Samstagabend

murmeltier

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Zum dritten Mal hatte ich das Fernsehprogramm durchgesehen. Vor halb elf kam heute Abend nichts. Und der Film, der dann gezeigt wurde, war auch noch eine Wiederholung. Das Programm wird auch immer mieser.
Wieso zahlt man denn noch Gebühren? Immer die gleiche Frage, die man sich dann stellt. Und doch läuft alles so weiter wie bisher. Wer meldet schon seinen Fernseher ab?
In der Küche machte ich mir ein Spiegelei. Um nicht nur die traurige Stille in der Wohnung zu hören schaltete ich das Radio ein. Mist, gerade Nachrichten. Wird auf allen Sendern ähnlich sein. Aber lieber Nachrichten auf englisch. Da versteht man nicht alles, daher leichter zu ertragen. Der Engländer hat sogar eine weichere Stimme als der deutsche Sprecher. Ob der wohl so richtig wie ein alter Genlteman ins Studio kommt? Ich stellte mir den Engländer in der kleinen Sendekabine vor. Seine schwarze Melone liegt vor ihm auf dem kleinen Tisch. Der Regenschirm hängt mit der Krücke an der Tischkannte. Ich lächelte müde darüber.
Mir fällte gerade noch rechtzeitig mein Spiegelei ein. Scheiße, schon wieder hart. Dabei mag ich sie lieber
weich. Das Dotter so richtig zum schlürfen oder bekleckern, wenn man Pech hat. Ich sollte mir mal wieder was Vernünftiges zusammenkochen, denke ich. Aber nur für mich allein? Das macht mir keinen Spaß. Oder ein paar Leute einladen und dann für die kochen. Ja, das könnte man mal wieder machen. An einem Wochenende am besten, da hat man Zeit. Die Nachrichten sind vorbei. Der Engländer bringt Sportberichte.
Die kann er behalten. Ich suche den deutschen Sender. Das ist schon besser. An der Stimme des Ansagers
erkenne ich die Sendung, die ich mir oft wegen der guten Musik anhöre. Ich mache die Kaffeemaschine fertig, hole Tabak und setze mich wieder an der Tisch. Ich stecke die Zigarette an und höre dem Sprecher zu.
Wenigstens eine menschliche Stimme. Und gute Musik.
Aber ich will heute Abend nicht alleine zuhause bleiben. Ich will raus, Menschen sehen, oder einfach nicht
alleine in der toten Wohnung sitzen. Was kann ich machen? Jemanden besuchen?
Der Kaffee ist fertig. Heute trinke ich ihn mal mit viel Milch und Zucker, wie in Frankreich. Ah ja, der franzö-
sische Milchkaffee, der ist echt gut. Ich möchte mal wieder nach Frankreich. Zuletzt war ich mit Bibi da. Mit dem bin ich fast immer in der letzten Jahren in Urlaub gefahren. Vielleicht sollte ich mal bei ihm heute Abend
vorbeigehen. Aber ob der überhaupt zuhause ist? War da nicht irgendwas an diesem Wochenende? Mensch, er hat doch vorgestern irgendwas gesagt. Was war das denn noch? Scheiße, ich vergesse aber auch alles. Ach, stimmt ja. Sein Opa in Duisburg hat Geburtstag. Da ist er erst wieder am Sonntagabend zurück. Also Bibi fällt schon mal aus. Und Hartmut? Der ist bestimmt nicht zuhause. Am Wochenende ist er immer unterwegs. Wieviel Leute der aber auch kennt, die er besuchen kann. Letzte Tage hat er was erzählt, daß er sich schon wie im Streß fühle. Er will jede Menge Leute sehen und weiß nicht, wie er das zeitlich schaffen soll.
Ihm scheint´s in letzter Zeit wieder ganz gut zu gehen. Ist oft so, wenn man neue Leute kennenlernt. Das ist die Anfangszeit, in der man sich gegenseitig entdeckt. Später sieht man dann, ob man zu Freunden wird oder nur Bekannte bleibt. Da scheint irgendwo so ´ne Art Weiche zu sein, denn das Kennenlernen ist eigentlich immer gleich. Hängt wohlt auch sehr vom Interesse füreinander ab.
