Rothelmchen trifft Herrn Wolf

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Sylvia

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Es war einmal in einem fernen exotischen Land ...
Quatsch, es begann an der nächsten Häuserecke, im Wohnzimmer der Familie Meier. Eine deutsche Durchschnittsfamilie: Herbert der Vater und Brötchenverdiener, Elke die Mutter und Hausfrau, Sascha der Sohn und Merle die Tochter.
Um Punkt 5,00 Uhr, am Morgen, schrillte das Telefon.
„Herbert, wach auf,“ stöhnte Elke und rüttelte ihren Man.
„Äh, Was los? Schnarche ich?“
„Nö. Das Telefon klingelt. Geh mal ran.“ Währenddessen schrillte das Telefon weiter.
„Nö. Geh doch selbst.“ Herbert war ein klassischer Morgenmuffel und schlief umgehend wieder ein. Also blieb Elke nichts anderes übrig, als aufzustehen und ans Telefon zu gehen.
„Meier.“
„Guten Morgen. Spreche ich mit der Familie Herbert und Elke Meier?“
„Ja. Wer sind sie? Wissen sie wie spät das ist?“
„Entschuldigen sie die frühe Störung. Ich bin der Gemeindepfarrer von Handorf. Ihrer verehrten Mutter geht es nicht gut.“
„Stimmt, meine Mutter ist tot“ antwortete Elke ironisch und mit genervten Unterton.
„Ich meine Frau Elfriede Meier.“
„Ach die. Das ist nur meine Schwiegermutter. Ist sie tot?“ schlagartig war Elke wach.
„Nein, ihre Schwiegermutter ist krank und braucht ihre Hilfe.“
Das Telefonat zog sich noch einige Zeit hin, während Herbert den Schlaf der Gerechten schlief.

Die Wohnungstür flog auf, gefolgt von Sascha und Merle. Als erstes gingen sie in die Küche, um die von der Schule ausgetrocknete Kehle, mit Cola zu spülen.
„Wann gibt es heute was zu essen?“
„Wir essen erst heute abend mit Papa. Weil Oma krank ist, muss Sascha erst einige Lebensmittel nach Handorf bringen.“
„Wieso ich? Schick doch Merle. Ich habe keine Zeit“ protestierte Sascha.
„OK, dann fährt eben Merle. Du muss ihr dann aber, das Mofa überlassen“ sagte Elke.
„Cool“ meinte Merle nur und schaute grinsend ihren Bruder an.
„Was? Die fällt doch schon an der ersten Strassenecke um.“
„Tu ich nicht. Ich habe schliesslich auch meinen Führerschein“ antwortete Merle .
„Schluss jetzt. Hier sind die Lebensmittel. Wer will fahren? Merle?“
„Ja, logisch.“
Merle zog ihre dicke Jacke wieder an, setzte ihren roten Helm auf und schwang sich mit den Lebensmittel gefüllten Rucksack auf das Mofa. Merle fuhr selbstsicher und stolz die Hauptstrasse entlang, in Richtung Handorf.

Stürmisch wurde die Türklingel bearbeitet.
„Ja, ich komme ja schon.“ rief Elfriede Meier und quälte sich zur Tür.
„Guten Tag, gnädige Frau. Ich bin Klaus Wolf von der Versicherung“
„Ich brauche keine weiteren Versicherungen“ Elfriede hasste die sogenannten Klinkenputzer.
„Nein. Ich will ihnen auch keine Versicherung verkaufen. Ich bin ein Kundenbetreuer und möchte überprüfen, ob ihre Versicherung für ihren bestehenden Hausrat ausreichend ist. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass oft unsere älteren Kunden unterversichert sind. Mit den Folgen, dass sie bei einen eventuellen Schaden nicht alles ersetzt bekommen. Ich schlage vor, sie lassen mich kurz in ihre Wohnung und ich schätze ihren Hausrat. Danach überprüfe ich ihre Versicherungsdeckungssummen“
„Ja, wen das so ist. Kommen sie rein. Wie sie sehen, geht es mir zur Zeit nicht gut, sie müssen entschuldigen."
„Kein Problem. Setzten sie sich einfach in ihr Wohnzimmer. Ich kann mich auch alleine umschauen.“ Mit diesen Worten verschwand der kräftige bärtige Mann im Schlafzimmer. Elfriede machte es sich auf dem Sofa bequem und trank ihren frisch aufgebrühten Kamillentee. Plötzlich hörte sie ein leises Quietschen: „War das die Schranktür meines Kleiderschrankes? Was macht der junge Mann wohl so lange, in meinem Schlafzimmer?“ wunderte sich Elfriede. Sie erhob sich und ging zum Schlafzimmer. Sie öffnete die Tür, konnte aber den jungen Mann nicht sehen. Also trat sie durch die Tür. Pong, sie merkte nur noch einen kurzen, aber kräftigen, Schlag auf den Hinterkopf.
Als Elfriede wieder zu sich kam, lag sie gefesselt auf ihrem Bett. Ihr Herz pochte sehr schnell.
„Tun sie mir nichts“ jammerte Elfriede.
„Keinen Mucks, sonst war es dein letzter“ brummte Herr Wolf.

