem Sicherungskasten, seine Werkzeugtasche übers Treppengeländer gehängt. Er drehte sich zu mir um und öffnete den Mund, um mich zu grüßen, als sein Blick auf mein blutverschmiertes Shirt fiel.
Ich sah es in seinen Augen aufblitzen.
Er machte einen Schritt auf mich zu, ich wich zurück und faßte in seine Werkzeugtasche. Ein großer Schraubenzieher. Meine Hand krampfte sich um die Waffe und ich beobachtete ihn.
Unten hörte ich Autotüren zuschlagen. Plötzlich war es mir gar nicht mehr wichtig, ob der Mann vor mir nun einer von ihnen war oder nicht, ich wollte mich nur noch in Sicherheit bringen, vorläufig. In meine Wohnung.
Doch er versperrte mir den Weg. Ich hörte das Geräusch der Haustür, und das gab mir den Anstoß. Ich stürzte mit dem Schraubenzieher in der Hand auf ihn zu. Er schlug nach mir, und mein Kopf knallte gegen die Wand. Benommen lehnte ich mich dagegen, während der Handwerker auf einmal so erstaunt aussah, als wären die Ereignisse der letzten Momente noch gar nicht wirklich zu ihm durchgedrungen. Er kam ein paar Schritte näher, und ich sammelte mich. Dann griff ich ihn ein zweites Mal an und stieß den Schraubenzieher mit aller Kraft in seinen Bauch. Zuerst reagierte er gar nicht, sondern versuchte, mich zu fassen. Dann muß er das warme Blut gespürt haben, das seinen Körper hinunterlief, denn er schaute erschrocken an sich herunter. Er begann, zur Seite zu taumeln, während ich die Schritte auf der Treppe immer näherkommen hörte. Ich fischte mit fahrigen Bewegungen meinen Schlüssel aus der Tasche und floh in meine Wohnung. In Panik knallte ich die Tür zu.
Selbst durch die Tür hörte ich noch die Schritte. Nervös lief ich durch die Wohnung, auf der Suche nach irgendetwas, das mir helfen würde. Schließlich nahm ich ein großes, scharfes Messer aus der Küchenschublade. Nicht, daß ich wirklich daran glaubte, es könne mir helfen... doch, vielleicht dachte ich das wirklich. Ich ging leise zur Wohnungstür zurück. Stimmen waren zu hören, offensichtlich hatten sie den Elektriker gefunden. Ich weiß nicht, ob er es überlebt hat.
Gegenüber der Wohnungstür stand unter einem großen Spiegel ein niedriger Tisch mit einem Telefon. Jemanden anrufen? Wen!?
Ich hörte ein Kratzen an der Tür, dann lautere Geräusche. Sie versuchten sie aufzubrechen! Ich wich ein paar Schritte zurück, dann drehte ich mich um. Ich wollte in ein anderes Zimmer fliehen, doch mein Blick blieb am Spiegel hängen.
Ich starrte hinein. Rote Augen starrten zurück.
Ein lautes Geräusch und ein Luftzug hinter mir, doch ich blickte mich weiter an, das Messer in der Hand.
Dann befreite ich die Welt von mir.
Rote Augen sind böse. Das kann Ihnen jeder bestätigen, der schon mal eins dieser besessenen weißen Kaninchen gesehen hat, die im Käfig rumhoppeln und einem die Pest an den Hals wünschen. Heimlich natürlich. Äußerlich sind sie genauso lieb und weich wie jedes x-beliebige blöde Kaninchen auch und lassen sich streicheln und erlauben einem, daß man ihnen das Freßchen hinstellt und den Dreck wegputzt. Aber zurück zum Thema.
Kaninchen sind nämlich nicht die einzigen, die rote Augen haben können. Nur können diese dummen Viecher es nicht verstecken. Anders die Menschen. Sie würden sich wundern, wenn Sie wüßten, wie viele Rotaugen um Sie herumlaufen, jawohl, Sie würden sich wirklich wundern, und womöglich wäre es das letzte, was Sie täten. Aber das ist nur meine Vermutung.
