Salome oder das Träumen

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Blumenberg

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Salome oder das Träumen​


„Träumst du manchmal“ hast du mich einmal gefragt. Meine Salome mit dem langen, gelockten Haar, den kirschroten Lippen und den kleinen Fältchen um die Augen, die deinem Gesicht immer den Eindruck eines Lächelns verliehen.

„Ob ich träume? Nein, ich glaube nicht sehr oft und wenn, dann erinnere ich mich nicht“, war meine Antwort. Damals schien mir das nicht weiter wichtig. Manche Menschen träumen, andere nicht. Du hast dich ein wenig aufgerichtet und mich ernst angesehen. Ich glaube, du wolltest etwas sagen, doch der richtige Augenblick ist ohne Worte vorbeigezogen und du konntest ihm nur ein Lächeln hinterherschicken. Ein wehmütiges Lächeln, das ich nicht verstanden habe. Heute weiß ich, wie wichtig deine Frage war und ich wünschte, du könntest mich im Traum besuchen. Ich stelle mir dich dort lebhafter vor. Lebendiger als die lange verschütteten, schwach gewordenen und immer weiter verblassenden Bruchstücke meiner Gedankenbilder, die alles sind, was mir von dir geblieben ist.

Wie lange ist es her, dass ich zuletzt an dich gedacht habe? Du bist Teil einer vergangenen Welt. Teil eines früheren Selbst, dass mir längst fremd geworden ist. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass ich so lange nicht an dich gedacht habe. Wir verändern uns, werden unweigerlich zu anderen und die Beziehungen, die wir zurücklassen gehören nicht mehr uns. Sie gehören dem Vergangenen. So ist es auch mit dir gewesen, Salome. Ich habe dich unter zahlreichen Schichten eines sich auf den Trümmern des Vergangenen immer wieder erneuernden Ichs vergraben. So tief, dass ich irgendwann vergessen musste, dass die Bahn deines Lebens sich für einen Augenblick mit meiner überschnitten hat, beide einen kurzen Teil der Strecke gemeinsam gelaufen sind. Eben weil dies der Lauf der Dinge ist. Das möchte ich glauben, auch wenn ich weiß, dass es gelogen ist.

„Ich träume fast jede Nacht. Meine Träume sind mir zu Freunden geworden“
, hast du damals zu mir gesagt. Konnten die Träume die kommen mussten dir jemals zu Freunden werden? Haben sie dein Leid gelindert oder hat das, was du im Traum erlebtest es nur verdoppelt? Haben die schwarz gekleideten Henker mit dem Totenkopf am Revers dich auch in der Nacht besucht? Sie zu einem Abbild deines Tages werden lassen?
Habe ich dich manchmal an diesem Ort der Verzweiflung besucht meine Salome? Konnte ich wenigstens im Schlaf ein treuer Freund sein? Oder habe ich dich dort ebenso gemieden, wie ich es in den Wochen getan habe, bevor sie dich holten?
Vielleicht ist das der Grund warum ich dich vergessen musste, aus Angst auch in deinen Träumen versagt zu haben, widerstandlos beiseite gedrängt von denen die dich mir genommen haben. Es sähe mir ähnlich.

Wir können uns nicht aussuchen, wer uns in unseren Träumen besucht. Wäre es da nicht gnädiger, zu sein wie ich es bin. Jede Nacht in ein traumloses Dunkel zu gleiten. Ich ertappe mich dabei, dass ich mir vorstelle, du wärst mir gleich geworden. Hättest deine Freunde und damit auch mich hinter dir gelassen. Uns eingetauscht gegen Nächte ohne Bilder und Erinnerungen. Dann wäre es leichter geworden. Das möchte ich glauben. Aber bringe ich dich damit nicht auch noch um die letzte Erleichterung, die letzte Fluchtmöglichkeit aus der Hölle, in die dich dein Los verbannt hat?

Einer Hölle, von der ich mir später einredete, nichts geahnt zu haben. Die Wahrheit ist, dass ich, wie so viele andere, nichts davon wissen wollte. Ich habe mir eingeredet, man brächte dich einfach fort an einen anderen Ort. An einen, an dem du alt werden kannst. In der Nacht umgeben von deinen Freunden.