Der Kaffee ist schon lauwarm. Heute habe ich keine Lust auf kalten Kaffee und trinke ihn schnell aus. Tja, was mach ich heute? Wohin mit mir? Immer diese gleiche leidige Frage an den Wochenenden, an den langen Abenden nach der Arbeit, wenn ich die ganze Woche über zuhause bleibe. Wohin kann man denn schon gehen?
Ich drehe mir noch eine Zigarette. In welcher der Kneipen, die mir gefallen, war ich denn schon länger nicht?Obwohl es fast egal ist, wo ich hingehe. Heute Abend wird es überall wieder knallvoll sein. Leute, die an der Theke Bier trinken. Tische mit Leuten, die sich kennen. Lachende Gesichter und traurige Gesichter. Wie an jedem Wochenende in den Kneipen, die ich kenne.
Ich gehe aufs Kloo und überlege, was ich anziehen soll. Es ist schon kühl draußen, besser eine dicke Jacke. Ich schaue in den Spiegel, lächele einmal. Fast um zu sehen, ob ich´s überhaupt kann. Ich weiß dabei, daß ich so niemals herausfordend ein Mädchen anlachen würde. Ob daher das Wort vom "sich jemand anlachen" kommt? Ich ziehe die Stiefel an, weil ich gern in ihnen gehe, schnüre die Jacke zu und gehe hinaus.
Draußen bleibe ich einen Moment lang vor der Haustür stehen, um zu schnuppern, wie die Luft ist. Der Sommer, er scheint vorbei zu sein. Kühler Wind kommt von der Straßenecke her. Ich wende dem Wind meinen Rücken zu und gehe los, leicht angeschoben durch meinen luftigen, kühlen Freund. Ich mag den Wind. Am liebsten habe ich es, wenn ich gegen den Wind gehe und ich ihn im Gesicht und in den Haaren spüre, die er nach hinten zieht. Ich mag nicht, wenn er, wie heute Abend, von hinten kommt und mir die Haare in die Augen weht.
Ich gehe langsam Richtung Innenstadt. Auf dem Weg dorthin ein paar Päarchen, die sich an den Händen halten oder Arm in Arm gehen. Was machen die wohl heute Abend? Wollen sie nur allein sein, um sich gegenseitig zu zeigen, wie sie sich lieben? Wie lange werden die Beiden wohl noch zusammen sein, frage ich mich manchmal.
Wenn ich Liebespaare sehe, wird mir manchmal stärker als sonst bewußt, wie alleine ich bin. Mir fällt ein, daß ich früher sehr neidisch auf die Paare war. Ich fragte mich damals, ob das denn unbedingt sein müsse,
daß sie sich auf der Straße abknutschen und allen zeigen, wie gern sie sich haben. Wußten die eigentlich,
wie sie damit manchmal Menschen in ihrer Einsamkeit treffen konnten? Wußten die, wie quälend es manch-
mal war, wenn man als einsamer Einzelner immer und immer nur glückliche Päarchen sah?
Heute weiß ich, daß ich damals nur neidisch war. Wohl auch mit einem Schuß Selbstmitleid. Die Menschen
sind doch nichts weiter als glücklich. Und das zeigen sie nicht so sehr anderen, als daß sie sich eben einfach
ungezwungen verhalten. Sie lieben sich und ihnen ist es egal, wo sie sind und wer sie sieht. Sie sind glück-
lich und können´s nur sein, wenn sie wenigstens für kurze Zeit das Unglück um sie herum vergessen.
Heute bin ich fast auf dem Weg, mich für die Paare zu freuen. Sie geben sich so etwas Liebe, Glück, Geborgenheit, Wärme. Und das braucht wirklich jeder Mensch. Erst recht in der Welt von heute, die immer
kälter wird und einen neuen Menschen hervorbringt: den denkenden, berechnenden, vorwärtsstrebenden
Menschen, der merkt, daß zuviel Gefühl ihm nur hinderlich sein kann. Sachlichkeit, kühle Überlegung und
Planung entscheidet heute, nicht Gefühl.
