Ruhelos

4,00 Stern(e) 1 Stimme
H

Hakan Tezkan

Gast
Hallo anbas,

dein Gedicht "Ruhelos" thematisiert den Zwiespalt, in dem viele Melancholiker stecken.

Es folgt zunächst einem antithetischem Aufbau.
So beschreibst du in Strophe eins den Fall federleichter Schneeflocken, die in der Luft "tanzen" zu scheinen. Dieses Bild vermittelt im Leser ein wohliges Gefühl.

In Strophe zwei folgt dann der Gegenspieler, in Form von "schwere[n] Gedanken", die dem lyr.Ich Leid zufügen.
Dass diese Gedanken "kreisen", lässt vermuten, dass sich der Akt des Denkens als etwas Sinnloses darstellt.

Auf dieser Grundlage folgt die logische Konsequenz:
Das lyr.Ich sehnt sich nach "schneebedeckter Ruhe" und will von den immerfort kreisenden und immerzu schmerzhaften Gedanken befreit werden und an ihre Stelle sollen die leichten Schneeflocken treten, welche den Grund bedecken können.

In der letzten Strophe folgt dann die Pointe, in der festgestellt wird, dass dieser Schnee vergänglich ist, da er, sobald er "festen Boden berührt", taut und vergeht.
Dies zeigt, dass derartige Gedanken zwar schön erscheinen mögen, diese Ruhe aber vergänglich ist und den harten Bedingungen der äußeren, aber auch der inneren Wetl nicht standhalten kann.

Man könnte daher resümieren, dass du zum einen das Leid des Melancholikers und dem darauf folgendem Wunsch, davon befreit zu werden, Ausdruck geben möchtest, zum anderen aber auch diesen Wunsch gleich wieder negierst, in dem du die Alternative zu den "schwere[n] Gedanken" als etwas höchst Zerbrechliches und darausfolgend Belangloses hinstellst.

Mir hat dein Gedicht in seiner Schlichtheit sehr gut gefallen, und die Pointe weiß zu überzeugen, auch wenn sie sicherlich ihre kleinen Fehler beinhaltet, da der Schnee nicht überall augenblicklich schmilzt.

An der Umsetzung kann man wenig verändern, du hast das schon schön verdichtet.

Liebe Grüße,
Hakan
 
G

Gelöschtes Mitglied 7520

Gast
hi anbas,

zwiespältig wuselt mir dein gedicht durch den kopf und acht mich ruhelos. einerseits verstehe ich was du sagst und empfinde die melancholie nach, andererseits hinterlässt die gewollte schlichtheit in mir einen schalen beigeschmack, da ich die naturbilder für ein wenig zu abgeschmackt halte.

insofern enthalte ich mich einer benotung. ist heute zu simpel für meinen kopf.

grüße
nofrank
 

anbas

Mitglied
Hallo Hakan,

endlich komme ich dazu, Dir zu antworten. Ich hatte es schon lange vor, war aber mit der Organisation einer Lesung hier in Hamburg gut beschäftigt.

Vielen Dank für die Mühe, die Du Dir mit meinem Gedicht gemacht hast. Eine alles in allem gelungene Analyse. An einer Stelle sehe ich den Text allerdings etwas anders:
Man könnte daher resümieren, dass du zum einen das Leid des Melancholikers und dem darauf folgendem Wunsch, davon befreit zu werden, Ausdruck geben möchtest, zum anderen aber auch diesen Wunsch gleich wieder negierst, in dem du die Alternative zu den "schwere[n] Gedanken" als etwas höchst Zerbrechliches und darausfolgend Belangloses hinstellst.

Mir hat dein Gedicht in seiner Schlichtheit sehr gut gefallen, und die Pointe weiß zu überzeugen, auch wenn sie sicherlich ihre kleinen Fehler beinhaltet, da der Schnee nicht überall augenblicklich schmilzt.
Zum einen sehe ich als Alternative für schwere Gedanken nichts zerbrechliches oder vegängliches (wobei das ein durchaus interessanter Gedanke ist, dem es sich nachzugehen lohnt). Vielmehr symbolisiert dieses Gedicht für mich eine Situation in der das Lyr.Ich einfach nicht zu der Ruhe kommt, nach der es sich sehnt - der Schnee schmilzt sobald er den Boden berührt und die schneebedeckte Ruhe kann nicht einkehren.
Zum zweiten ist "Ruhelos" für mich eher eine Momentaufnahme. Da ist es unerheblich, dass der Schnee an anderen Stellen nicht schmilzt. In dem Moment ist es, wie gerdae schon gesagt, so, dass die ersehnte Ruhe nicht eintritt und der Schnee sofort schmilzt, so dass sich nicht ein beruhigender Schneeteppich ausbreiten kann.

Liebe Grüße

Andreas


Hallo nofrank,

auch Dir danke ich für Deine Rückmeldung. Deinen Zwiespalt kann ich zum Teil nachvollziehen. Andererseits gibt es bestimmte (Natur-)Bilder, die sich besonders gut eignen, um sie für Texte dieser Art heranzuziehen - da muss dann das Rad nicht neu erfunden werden.

Liebe Grüße auch an Dich

Andreas
 



 
Oben Unten