Nur ich, der Feigling ohne Traum bleibe zurück. Klammere mich an verblassende Bilder und warte auf das traumlose Dunkel.
 

Blumenberg

Mitglied
Hallo Vagant und unbekannter Teilnehmer,

vielen Dank für die guten Wertungen! Ich freue mich, wenn der kurze Text gefallen hat und ein wenig zum Nachdenken anregt.

Beste Grüße

Blumenberg
 

Kassandro

Mitglied
Respekt, lieber Blumenberg, Du zeigst eine zunehmende Bandbreite in der litararischen Form.

Diesmal also ein innerer Monolog, der einem verpassten Dialog hinterher trauert, eine quälende innere Auseinandersetzung, die nur schemenhaft die schuldhaften Umstände in der Vergangenheit preisgibt, keine Aufarbeitung, die zur Versöhnung mit ihr fände. Auch wenn die harte Selbstanklage im Wort Feigling am Schluss steht. Dir ist eine bemerkenswerte Darstellung innerer Zerrissenheit gelungen, in der der Versuch, sentimentaler Selbstberuhigung mit dem Verdacht im Kampf liegt, sich selbst zu belügen.

Ich habe Deinen Text jetzt dreimal gelesen - er hat einen langen Nachhall, wobei auch die zentrale Metapher "Traum" eine wichtige Rolle spielt. Gut, dass Du Dich ganz frei gehalten hast von vulgärpsychologischen Schemata. So werden die vielen Fragen nicht ruhiggestellt, mit denen dein Stückchen den Leser zurücklässt, z. B. welche Rolle das Träumen für Lebendigkeit und Empathie spielt, ob wir den Raum brauchen, wo etwas unverfügbar zu uns kommt, oder uns wünschen, in bilderlosem Tiefschlaf die Wirklichkeit ausknipsen zu können?

Eine Schlussbemerkung: Es sind - auch auf leselupe - ja immer die Stimmen da, die seufzen: Nicht schon wieder Nazizeit. Ich finde, dass Dein Text einmal mehr zeigt, dass diese Vergangenheit ein Katalysator für existentielle Fragen ist. Ich schreibe politischen Essay und bringe jetzt einmal ein berühmtes Politikerdiktum ins Spiel: "Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen!" Bei Deiner Salome ist einer im Dunkel des traumlosen Realismus krank geworden.

Danke und herzliche Grüße
von Kassandro

P.S. Heute ist der 100. Jahrestag der Ermordung Rosa Luxemburgs, von der Deine Geschichte Eden Hotel handelt.
 

Blumenberg

Mitglied
Lieber Kassandro,

vielen Dank für die intensive Auseinandersetzung mit meinem Text und den ausführlichen Kommentar. Ich wollte einmal eine etwas andere literarische Form wagen, wobei die Geschichte in kleinen Andeutungen eher implizit erahnt werden kann. Ob mir das gelungen ist sollen andere beurteilen, dafür steht der Text in diesem Forum.

Hannah Arendt hat in einer ihrer Vorlesung einmal darauf verwiesen, dass beim völligen Zusammenbruch der Moral in der NS-Zeit weniger die damaligen Verbrecher interessant sind, sondern vielmehr die, die sich gleichschalten, sich arrangieren, womit sie moralische Grundsätze, die sie eigentlich akzeptieren, auf den Rang reiner Gewohnheiten herabwürdigen, die man wechseln kann wie die Kleidung. Dazu und das habe ich versucht zu zeigen gehört ohne Zweifel die Fähigkeit sich selbst zu belügen. Nur so kann es dem Protagonisten eine Zeit lang gelingen sich einem Nachdenken über das Verdrängte zu entziehen. Ich habe versucht einen Moment einzufangen, in dem diese Lüge im Erinnern an Salome brüchig wird.