Ich gehe in eine Imbißstube, um mir Pommes zu holen. Ich betrachte die Frau hinter der Theke. Sie scheint um die Vierzig zu sein, obwohl sie durch das aufgetragene Make up jünger aussieht. Der aufmerksame Beobachter sieht jedoch die Falten an den Augen und die durchschimmernde, großporige Haut. Ob die Frau verheiratet ist? Warum arbeitet sie hier? Wie lange steht sie wohl hinter der Theke? Die haben bestimmt bis nach Mitternacht auf. Und dann am Samstag hier arbeiten. Gibt bestimmt manchmal Ärger mit Besoffenen.
Ich gebe ihr das Geld und kriege meine Pommes mit Mayonnaise dafür. Sie schaut mich kaum an, fragt schon das Mädchen hinter mir, was sie bekommt. Eingespieltes Lächeln dabei, aber die Augen sind müde oder nur gelangweilt.
Ich bin wieder auf der Straße, jetzt schon zwischen den Geschäften der Innenstadt. Ich gehe langsam und esse vorsichtig die verdammt heißen und fettigen Fritten. Schaue gleichgültig in die Schaufenster der Geschäfte, an denen ich vorbeigehe. Schaue den Menschen in die Gesichter, die mir entgegenkommen.
Wenn sie alleine sind, schauen sie meistens vor sich hin. Oder in die Schaufenster. Oder auf die Leucht-
reklamen. Oder mir in die Augen, so als wenn sie wüßten, daß wir aus der gleichen Familie sind. Verlorene Einzelne an einem Samstagabend in einer großen Stadt.
Ich komme an Kinos vorbei und gucke mir die Bilder in der Kästen an. Nackte Frauen, heldenhafte Männer,
Trickbilder aus der Kindervorstellung, ernste Gesichter aus den sogenannten Problemfilmen. Ich bin noch nie alleine im Kino gewesen. Es scheint mir schlimmer zu sein, als wenn man alleine fernsieht.
In meiner Einbildung sehe ich ein vollbesetztes Kino. Alles Leute, die alleine reingegangen sind. Sie schauen sich gemeinsam den Film an. Vielleicht sinnigerweise ein Problemfilm über das Alleinsein und darüber, was man dagegen machen kann. Natürlich mit einem nicht allzu normalen Happy-End. Der Film ist aus und alle gehen genauso einsam aus dem Kino, wie sie hineingegangen sind. Auf der Straße vor dem Kino zerstreuen sie sich schnell. Jeder denkt alleine über den Film, den er eben gesehen hat, nach. Man findet ihn gut, da es nicht schwer war, sich darin wiederzufinden. Man hat einen guten Film gesehen. Das Gesicht des Kinonachbarn ist einem völlig unbekannt. Man hat ihn auch gar nicht angesehen. Schließlich kam man ins Kino, um den Film zu sehen.
Mir kommt eine Gruppe jüngerer Leute entgegen. Sie scheinen alle gut gelaunt, reißen Witze, lachen laut und gehen vorbei. Wohl einer dieser Kneipentische, denke ich, der nur dabei ist, das Lokal zu wechseln. Vielleicht gehen sie auch zu ´ner Fete oder haben sonstwas vor. Ich gehöre jedenfalls nicht dazu und denke nicht weiter drüber nach.
An der Fußgängerampel muß ich warten. Ich krame den Tabak aus der Jacke hervor und stehe noch da, als es schon Grün wird für die Fußgänger. Ich gehe langsam rüber und achte darauf, daß ich das Blättschen mit dem Tabak nicht verliere. Drüben bleibe ich stehen und drehe die Zigarette zu ende. Ich stecke sie an und drehe mich zur Straße um. Wo die ganzen Autos wohl hinfahren? Ich schaue mal genauer hin und sehe, daß in den meisten Wagen ein oder zwei Leute sitzen. Auch wieder oft Paare. Keine Familien, denke ich. Für die ist hier auch nichts. Familien fahren sonntags aufs Land vor die Stadt. Dort gehen sie spazieren. Was sollen Familien an einem Samstagabend in der Innenstadt.
Ich gehe in eine Kneipe. Eine ganz normale, kein spezieller Treff von jungen Leuten. Ich stelle mich an die Theke da ich weiß, daß ich hier nicht lange bleiben werde. Will nur ein, zwei Bier trinken und ansonsten nur sehen, was hier läuft. Reines Interesse.
