Ruccola

2,00 Stern(e) 1 Stimme

titatom

Mitglied
Ruccola

Es ist Frühsommer, bemerkbar am Geruch von gegrilltem Gemüse, das auf glühende Holzkohle tropft. Kein Fleisch bitte, lesen Sie keine Tageszeitung! Thüringer mit Putenfleisch, verantwortungslos, unser Nachbar. Nur noch Gemüse mit Salaten, etwa mal zur Abwechslung einen wahren Exoten, einen Ruccola. Ruccola ist ja eigentlich so eine Art Löwenzahn für Lifestyle-Typen, macht aber nichts. Ist ja hip, eigentlich. So was wie Feldsalat mit Föhnfrisur von Gerd Meir. Sauber verpackt in Plastikschälchen mit Frischhaltefolie, um die fehlende Beratung an der Supermarkttheke rechtfertigen zu können. Ruccola in Zeitungspapier, wer käme auf die Idee! Glatter Stilbruch. Gehe nicht über Los, sofort zurück zum Kopfsalat. Ruccola mit Thousand-Island-Dressing, unvorstellbar! French Dressing, krankhaft! Das wäre ja wie Kanzler Schröder mit knallrot gefärbten Haaren (War nur Spaß, Doris, nicht gleich klagen). An seinen Ruccola lässt man nur Kernöl und Balsamico! Nie mehr die Fehler unserer Jugend. Das waren noch die Zeiten, als es nur drei Fernsehprogramme gab und Vatter Köppcke um acht im Ersten Wirtschaftswachstum und Arbeitslosigkeit in sorglos richtiger Reihenfolge verkündete. Damals bestand Joghurt auch noch hauptsächlich aus Geschmacksverstärkern und nicht aus linksdrehenden Milchsäuren. Bratwürste waren nach heutigem Wissensstand krebserregend lecker, das Kotelett kam vom Schwein, Bioprodukt-verseuchte Putenmast-Retorten-Klone waren weder erfunden noch benötigt. Kochrezepte wurden beim Kaffeekränzchen getauscht, keiner brauchte sich www.healthfood.usw downloaden. Und grillen können gehörte zur Grundausbildung jedes Vaters. Dazu gab’s Salat, Kopfsalat natürlich, manchmal mit Zwiebelringen, aber immer mit Branntwein-Essig. Chicorée war schon eher was für Experimentierfreudige. Wer erinnert sich nicht an Mutters Salat-Innovationen mit der markant-bitteren Eigenheit (Mammi, erst in warmes Wasser legen!). Wir entsinnen uns an weitere Exoten wie den Radicchio. Südländischer Hauttyp mit charakteristischem Nachgeschmack, siehe Cicoreè . Den steckte Mutter immer unter die russischen Eier. Die mit der heute unvorstellbaren Maionaise-Füllung. Cholesterin, sag ich da nur! Wer will schon früh sterben...
 



 
Oben Unten