Wenn der Protagonist darauf verweist, dass man sich nicht aussuchen kann was man träumt, deutet dies meines Erachtens auch auf ihn selbst hin. Man kann sich eben auch nicht aussuchen, was man erinnert, wenn Verdrängtes sich einen Weg zurück ins Bewusstsein sucht. Damit ist, hier teile ich deine Einschätzung, ein existenzielles Grundmotiv aufgerufen, dass sich als zeitlos erweist und damit eine fortwährende Aktualität beanspruchen kann. Dabei liegen mir aber Deutungen dieses Geschehens auf psychologischer Ebene fern, da dies ein Gebiet ist in dem ich mich nicht auskenne.

Beste Grüße

Blumenberg

P.S. Es hat sich, wenn du mir den Hinweis gestattest, ein kleiner Fehler in deinem Verweis auf Rosa Luxemburg eigeschlichen, es hat sich am 15. der Todestag gejährt, aber erst zum 98. mal, da sie 1919 ermordet wurde.
 

steyrer

Mitglied
Hallo Blumenberg!

Die Geschichte ist, soweit ich es beurteilen kann, recht stimmig und die Anspielungen „sitzen“. So weit, so gut. Nur eines: Wann genau erinnert sich der Icherzähler eigentlich an seine Salome? Noch im Dritten Reich, in der direkten Nachkriegszeit oder später? Ich halte diese Information für bedeutend, weil es ja kein Text aus der Nachkriegszeit ist, sondern eben von heute.

Schöne Grüße
steyrer
 

Blumenberg

Mitglied
Hallo steyrer,

zunächst einmal vielen Dank für die Beschäftigung mit meinem Text. Ich freue mich, dass er überzeugen konnte.

Was deine Anmerkung betrifft: Du hast Recht, die Geschichte spielt durchaus im Heute oder zumindest im erst kurz vergangenen Gestern. Ich habe keinen konkreten Punkt benannt, da verdrängte Erinnerungen, wie ich in der Anmerkung an Kassandro geschrieben hatte, dazu neigen sich unerwartet wieder ins Bewusstsein drängen, man gewissermaßen nie vor ihnen sicher ist. Dies sollte die Vagheit des Erzählzeitpunktes verdeutlichen Ich habe aber eine zeitliche Eingrenzung dieses Zeitpunkt implizit eingeschoben.

So beschreibt der Protagonist, dass die Erinnerung verblasst und tief verschüttet ist und liefert damit einen Hinweis darauf, dass aus dem vor meinem geistigen Auge in der NS-Zeit jungen Mann mitterweile ein alter geworden ist. Daneben liefern die Sätze:
Einer Hölle, von der ich mir später einredete, nichts geahnt zu haben. Die Wahrheit ist, dass ich, wie so viele andere, nichts davon wissen wollte.
einen weiteren Hinweis, dass das Geschehen schon ein Weilchen zurückliegt.

Ich hoffe, dass dies ausreicht den Leser die zeitlichen Abläufe zumindest im Groben nachvollziehen zu lassen.

Beste Grüße

Blumenberg
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Blumenberg,

Deine Geschichte ist dermaßen kryptisch, dass ich sie mehrmals lesen musste, um zu sie vollends zu verstehen. Deshalb überzeugt sie mich nicht. Vor allem finde ich sie unlogisch: Salome träumt bereits vor ihrer Deportation? Wovon? Oder wieso?

Einen Fehler

Teil eines früheren Selbst, dass mir längst fremd geworden ist.
könntest du noch verbessern: ein s zu viel.

LG
DS
 

FrankK

Mitglied
Hallo, Blumenberg
Ein eindrucksvoller Text.
Ja, etwas kryptisch, wie DS anmerkte, auch wenn ich ahnte, worauf es zielte. Auch ich musste zweimal lesen, bevor sich alle Gedanken deines Ich-Prot auch mir erschlossen.

Eine tiefenpsychologische Analyse hast Du geschickterweise vermieden (angewandte Psychologie hätte diesen Text ruiniert).
Die Fragen, die Du mit dem Text aufwirfst, bleiben weitgehend unbeantwortet, ich als Leser kann nur versuchen, die passendsten Antworten für mich selbst zu finden.

Erbsenzählerei möchte ich mir hier ersparen. Vielleicht schaust Du selbst noch einmal über die Komma-Setzung.

