Sarah geht ins Gebirg (gelöscht)

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U

USch

Gast
Hallo Ofterdingen,
wundervoll geschriebene Geschichte mit subtilem Witz. Warum nicht unter Kurzgeschichten gepostet?

Ein kleiner Vertauscher:[red]hin mit[/red] umdrehen!
Sarah war jetzt richtig stolz: Sie hatte es geschafft, ihn in die Berge zu locken, und als sie erst einmal oben waren, kam er willig überall [red]hin mit[/red].
LG USch
 
Kurzprosa ist schon in Ordnung, auch wegen gewisser Freiheiten, die sich der Text nimmt. Einige Details sind so hübsch unwahrscheinlich, dass man wohl ein bewusstes Spiel mit den Reaktionen des Lesers vermuten kann. Wo wird es denn in einem so ordentlichen Land wie unserem vorkommen, dass Seilbahnen regelmäßig derart zweckentfremdet werden? Noch deutlicher die Stelle mit den häufigen Absturzopfern und dem lieblosen Gedenken an sie. Die bei Kurzprosa nicht selten anzutreffende Ironie findet sich auch in der Sprache, die im Kontrast zu diesen und weiteren Schröcklichkeiten bewusst nonchalant daherkommt.

Klar, es gibt auch auf der inhaltlichen Ebene eine Aussage. Ich erkenne sie in dem Kontrast zwischen Sarahs durchaus vernünftigen, berechtigten Erwartungen an einen Partner und dem nicht leicht zu durchschauenden Verhalten Georgs. Da der Hergang der Katastrophe nicht berichtet wird, ist der Leser auf Vermutungen angewiesen (geplanter Mord und Selbstmord oder Bergunfall aufgrund von Untauglichkeit?).

Mir gefiel's ausgezeichnet. Etwas gestört hat mich nur eine Kleinigkeit: das dreifache "sich" in Abschnitt 6, Zeile 4 und 5.


Freundlichen Gruß
Arno Abendschön
 

Ironbiber

Foren-Redakteur
Hat was ...

Und jetzt kannte sie Georg. Der konnte zuhören und ging behutsam mit den Dingen dieser Welt um, denn er wusste viel, hatte deswegen mehr Zweifel als Gewissheiten und entdeckte auch dort Zusammenhänge, wo andere nur unsortierte Brocken im Kopf hatten.
Könnte es sein, dass dieser Absatz doppelt steht?
Ich gehe nicht davon aus, dass dies ein Stilmittel ist und zur Geschichte gehört.

Ansonsten ein bemerkenswertes Stück, gut gemacht und voller Fragezeichen, die aber durchaus Sinn geben.

Es grüßt der Ironbiber
 

Val Sidal

Mitglied
Ofterdingen,

dein Text berührt durch die präzise Beobachtung, wie Jungerwachsene die vermeintliche Aussichtslosigkeit der Selbst- und Wir-Verwirklichung erleben und daran verzweifeln.

Nein, Sarah ist nicht Schuld an Georgs Depression. Aber die fünf Monate mit ihr, die jetzt Georg kannte, und befreit alles tun konnte, um ihre Figur stramm in Form zu halten, raubten ihm, der zuhören konnte und weil er viel wusste, mehr Zweifel als Gewissheiten hatte, auch das letzte Quäntchen Energie – den Willen zu leben.

Wie Sarah ihren geheimen Traum für sich behält, verrät Georg seinen letzten Plan auch nicht: Er steckt sein Kondom ein, zieht einen kleinen Schreibblock aus der Tasche und schreibt einen Abschiedsbrief, ohne Sarah zu erlauben, ihn zu lesen.

Nein, sagte Georg. Er holte eine volle Schnapsflasche aus seinem Rucksack und bot ihr einen Schluck an, wie zum Trost.
Dieses „Nein“, sein Gewicht im Kontext der Figur und der Geschichte, wirkt durch seine erbarmungslose Endgültigkeit brutal.
Von der Bergstation aus führte ein Weg [red]vollends[/red] hinauf zum Gipfel und von dort zu einem Berggasthof mit Tischen und Bänken im Freien.
Mein Sprachgefühl sagt mir, dass „vollends“ hier nicht passt – führt vollends ...?