Ja, werden Sie sich jetzt fragen, wie soll denn ein normaler Mensch seine Augenfarbe verstecken können, die Kaninchen können's ja auch nicht. Das liegt auf der Hand, sage ich, haben Sie schon mal ein Kaninchen gesehen, das Hunger hat? Wenn ein Kaninchen Hunger hat, rennt es direkt zum Freßnapf. Wenn zwei Kaninchen Kaninchen machen wollen - Sie verstehen? Sie folgen nur ihren Instinkten. Wohingegen der Mensch sich da weit besser unter Kontrolle hat. Deswegen kann es sein, daß all die Leute, die für Sie bisher blaue, braune oder grüne Augen hatten, nichts weiter sind als Besessene. Und wenn Sie nicht aufpassen, dann kriegen sie Sie.
Aber lassen Sie mich erzählen. Es ist nicht lange her, da entdeckte ich was. Sehen Sie, wenn Sie vor einem Kaninchen - ach, lassen wir das.Wenn Sie einen Menschen in Streß versetzen, und sei es auch nur, daß Sie ihn durch ein Händeklatschen erschrecken, fält die zivilisierte Maske und für einen Moment ist er wieder ein Kaninchen. Und in diesem Moment können Sie die Augen sehen, die echten.
Das erste Mal, als ich einen Besessenen traf, lief ich einfach weg. Das klingt nicht sehr heldenhaft, aber ich war zu Tode erschrocken, als ich mit diesem Mann zusammenstieß, der einen Stapel Pakete trug, und sie fielen runter, und er fluchte, und ich sah ihm in die Augen, und dann rannte ich.
Außerdem ist die Straße ohnehin kein guter Ort für irgendwelche Maßnahmen, obwohl es manchmal nicht anders geht, die Leute verstehen ja nicht, und sie nehmen so schnell übel.
Ich aber verstand, und tue es noch heute, denn die ersten roten Augen hatte ich schon viel früher gesehen. Das Foto müßte heute noch in meiner Wohnung liegen, aber sie haben sie vermutlich ausgeräumt, ich weiß es nicht.
Nach diesem Erlebnis beschloß ich, gewappnet zu sein.
Das nächste Mal fuhr ich eine Straße entlang. Ein Spielplatz lag daneben, und ein kleines Kind lief auf die Straße. Ich trat auf die bremse, sie quietschte, erschrocken wandte es mir das Gesicht zu - un starrte mich aus roten Augen an. Ich gab Gas.
Ich denke nicht, daß mich jemand erkannt hat... und wenn schon - die Mutter wußte wohl gar nicht, was sie da für eine Brut im Nest hatte. Seltsamerweise merken die anderen so etwas gar nicht. Oder womöglich bin ich die einzige, die sich traut, nein, die sich traute, etwas zu unternehmen.
Ich kann nicht sagen, daß mich dieser Vorfall kaltließ. Es war ein seltsames Gefühl, den Kinderkörper durch das offene Fenster unter meinen Reifen aufplatzen zu hören, und fast kamen mir Zweifel... weil ich sein Gesicht nicht mehr sehen konnte, nur deshalb.
Als ein paar Frauen auf die Straße liefen, bog ich gerade um die Ecke. Ich habe wegen diesemVorfall nie etwas von der Polizei gehört, deswegen nehme ich an, niemand war schnell genug, auf mein Nummernschild zu achten.
Bis ich begann, auf diese Wesen zu achten, hatte ich überhaupt nur sehr wenig mit der Polizei zu tun. Als Kind... ich kann nur noch schwach daran erinnern, wie die Polizisten zu uns kamen. Das Foto, das sie mir zeigten, ist mir allerdings um so besser im Gedächtnis geblieben, aber wie oft habe ich es mir seitdem auch angeschaut?