Währenddessen parkte Merle das Mofa im Vorgarten ihrer Grossmutter. Sie ging zur Tür und klingelte.
„Wer ist das?“ fragte Herr Wolf und knuffte Elfriede gegen Arm.
„Das wird eines meiner Enkelkinder sein“ stammelte Elfriede. Ihre Kehle fühlte sich wie zugeschnürt an, obwohl kein Strick um ihren Hals, sondern um die Hände war. Herr Wolf ging zur Gegensprechanlage und fragte mit verstellter Stimme: „Wer ist da?“
„Hier ist Merle. Bis du das Oma? Ich bringe dir Lebensmittel.“
„Warte. Komme am besten durch die hintere Terrassentür ins Haus.“
Merle ging durch den englisch angelegten Garten , der nach vielen unterschiedlichen Blumen duftete, zur Terrasse.

Die Zeit nutzte Herr Wolf, packte Elfriede und zerrte sie in das Wohnzimmer. Blitzschnell schnitt er ihre Fesseln durch und schubste sie in den Sessel.
„So. Jetzt kommt dein Einsatz Oma. Wimmele deine Enkelin ab. Sei aber glaubwürdig, sonst ... zack“ sagte Herr Wolf und deutete mit der flachen Hand einen Schnitt durch die Gurgel an, während er sich hinter der Wohnzimmertür versteckte.
„Oma, wo bist du?“
„Ich bin im Wohnzimmer.“ Hörte Merle ihre Grossmutter mit zittriger Stimme sagen. Sie ging zur halb aufstehenden Tür und sah ihre Grossmutter, mit blassem Gesicht und weit aufgerissene Augen, im Sessel sitzen.
„Hallo Oma, wie geht es dir?“
„Gut. Bleibe besser an der Tür stehen, sonst stecke ich dich an“
„OK. Soll ich die Lebensmittel nur in die Küche stellen oder dir noch schnell etwas kochen“ bot Merle an.
„Nein, geh nur schnell wieder nach Hause.“
„Wenn du meinst. Tschüß“ verabschiedete sich Merle und ging.

„Hey. Und wie geht’s Oma?“ begrüsste Sascha seine Schwester.
„War irgendwie komisch bei ihr“
„Wieso? Konntest nichts abstauben?“
„Quatsch. Nee. Sie wollte mich los werden. Sie hat mich fast rausgeschmissen. Sie guckte mich wie einen Geist an. Ausserdem roch es nach Zigaretten.“
„Das ist wirklich merkwürdig. Schliesslich hasst sie Zigaretten. Ist dir sonst noch etwas aufgefallen?“ Merle hatte Sascha`s ganze Aufmerksamkeit.
„Wo du mich jetzt fragst. Ja. Ich konnte in ihr Schlafzimmer sehen und sah, dass alle Schubladen und Schränke offen waren. Ausserdem lag ihr Sonntagskleid auf dem Fussboden.“
„Mensch Merle. Oma wurde überfallen!“ rief Sascha erregt aus.
„Wir müssen sofort die Polizei rufen“
„Vergiss das. Die glauben uns Teenies bestimmt nicht. Das müssen wir selbst in die Hand nehmen.“
Sascha und Merle sprangen die Treppe zur Wohnung hoch. Merle stürzte in ihr Zimmer, griff ihren Bogen und die Pfeile, aber die mit den scharfen Jagdspitzen. Sascha packte seine Graffittisprühdosen und ein Sturmfeuerzeug ein, als kleinen Notflammenwerfer.
Auf der Mofafahrt nach Handorf brachen Sascha und Merle sämtliche Geschwindigkeitsrecorde. Einige Meter vor Elfriedes Haus stoppten sie. Routiniert spannte Merle den Bogen auf, legte den Armschutz und Köcher an.
Sascha und Merle kletterten über Zäune und schlichen über die Felder zu Elfriedes Haus. Durch die Terassentür wurden Sascha und Merle Zeuge, wie der fremde Mann ihre Oma brutal ins Gesicht schlug. Sascha gab Merle ein Zeichen. Sie nahm einen Pfeil und nockte ihn auf die Sehne. Nachdem sie einen guten Standpunkt, mit freien Blick und Flugfeld auf den Mann, gefunden hatte, spannte sie den Bogen. Mit gespannten Bogen visierte Merle den Mann an. Nach einer unendlich lang wirkenden Zeitspanne, löste Merle den Schuss aus. Der Pfeil sauste, fast geräuschlos, durch die Luft und traf den Mann direkt im Rücken. Dieser stürzte zu Boden. Elfriede schrie auf. Merle und Sascha liefen ins Haus. Schnell nockte Merle einen weiteren Pfeil auf und postierte sich vor den, am Boden liegenden, Mann.
„Hey, du spinnst wohl! Hast wohl zu viele Rambofilme gesehen?“ schimpfte der Mann.
Sascha half inzwischen seiner Oma auf das Sofa. Die mächtig erleichtert und stolz auf ihre Enkelkinder war.
 



 
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