Rudolf besitzt ein Schloss...

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Rudolf besitzt ein Schloss...
Mein Freund Rudolf kann einfach nicht nein sagen! Er ist ein Musterbeispiel an Ahnungslosigkeit. Es handelt sich bei meinem Freund um einen jener Gutmenschen, die alle Morgen aufstehen müssen, damit der Acker der Strolche und Bauernfänger das ganze Jahr über so üppig blühen und gedeihen kann.
Dass Rudolf der einzige Erbe eines beträchtlichen Vermögens war, musste sich in gewissen Kreisen gehörig herumgesprochen haben.
Es gibt fast nichts, was ihm clevere Verkäufer nicht schon als angebliches Schnäppchen angedreht hätten: Das Skelett eines angeblich afrikanischen Urmenschen, das den Nachteil hatte, aus dunkel eingefärbtem PVC zu bestehen, eine defekte Taschenuhr aus dem vierzehnten Jahrhundert, "made in Nippon", ein todsicheres Lottosystem, einen echten Rubens in Siebdrucktechnik und danach einen Panzer der untergegangenen NVA mit kaputtem Motor und nur einer Laufwerkskette, alles für schlappe fünfhundert Euro, plus Zufuhrkosten. Als das Gerät, das auf einem Tieflader und per Nachnahme angeliefert wurde, mittels einem schweren mobilen Kranwagen im Vorgarten seines gemieteten Reihenhauses einigermaßen waagerecht aufgebaut war, wobei außer dem Rasen auch der schmiedeeiserne Gartenzaun seines linken Nachbarn zerstört wurde, suchte seine Ehefrau Klara, unter Mitnahme ihrer gesamten Habe, das Weite. Sein Schmerz darüber wurde noch dadurch gemehrt, dass ihn der Hausnachbar zur Rechten bei der Polizei anzeigte, weil das Geschützrohr des Panzers genau auf sein Wohnzimmerfenster zeigte.
In dieser misslichen Situation schwur mir mein Freund Rudolf in die Hand, dass er sein dahin schmelzendes Erbe künftig nur noch in sichere Immobilien anlegen werde!
Bald darauf machte er eine Reise an den Genfer See, wo er prompt die Bekanntschaft eines sehr bekannten, international tätigen, Grundstückmaklers machte. Der war so bekannt, dass ihn sogar die Polizei europaweit kannte. Aber da hatte Rudolf schon ein Schloss von ihm erworben: ein Schloss in den neuen Bundesländern.
Jetzt ist er pleite. Mein Freund Rudolf, nicht der Makler!
Dem konnte auch die internationale Polizei nichts anhaben.
Rudolf besitzt nun ein Schloss mit vielen unheizbaren Räumen, mit einer rußigen Küche und einem Badezimmer aus vergangenen Jahrhunderten. Es ist so historisch, dass er jedes Mal einen Antrag an das Denkmalamt einreichen muss, wenn er einen Wasserhahn abdichten will. Und seine Wasserhähne tropfen immer!
Die übrigen Räume befinden sich in einem jämmerlichen Zustand. Drei davon hängen voll mit der Ahnengalerie der Schloss-vor-vorbesitzer, alle in Öl gemalt. Es war eigentlich schade um das viele Öl. Rudolf bräuchte, neben einer Ölquelle, jede Menge antiker Möbel und Kunstgegenstände, damit er Schlossbesuchern sein Schloss von innen vorzeigen könnte. Von ihren Eintrittsgeldern könnte er den Bau sanieren. Ich habe ihm empfohlen, in Zeitungsanzeigen die Ahnengalerie als Gruselkabinett anzupreisen.
Das Schloss war einst Stammsitz des ehrenwerten Rittergeschlechtes Klauen zu Klauenstein. Selbst in Öl gemalt und auf Leinwand gebannt, können die Raubritter das Mausen nicht lassen! Als er mir die drei Räume mit ihren Bildern erstmals zeigen wollte, war ich so unvorsichtig, meine Geldbörse in der Gesäßtasche meiner Hose stecken zu lassen. Rudolf hatte Tränen in den Augen, als ich ihm nachher den Verlust meldete. Unzählige Geldbörsen musste er schon ersetzen. Rudolf wird die Bande nie mehr los, sie wird ihn vollends ruinieren.
Dabei hatte er es sich so gut ausgedacht; Rudolf ist ein seelenguter Mensch. Er wollte mir das Schloss zum Geburtstag schenken!
Aber ich hätte dankend abgelehnt. Die fünf Schlösser, die ich mein Eigen nenne, stammen aus dem Baumarkt um die Ecke. Mir hätten zwei davon gereicht: eines am Fahrradschuppen und eines an der Tür zu meinem Weinkeller. Da aber besagter Baumarkt ein Sortiment zu fünf Stück erstklassiger Marken-Vorhängeschlösser zum Spottpreis von neunundneunzig Cent im Angebot hatte, konnte ich nicht widerstehen. Man kann ja nie wissen!
Auch mein Freund Rudolf hätte besser getan, ein solches Baumarkt-Sonderangebot abzuwarten.
 

LuMen

Mitglied
Schlösser

Hallo Bernhard,

ich freue mich, daß Du Dich mit einer gelungenen Glosse zurückgemeldet hast! Es war mir eine vergnügliche Lektüre, zumal mich Schlösser sehr interessieren, ich lebe nämlich in der Schlösser-Stadt Velbert(gemeint sind natürlich die letztgenannten).

Herzliche Grüße und bis bald -Du erhältst in Kürze noch mehr Post von mir.

LuMen
 
Rudolf besitzt ...

Hallo Flammario, Dein Lob ist ja vielsagend! War "internahtional" wirklich das lustigste an der ganzen Geschichte? Dann ist der Witz jetzt ganz weg!

Hallo Lu Men, danke für Deine positive Kritik. Ich freue mich auf Deine angekündigte Nachricht! -Bernhard-
 

Psyche

Mitglied
Schlösser

Hallo Bernhard,

sehr erfrischend ....
Ich bin sehr froh, das ich wieder etwas von Dir lesen konnte, hab lieben Dank für diese Zeilen.

Liebe Grüße Psyche
 
Rudolf besitzt...

Danke, Psyche, für Deine nette Kritik, auch ich freue mich immer, wenn ich vertraute Namen lese. Ich arbeite momentan daran, das bisher Geschriebene demnächst in gebundener Form zu veröffentlichen. Das braucht Zeit und Nerven.
-Bernhard-
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
nee,

nee, deine geschichte ist insgesamt ganz witzig, aber das internahtional ließ mich vor vergnügen wiehern.
lg
 
B

Bruno Bansen

Gast
Schlösser

Hallo Bernhard,

Gleichfalls Freude über das Treffen hier bei Prosa! Und über Noiiz von Dir dass Du was buchmäßiges zwischen den Deckeln hast? Prima. Ich hab grade neulich an die LL geschrieben, die solln mal ihre eigenen Autoren werbemäßig unterstützen - Müssen wir mal privat drüber reden.

Erstmal aber Grüsse!
Bruno
 



 
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