Eis
Mmh ja, hallo Rhea, man liest gern von Eis und Wasser dieser Tage, in denen man sich manchen Schritt erspart, weil zu schweißtreibend
Des Menschen Seele gleicht dem Wasser, Goethe sagt das - und Du sagst, sein Lebem dem Gehen auf Eis. Gefällt mir! Ein aussagekräftiges Bild, auch wenn hier nur von "Pflicht" und Schwierigkeiten die Rede ist, nicht von Kür, Paarlauf, Tanz. Und das Gedicht einen schwermütigen bis ans Morbide, Suizidale grenzenden (
Aus dem Wasser geboren, lockt der Grund) Charakter hat - der immer sich mühende Mensch, dessen höchste Vervollkommnung, Befriedigung bleiben wird, wenigstens zeitweise auf zwei Beinen aufrecht über gefährliche Glätte zu laufen.
Ich frage mich, nachdem der Text in weiten Strecken allgemeingültig, philosophisch formuliert ist, ob es auch ein Weg wäre, die letzten "Ich"-Bezüge allgemein zu halten - denn dass ein enttäuschtes, schlitterndes Ich spricht, ist auf jeden Fall durch die [einseitig gewichtete] Sicht der Dinge enthalten.
Unsicher schlittert der Schritt,
ein sicherer Stand von kurzer Dauer,
ein fester Tritt läßt den Boden splittern,
ein vorsichtiger bringt [meist] zu Fall -
nur eine Frage der Zeit.
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seltsam nur, daß die spiegelnde Fläche
dennoch zum Laufen verführt.
Inhaltlich hätte ich anzumerken:
vom eisigen Spiegel über die Welt getäuscht
Leuchtet mir nicht ein. Wenn ich von vornherein postuliere, dass die Welt eine Scheibe ist mit eisglatter Oberfläche, wie kann ich mich getäuscht fühlen? Es ist ja von keinem "Dahinter" die Rede, das schlitternd unmöglich zu erreichen wäre. - Was spiegelt der "eisige Spiegel" im Text? Allenfalls einen "Himmel", einen Gestirnelauf, Wolkenbilder.
Ich könnte mir eine offenere Formulierung vorstellen wie "über das Dasein getäuscht", den "Gang der Dinge" o. ä.
seltsam [nur], daß die spiegelnde Fläche
[uns] dennoch zum Laufen verführt.
Und, Kleinigkeit:
Aus dem Wasser geboren lockt der Grund,
in dessen Tiefe wir einst wieder sinken
- scheint mir nicht ganz sauber. Wir versinken in der/die Tiefe des Wassers (bis zum Grund), nicht in die Tiefe des Grundes. Oder? Auch wenn der Grund "tief" liegen mag.
Ohne Schlittschuhe geboren
Ja, das ist vollkommen richtig, ich sehe es vor mir. "Schlittschuhe" ist aber in diesem Eissee-Metaphertext so unendlich konkret - und aus der Realwelt. Könnte da auch etwas weniger Geläufiges stehen? Gleitschuhe??
ist Reflexion doch alles, was bleibt -
Ich verstehe, der Sprachfluss möchte gern dies "doch" im Satz halten. Aber es scheint mir entbehrliches Füllselwort, das keinen Sinn transportiert.
ist Reflexion letztlich (= am Ende) alles, was bleibt ???
und gebrochenes Licht weist den Weg.
Ist meine Lieblingsstelle!
gebrochenes Licht weist den Weg! Schön!
Die letzte Strophe habe ich wiederholt gelesen. Nachdem ich zuerst den Eindruck hatte, dass die "Sinnfrage"
seltsam ... an den Schluss gehörte, also erst die "Verführung" zum Laufen, dann die Schlitterpartie. Aber je öfter ich es lese, kommt der Text mir logisch vor im Ablauf.
Grüße vom Jongleur, heute durch schwüle Luft schlitternd. Geht nicht? Naja eigentlich nicht, käme man gleich zu Fall. Aber es gibt so 'ne wunderschöne Gedichtzeile "Ich setze meinen Fuß in die Luft" o. ä. von Rose Ausländer.