Das bestellte Bier wird mit einem freundlichen "Zum Wohle" des Wirtes vor mich hingestellt. Neben mir wird geknobelt, um eine Runde Bier und Korn. Der Flipper ist frei, der Spielkasten daneben besetzt. Einer, der mit seinem Bier vor dem Apparat steht, spielt. Na ja, spielen stimmt da wohl nicht. Er wirft ab und zu Geld rein und hofft, die Gewinnserie zu kriegen. Es sind nur ein paar Tische besetzt. Alles Paare, bis auf einen Tisch mit Jugendlichen. Die machen Stiefeltrinken und drücken Musik.
Ich trinke noch ein Bier und rauche eine Zigarette. Ein Betrunkener kommt rein und stellt sich neben mich.
Der Wirt scheint ihn warten zu lassen, hofft vielleicht, daß der Typ wieder rausgeht. Er ruft nach Bier, der Wirt kommt und sagt, daß er ihm nur ein Bier geben würde. Dann hätte er genug und solle gehen. Der Betrunkene schüttelt schweigend den Kopf. Ich falle ihm auf. Er versucht, mich mit seinem unklaren Blick anzupeilen. Es scheint nicht zu klappen. Schließlich läßt er den Kopf kurz hängen, um ihn sofort wieder nach oben zu werfen. Sein Bier ist da.
Draußen genieße ich den kühlen Wind. Die Stadt scheint voller geworden zu sein. Mehr Leute laufen jetzt herum. Ich gehe Richtung "Spektrum" und hoffe, daß es dort nicht allzu voll sein wird. Auf dem Weg dorthin bleibe ich vor einem Buchladen stehen und lese die Buchtitel. Mir fällt ein, daß ich zu Hause viele Bücher herumstehen habe, die ich noch nicht kenne. Warum bleibe ich nicht zu Hause und lese? Ich weiß doch, daß diese Rumlaufen nichts bringt. Ich gehe weiter. Als ich an einem Polizeiwagen vorbeigehe, ist mir micht gut zumute, obwohl ich noch nie was mit den Bullen zu tun hatte. Immer wenn ich sie sehe, habe ich ein eigenartiges Gefühl. Vielleicht wegen ihren unbewegten Gesichtern, aus denen kalte Augen auf die Straße und die Menschen schauen. Komisch, ich schaue ihnen immer extra in die Augen. So als wenn ich sagen wollte: Guckt, ich habe keine Angst vor euch. Obwohl ich ganz gehörige Angst hätte, wenn die Bullen wüßten, was ich von ihnen halte. Einmal habe ich sie auf einer Demonstration gesehen, wie sie begeistert auf Menschen eingeschlagen haben. Manche schienen nur auf das Kommando "Schlagstock frei" zu warten. Für mich sind es Schweine, die sich feige und gewissenlos hinter der Behauptung verstecken, sie würden wie jeder andere auch nur ihren Beruf ausüben. Kann man zum Prügeln berufen sein?
Kann man sich zum Menschenjäger berufen fühlen?
Im "Spektrum" finde ich glatt einen freien Hocker an der Theke. Nach dem kühlen Wind draußen ist es wenigstens angenehm warm hier. Ich bestelle ein großes Bier und drehe mir eine Zigarette. Ich fühle mich gut hier. Die Musik gefällt mir, die Leute hier bilden eine Mischung aus Studenten, Ausgeflippten, Punkern, jungen Mädchen, Feministinnen und anderen, die man in Rockläden wie diesem eben findet. Man hört die Musik, trinkt was, unterhält sich, starrt vor sich hin, berauscht sich, bringt die Zeit rum, fühlt sich gut oder gelangweilt oder ist einfach da, weil man nicht weiß, wohin sonst.