Ich wüßte zu gerne, ob es noch bei mir liegt, oder was sonst damit geschehen ist.
Jedenfalls schien mir das Treiben der Polizei damals schon sinnlos. Ich meine, sie bringen auch keine Menschen ins Leben zurück. Das können sie doch nicht, oder?
Meinen Spielgefährten habe ich jedenfalls nie mehr wiedergesehen, und daß ich ihnen auf dem Foto unsere Kindergärtnerin zeigen mußte, scheint mir wie dumme Neugier... was meinen Sie?
Da wir gerade bei dem Foto sind, auch auf Fotos kann man rote Augen erkennen. Ich wette, das wußten Sie nicht. Sie starrte damals auf dem Foto direkt in die Kamera.
Wie gesagt, es war ein seltsames Gefühl, das Kind zu töten, aber ich war stolz auf mich. Ich hatte mich gewehrt, auch im Namen der Unwissenden, denen gar nicht klar war, was für eine Seuche ihre Städte und Straßen und Wohnungen beherbergten.
Mehrere Wochen lang hielten sie sich fern von mir.
Dann überschlugen sich die Ereignisse.
Ich fuhr auf der Rolltreppe eines Kaufhauses nach unten, kurz vor Ladenschluß, die meisten Kunden hatten das Haus schon verlassen. Eine ältere Verkäuferin hatte es ganz offensichtlich eilig, aufzuräumen, und schob sich mit einem rollenden Kleiderständer an mir vorbei.
Plötzlich drohte der Kleiderständer, sich selbständig zu machen, und aus Angst, das Gleichgewicht zu verlieren, hielt sie sich an meiner Schulter fest. Ich drehte ihr das Gesicht zu und schaute ihr in die Augen.
An dieser Stelle muß ich gestehen, daß ich etwas den Kopf verlor. Man hätte die Sache sauberer regeln können, aber was geschehen ist, ist geschehen.
Ich packte ihren Hals und warf sie nach hinten. Der Kleiderständer rollte mit lautem Getöse die Treppe runter und überschlug sich. Als die Verkäuferin auf die Treppe aufschlug, stöhnte sie auf und griff nach mir. Wir näherten uns dem Ende der Rolltreppe. Sie schlug um sich und traf mich ins Gesicht, und mein Blut tropfte auf ihre weiße Bluse und auf mein Shirt und vermischte sich auf der Treppenstufe mit ihrem, das von irgendwo zwischen den Haaren heraussickerte.
Mit aller Kraft hieb ich mit meinem Unterarm gegen ihre Stirn und hörte ein Knacken. Ihr Kopf sackte in einem seltsamen Winkel zur Seite, aufgehalten von der spitzen Stufe, die in ihrem Nacken lag. Panik stieg in mir auf, als ich von oben eine zweite Verkäuferin kommen sah. Ich rappelte mich auf und versuchte, über den toten Körper hinwegzusteigen. Ein unglücklicher Schritt ließ mich unterhalb ihres Brustkorbs landen, wo der Körper zwischen zwei Stufen in der Luft hing. Es knackte ein zweites Mal, und ich sackte ein, so daß ich wohl die Treppe hinuntergestürzt wäre, wenn wir nicht gerade unten angekommen wären. Ich stolperte über den umgestürzten Kleiderständer hinweg und rannte zum Ausgang, ohne mich umzudrehen.
Ich weiß nicht mehr, wie ich es bis zu meinem Auto und von da aus nach Hause schaffte, doch als ich in unsere Straße einbog, konnte ich im Rückspiegel keinen Verfolger mehr erkennen.
Manchmal täuscht man sich.
Manchmal kommen Leute in der guten Absicht, einen aufzuklären, manchmal bleibt es aber auch bei der Täuschung. Ist das etwa schlimm? Ich meine, wem macht die Realität schon Spaß?