Eine Anmerkung – bezüglich des dritten Abschnittes:
Wie lange ist es her, dass ich zuletzt an dich [blue]gedacht[/blue] habe? Du bist Teil einer [blue]vergangenen[/blue] Welt. Teil eines früheren Selbst, dass mir längst fremd geworden ist. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass ich so lange nicht an dich [blue]gedacht[/blue] habe. Wir verändern uns, werden unweigerlich zu anderen und die Beziehungen, die wir zurücklassen gehören nicht mehr uns. Sie gehören dem [blue]Vergangenen[/blue]. So ist es auch mit dir gewesen, Salome. Ich habe dich unter zahlreichen Schichten eines sich auf den Trümmern des [blue]Vergangenen[/blue] immer wieder erneuernden Ichs vergraben. So tief, dass ich irgendwann vergessen musste, dass die Bahn deines Lebens sich für einen Augenblick mit meiner überschnitten hat, beide einen kurzen Teil der Strecke gemeinsam gelaufen sind. Eben weil dies der Lauf der Dinge ist. Das möchte ich glauben, auch wenn ich weiß, dass es gelogen ist.
Ein bisschen viel „vergangenes“ und „gedachtes“ ballt sich hier, teilweise wiederholen sich die Aussagen. Hier störte es mich besonders stark, weil gerade hier auch die intensivsten Elemente konstruiert wurden.


Herzlichst Grüßend
Frank
 

Blumenberg

Mitglied
Hallo Doc,

besten Dank dafür, dass du mir die Gründe nennst, warum dich der Text nicht überzeugt. Allerdings kann ich die von dir festgestellte logische Inkonsistenz der Geschichte auch nach nochmaligem Lesen nicht nachvollziehen.
Ausgangspunkt ist ein vom Protagonisten erinnertes Gespräch mit Salome darüber, ob der Protagonist träumt. Auf seine Antwort er tue das nicht, berichtet ihm Salome, dass sie fast jede Nacht träume. Der Inhalt dieser Träume spielt spielt m.E. keine für die Geschichte wesentliche Rolle, da es hier um das Träumen im allgemeinen geht, welches den Ausgangspunkt für die Überlegungen des Protagonisten ergibt. Das die Träume vor der Deportation wohl aber eher positiv sind, ergibt sich aus ihrer Aussage, diese seien ihr zu Freunden geworden. Was Salome träumt spielt erst danach eine Rolle, indem er überlegt, dass Salome auch nach ihrer Deportation träumen wird und sich fragt, was das wohl sein wird. Ohne allerdings zu einem befriedigenden Ergebnis zu kommen spielt er dabei mehrere Möglichkeiten und die sich aus diesen ergebenden Konsequenzen durch.
Ich hoffe das schafft ein bisschen Klarheit in Bezug auf den logischen Aufbau.

Was das Kryptische angeht, habe ich bewusst viele offene Punkte und Fragen eingeflochten, da es mir darum ging Deutungsräume für den Leser der Geschichte zu schaffen, die dieser mit je eigenen Assoziationen füllen kann.




Hallo Frank,

es freut mich, dass dir die Geschichte gefallen hat. Ich habe oben bereits geschrieben, dass es mir hier nicht um irgendein Psychogramm des Protagonisten ging. Auch wenn der Text letztlich in einer Selbstanklage endet, wollte ich seine Überlegungen nicht analysieren, ausdeuten oder gar in irgendeinerweise bewerten. Erstens verstehe ich davon nichts, zweitens will ich es dem Leser überlasse, ob er dies für sich tun möchte oder nicht.


Euch beiden vielen Dank für die Fehlererkennung bzw. die Hinweise zu den Wiederholungen. Das werde ich mir noch einmal gründlich vornehmen.



Beste Grüße

Blumenberg
 

Blumenberg

Mitglied
Salome oder das Träumen​


„Träumst du manchmal“ hast du mich einmal gefragt. Meine Salome mit dem langen, gelockten Haar, den kirschroten Lippen und den kleinen Fältchen um die Augen, die deinem Gesicht immer den Eindruck eines Lächelns verliehen.

