SCHATTENAUGE.

EsMi

Mitglied
Eine dunkle, schwarze Vergangenheit ist mein wertvollster Besitz:
"95. Es gibt einen Gott.
96. Es gibt nur einen Gott.
97. Es gibt nur einen Gott.
98. Es gibt einen Gott.
99. Es gibt nur einen Gott.
100. Es gibt deinen Gott."

Martin sagte mir, ich möge dies aus irgendeinem Grunde gegenzeichnen- Gekrakel
Martin sagte mir, ich möge dies aus irgendeinem Grunde gegenzeichnen- Gekrakel
Martin sagte mir, ich möge---ich denke, Sie begreifen, worauf ich anspiele? -Gekrakel

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Martin war ein lieber Junge, der es einfach satt hatte, ständig seine Kleidung von Müll säubern zu müssen, wenn Go-Berserk ihn in regelmäßigen Abständen in der Pause im Container abgesetzt hatte. Und dass nur, weil er so einiges im Unterricht wußte.

Ist das ein Verbrechen?

Er zeigte zudem nie auf, saß in der hintersten Ecke, darum bemüht, so unauffällig wie möglich geradeaus zu blicken. Er war ein Junge, der nachdachte. Der dachte: "Ruf mich nicht auf. Ruf mich nicht auf." Nicht weil er schüchtern war, sondern weil er es vorzog zu beobachten und zu urteilen - und im Hintergrund zu agieren. Wenn er dann aufgerufen wurde, und das war bisweilen oft der Fall, liess er sich die Frage wiederholen, antwortete dann kurz und knapp das Richtige, um sich dann anderem zuwenden zu können.

Go-Berserk war nur ein Randproblem, er war ein dummer, fetter, kräftiger Junge aus der Parallelklasse, der es einfach nicht besser wußte. Es war wohl etwas erniedrigend, und störend, wie gesagt, aber es war weitaus erschreckender, dass auch Lehrer dumm, böse und mobbend sein konnten. Getarnte Go-Berserks, meist nicht einmal vordergründig getarnt, sondern offensichtlich. Das führte zu dem Umstand, dass Martin in der 4.Klasse von der Religionserziehung "befreit" wurde. Er hatte nur einige Gegenfragen gestellt.

War das ein Verbrechen?

Martin fand es recht unhöflich, wenn ihn jemand in seiner Zurückgezogenheit mit dummen Fragen störte, er beantwortete sie oder ging an die Tafel. Weshalb durfte er dann nichts hinterfragen...

Schattenauge unterrichtete Religion. Ausgerechnet Religion. Und Sport. Spätestens seit dem Zwischenfall bedeutete Sport DIE Hölle, an die Martin im eigentlichen Sinne nicht zu glauben bereit war... Derzeit war Klettern angesagt. Kletterstange und Kletterwand, sowie das Seil. Schattenauge hatte sich in den Kopf gesetzt, dass Martin und die gesamte Klasse erst dann in die Umkleide gehen durften, wenn jeder einzelne sich überwunden und die Übung vorgeturnt hatte.


Jeder einzelne bedeutete im Klartext: Martin. Martin war der Einzelne, und die Gruppe war die Gruppe. Go-Berserk war ebenfalls ein Teil der Gruppe. Schattenauge hatte die Klasse dreigeteilt, gemeinsam "durfte" man am jeweiligen Gerät üben. Martin rätselte noch, welche lehrende Funktion denn hierbei Schattenauge inne hatte... da war es schon an der Zeit, das Geübte öffentlich unter Beweis zu stellen. Im Vorfeld hatte Schattenauge geflötet, dass niemand-den-Raum-verlasse, bis- nicht-jeder-einzelne..usw. usf.

Der fakultative Sascha klettert die Stange lässig hinauf. Go-Berserk legt einen Teil der Strecke, das Minimum zurück, springt dann polternd hinunter, mit voller Adipositasgewalt...um sogleich erst Schattenauge aufsässig und dann Martin, als den Nächsten in der Reihe, mißbilligend anzublicken. Martin geht zwei Schritte vor, umfasst die Stange fest mit einer Hand, macht eine scharfe, schwungvolle Rechtsdrehung, geht auf den Ausgang zu, in die Umkleide, setzt sich auf die Bank und schreibt:

1. "Ich werde mehr Sportsgeist zeigen und mich mehr anstrengen."
2. "Ich werde mehr Sportsgeist zeigen und nicht aufgeben."
3. "Ich werde..."


ENDE*

(c) EsMi
Diese Geschichte bahnte sich in Rekordzeit durch meine Neurotransmitter.
 



 
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