Die präzise austarierte Ökonomie des Plots, die wohlüberlegte Lakonik des Stils sowie das ruhig getaktete Timing zwingen den Leser, Zeuge einer Katastrophe zu werden, die obwohl weder zwangsläufig, noch unausweichlich ist, der verstörenden Logik der emotionalen und sozialen (Selbst-)Zerstörung folgt.

Sarah wusste nicht, was Georg vor hatte; sie
war jetzt richtig stolz: Sie hatte es geschafft, ihn in die Berge zu locken, und als sie erst einmal oben waren, kam er willig überallhin mit.
Den Satz
Er kletterte sogar mit ihr über das Holzgeländer, und als sie hinabstürzten, nahm er sie liebevoll an der Hand und hielt sie fest bis zum Ende.
finde ich problematisch.
Der erste Teil „Er kletterte sogar mit ihr über das Holzgeländer,“ gehört logisch noch zu „Sarahs Erfolg“, wogegen der zweite Teil „und als sie hinabstürzten, nahm er sie liebevoll an der Hand und hielt sie fest bis zum Ende.“ schwenkt zu Georg um.
Ein harter Schnitt zwischen den beiden Blickwinkeln würde meiner Meinung nach das Problem lösen:
[blue]Sie hatte es geschafft, ihn in die Berge zu locken, und als sie erst einmal oben waren, kam er willig überallhin mit. Er kletterte sogar mit ihr über das Holzgeländer.
Als sie hinabstürzten, nahm Georg sie liebevoll an der Hand und hielt sie fest bis zum Ende.[/blue]
[strike]Niemand erfuhr, was auf dem Stück Papier stand.[/strike]
Der Schlusssatz ist überflüssig.

Wenn meine Lesart der Intention der Geschichte entspricht, dann kommt die Vorstellung der Figur Georg etwas zu kurz. Sarah kommt facettenreich und differenziert daher – ihr Konflikt ist gut erkennbar: Sie kann ihren Traum weder mit knallblöden, noch mit den schlauen Zuhörer-Typen leben:
Und dann kommt auf der nächsten Party der nächste Typ auf einen zu, auch er sieht gut aus, ist aber genauso knallblöd wie die Vorherigen, und immer so weiter, und die Abstände wurden immer kürzer, weil Sarah diese Art Typen immer weniger verknusen konnte.
Dabei hatte Sarah einen Traum, aber darüber mochte sie noch nicht einmal mit ihren Freundinnen reden,
Georg saß lieber am Computer und bewegte sich höchstens – und auch das bloß bei großer Hitze – bis zum nächsten Biergarten.
Georgs Konflikt/Verletzung/Verlust bleibt dem Leser verborgen – sein verlorener Traum. Das ist deswegen bedauerlich, weil dadurch sein Profil dem Klischeehaften zu nahe kommt. Die am Ende leere Schnapsflasche hat nicht die Kraft, auf ein eventuelles Alkoholproblem zu zeigen.
Das Problem ließe sich allerdings mit einem zusätzlichen Absatz lösen.


Wenn ich mit meiner Betrachtung daneben liege, dann – Pardon.
 

Ofterdingen

Mitglied
Herzlichen Dank für eure Kommentare, besonders Val Sidal für seine ungewöhnlich ausführliche und gründliche Beschäftigung mit dem Text. Sehr freundlich und hilfreich fand ich auch die Bemerkungen von Arno Abendschön, Ironbiber und USch. Die von euch angesprochenen verbesserungsfähigen Stellen habe ich mittlerweile korrigiert.
 

wüstenrose

Mitglied
Hallo Ofterdingen,

"Applaus - Applaus" spende ich hiermit. Bin ziemlich begeistert und werds bei Gelegenheit nochmal lesen, weil ich noch nicht alle Tiefen des Textes ausgelotet habe (ein Ton, der neugierig macht, länger drauf hinzuhören...)
Einmal hast du einen Punkt nicht getippt:

Ein Holzgeländer trennte den Biergarten von einem fast senkrechten Felssturz Eine Kellnerin
An folgender Stelle:

der nichts kapiert als Fußball und Autos
würde ich vermuten, dass es nichts kapiert außer heißen müsste, aber ich schicke hinterher, dass ich mich da täuschen kann.

lg wüstenrose
 
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