Ich trinke gemütlich Bier, höre Musik und beobachte die Leute. Auch hier Gruppen, aber manchmal so, daß man nicht weiß, wer zu welcher Gruppe gehört. Erst recht ist es schwer herauszufinden, wer mit wem geht. Viele kennen sich untereinander. Dabei fällt mir auf, daß ich sehr selten Kontakt zu anderen kriege. Es gibt Leute, die sind ein paarmal in dem gleichen Laden und kennen dann schon fast alle von den Leuten, die öfter dahinkommen. Ich war auch schon öfter hier, kenne aber keinen. Manchen Gesichter kenne ich vom Sehen her, mehr aber auch nicht. Ich lege es nie darauf an, in Kneipen Leute kennenzulernen. Ich weiß, daß ich sehr kontaktarm bin. Ich will aber auch nichts mehr dagegen tun. Ich habe mich wohl damit abgefunden, alleine herumzusitzen, Bier zu trinken, zu rauchen und dabei die Leute genau und gerne zu beobachten.Lang-
weilen tu ich mich dabei selten, da es eigentlich immer was zu sehen gibt. Oder bei Gesprächen mitzuhören. Manchmal denke ich, daß ich der geborene Zuhörer und Zuschauer bin. Gar nicht so bestimmt dazu, wirklich zu leben, als dazu erschaffen, auf der Erde herumzuhängen und das Leben anderer wie ein Geschichts-
schreiber zu beobachten. So wird sogar das Alleinsein erträglich und scheint einen tieferen Sinn zu haben.
Dabei ist das wohl nichts anderes als eine Entschuldigung für die eigene Unfähigkeit, andere Menschen anzusprechen, sie kennenzulernen.
Ich sehe mir die Mädchen an und passe auf, daß ich sie dabei nicht zu offensichtlich betrachte. Manche haben hübsche Gesichter. Und was für einen Körper manche haben. Der fordert gerade dazu heraus, sie an sich zu drücken, sie abzuküssen und sich zu wünschen, mit ihnen zu schlafen. Bei manchen frage ich mich,
ob sie eigentlich schon alt genug sind, um jetzt noch hier zu sein. Oder ob sie schon alt genug sind, um mit ihnen legal ins Bett steigen zu dürfen.
Ich erinnere mich an meine letzte Freundin. Wie lange ist das schon wieder her? Wohl auch schon so sechs Monate. Es wäre sowieso nicht gut gegangen mit uns beiden. Ich hatte für sie einfach zuviel düstere Gedanken, wie sie meinte. Ich fand ihrer Meinung nach nicht genug Spaß am Leben, womit ich ihr auch die Lebensfreude nahm. Und die wollte sie sich nicht nehmen lassen. Was hätte ich daran ändern können?
Ich erinnere mich an manche heiße Nacht mit ihr. Außerdem das Gefühl des totalen Verliebtseins. Es war schon herrlich gewesen. Und manchmal spürte ich auch sowas wie tiefe Glückseligkeit. Vor Jahren hätte ich nicht geglaubt, daß ich zu solchen Gefühlen nach den zu einsamen Jahren noch fähig gewesen wäre. Doch, Verliebtsein ist schon in Ordnung, sagte ich zu mir und trank mein Bier aus.
Ich bestelle mein letztes Bier da ich anfange, mich zu langweilen. Außerdem bin ich müde und etwas angetrunken. Ich rauche mal wieder zu viel, denke ich, als ich wieder eine Zigarette anstecke. Aber man lebt schließlich nur einmal. Und was bleibt mir denn sonst noch, wenn ich mal das Bier und das Rauchen weglasse. Ist schon ganz in Ordnung so. Wenn´s mich nicht stört, wen sollte es sonst stören? Es stört heute sowieso niemanden, wenn sich die Menschen um einen herum langsam selbst kaputtmachen. Oder wenn sie kaputtgemacht werden. Alles Zeichen von Schwäche. Und Schwächlinge kann die moderne Leistungsgesellschaft nicht gebrauchen. Im Rahmen der Überbevölkerung auch gar nicht so schlecht, wenn die einfach wegsterben.
Gezahlt habe ich schon, als mein letztes Bier gebracht wurde. So kann ich einfach gehen, als ich es ausge-
trunken habe. Draußen ist es recht kalt. Ich kriege das durch den Alkohol nicht mehr so genau mit, weiß aber, daß die Nächte kälter werden. Ich mache die Jacke bis obenhin zu und beschleunige den Schritt.
Ich will nur noch nach Hause, um mich ins Bett zu legen und zu schlafen. Unterwegs drehe ich einem Betrunkenen noch eine Zigarette. Er bedankt sich mit Handschlag. Ich sage "schon gut, Kumpel" und denke im weitergehen: wenigstens etwas, wozu der Abend gut war. Mir fiel auf, daß der Betrunkene der einzige Mensch gewesen war, den ich heute angefaßt hatte, und das nur, weil er Raucher war.
 



 
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