„Ob ich träume? Nein, ich glaube nicht sehr oft und wenn, dann erinnere ich mich nicht“, war meine Antwort. Damals schien mir das nicht weiter wichtig. Manche Menschen träumen, andere nicht. Du hast dich ein wenig aufgerichtet und mich ernst angesehen. Ich glaube, du wolltest etwas sagen, doch der richtige Augenblick ist ohne Worte vorbeigezogen und du konntest ihm nur ein Lächeln hinterherschicken. Ein wehmütiges Lächeln, das ich nicht verstanden habe. Heute weiß ich, wie wichtig deine Frage war und ich wünschte, du könntest mich im Traum besuchen. Ich stelle mir dich dort lebhafter vor. Lebendiger als die lange verschütteten, schwach gewordenen und immer weiter verblassenden Bruchstücke meiner Gedankenbilder, die alles sind, was mir von dir geblieben ist.

Wie lange ist es her, dass ich zuletzt an dich gedacht habe? Du bist Teil einer vergangenen Welt. Teil eines früheren Selbst, das mir längst fremd geworden ist. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass ich so lange nicht an dich gedacht habe. Wir verändern uns, werden unweigerlich zu anderen und die Beziehungen, die wir zurücklassen gehören nicht mehr uns. Sie gehören dem Vergangenen. So ist es auch mit dir gewesen, Salome. Ich habe dich unter zahlreichen Schichten eines sich auf den Trümmern des Vergangenen immer wieder erneuernden Ichs vergraben. So tief, dass ich irgendwann vergessen musste, dass die Bahn deines Lebens sich für einen Augenblick mit meiner überschnitten hat, beide einen kurzen Teil der Strecke gemeinsam gelaufen sind. Eben weil dies der Lauf der Dinge ist. Das möchte ich glauben, auch wenn ich weiß, dass es gelogen ist.

„Ich träume fast jede Nacht. Meine Träume sind mir zu Freunden geworden“
, hast du damals zu mir gesagt. Konnten die Träume die kommen mussten dir jemals zu Freunden werden? Haben sie dein Leid gelindert oder hat das, was du im Traum erlebtest es nur verdoppelt? Haben die schwarz gekleideten Henker mit dem Totenkopf am Revers dich auch in der Nacht besucht? Sie zu einem Abbild deines Tages werden lassen?
Habe ich dich manchmal an diesem Ort der Verzweiflung besucht meine Salome? Konnte ich wenigstens im Schlaf ein treuer Freund sein? Oder habe ich dich dort ebenso gemieden, wie ich es in den Wochen getan habe, bevor sie dich holten?
Vielleicht ist das der Grund warum ich dich vergessen musste, aus Angst auch in deinen Träumen versagt zu haben, widerstandlos beiseite gedrängt von denen die dich mir genommen haben. Es sähe mir ähnlich.

Wir können uns nicht aussuchen, wer uns in unseren Träumen besucht. Wäre es da nicht gnädiger, zu sein wie ich es bin. Jede Nacht in ein traumloses Dunkel zu gleiten. Ich ertappe mich dabei, dass ich mir vorstelle, du wärst mir gleich geworden. Hättest deine Freunde und damit auch mich hinter dir gelassen. Uns eingetauscht gegen Nächte ohne Bilder und Erinnerungen. Dann wäre es leichter geworden. Das möchte ich glauben. Aber bringe ich dich damit nicht auch noch um die letzte Erleichterung, die letzte Fluchtmöglichkeit aus der Hölle, in die dich dein Los verbannt hat?

Einer Hölle, von der ich mir später einredete, nichts geahnt zu haben. Die Wahrheit ist, dass ich, wie so viele andere, nichts davon wissen wollte. Ich habe mir eingeredet, man brächte dich einfach fort an einen anderen Ort. An einen, an dem du alt werden kannst. In der Nacht umgeben von deinen Freunden.

Nur ich, der Feigling ohne Traum bleibe zurück. Klammere mich an verblassende Bilder und warte auf das traumlose Dunkel.
 



 
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