Sie hätten damals darauf verzichten können, mir zu sagen, wer an seinem Tod schuld war. Ich habe die Frau schließlich gemocht. Bis sie mich sie auf dem Foto zeigen ließen, und mir sagten, was sie für die Wahrheit hielten. Nein, sage ich, das ist Blödsinn. Sie war nicht betrunken oder so, normale Menschen haben nicht diese Augen, und sie starren mich nicht direkt an, aus dem Foto heraus.
Auch jetzt hätte man darauf verzichten können, mir die Realität so schmerzhaft nahezubringen, aber man tat es nicht. Die beiden Streifenwagen parkten vor dem Haus.
Ich sah sie durch das Fenster im Hausflur. Noch stieg niemand aus. Ich raste die Treppen hinauf. Auf dem Absatz vor meiner Wohnungstür stand ein Handwerker vor dem Sicherungskasten, seine Werkzeugtasche übers Treppengeländer gehängt. Er drehte sich zu mir um und öffnete den Mund, um mich zu grüßen, als sein Blick auf mein blutverschmiertes Shirt fiel.
Ich sah es in seinen Augen aufblitzen.
Er machte einen Schritt auf mich zu, ich wich zurück und faßte in seine Werkzeugtasche. Ein großer Schraubenzieher. Meine Hand krampfte sich um die Waffe und ich beobachtete ihn.
Unten hörte ich Autotüren zuschlagen. Plötzlich war es mir gar nicht mehr wichtig, ob der Mann vor mir nun einer von ihnen war oder nicht, ich wollte mich nur noch in Sicherheit bringen, vorläufig. In meine Wohnung.
Doch er versperrte mir den Weg. Ich hörte das Geräusch der Haustür, und das gab mir den Anstoß. Ich stürzte mit dem Schraubenzieher in der Hand auf ihn zu. Er schlug nach mir, und mein Kopf knallte gegen die Wand. Benommen lehnte ich mich dagegen, während der Handwerker auf einmal so erstaunt aussah, als wären die Ereignisse der letzten Momente noch gar nicht wirklich zu ihm durchgedrungen. Er kam ein paar Schritte näher, und ich sammelte mich. Dann griff ich ihn ein zweites Mal an und stieß den Schraubenzieher mit aller Kraft in seinen Bauch. Zuerst reagierte er gar nicht, sondern versuchte, mich zu fassen. Dann muß er das warme Blut gespürt haben, das seinen Körper hinunterlief, denn er schaute erschrocken an sich herunter. Er begann, zur Seite zu taumeln, während ich die Schritte auf der Treppe immer näherkommen hörte. Ich fischte mit fahrigen Bewegungen meinen Schlüssel aus der Tasche und floh in meine Wohnung. In Panik knallte ich die Tür zu.
Selbst durch die Tür hörte ich noch die Schritte. Nervös lief ich durch die Wohnung, auf der Suche nach irgendetwas, das mir helfen würde. Schließlich nahm ich ein großes, scharfes Messer aus der Küchenschublade. Nicht, daß ich wirklich daran glaubte, es könne mir helfen... doch, vielleicht dachte ich das wirklich. Ich ging leise zur Wohnungstür zurück. Stimmen waren zu hören, offensichtlich hatten sie den Elektriker gefunden. Ich weiß nicht, ob er es überlebt hat.
Gegenüber der Wohnungstür stand unter einem großen Spiegel ein niedriger Tisch mit einem Telefon. Jemanden anrufen? Wen!?
Ich hörte ein Kratzen an der Tür, dann lautere Geräusche. Sie versuchten sie aufzubrechen! Ich wich ein paar Schritte zurück, dann drehte ich mich um. Ich wollte in ein anderes Zimmer fliehen, doch mein Blick blieb am Spiegel hängen.
Ich starrte hinein. Rote Augen starrten zurück.
Ein lautes Geräusch und ein Luftzug hinter mir, doch ich blickte mich weiter an, das Messer in der Hand.
Dann befreite ich die Welt von mir.