Schlusss mit lustig (gelöscht)

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Ji Rina

Mitglied
Das ist eine bizarre Geschichte. Von der Wandlung Jill Sander / Escada zu HM – bis zu den Kotzeimern, habe ich mich köstlich amüsiert. Flott geschrieben. So flott, dass nichts zu sagen bleibt, ausser: Danke.
 

herziblatti

Mitglied
Hallo Ji, danke Dir. Bin beglückt, wenn ich zu Deiner Erbauung beitragen konnte :) bei dem Wetter kann man eine leichte Aufheiterung gut brauchen, denk ich mal. LG vom herziblatti
 

rothsten

Mitglied
Hallo Heidi,

mich holt der Text nicht ab. Der innere Wandel von Pol zu Pol könnte kaum krasser sein. Dass er sich hier so schnell vollzieht, überfährt mich. Ich will nicht sagen, dass Du kein Motiv gezeichnet hättest, aber auch hier reicht es mir nicht. Nur die "55" kann es ja nicht sein, denn sonst müsse ja jeder eine Kehrtwende machen, der dieses Alter erreicht hat. Mit 66 fängt ja auch nicht das Leben an.

Der Konflikt ist mir daher zu schwach auf der Brust. Ich wünschte mir mehr Pinsel und Farbe, damit ich nicht nur die Falten im Gesicht der A.E.M sehe, sondern vor allem auch die Falten ihrer Seele.

Soweit mein Kurzeindruck.

lg
 

herziblatti

Mitglied
Hallo rothsten, danke für das Feedback, ich werde den Text nochmal bebrüten.
Ich spüre mit diesem zuspitzenden Text dem Unbehagen nach, das mich nach größeren Literaturveranstaltungen häufig mit einem dicken Hals zurücklässt, wenn ich höre, wie über Ironie, Satire, Witz und Humor geurteilt wird.
Und wie oberflächlich man sich einem scheinbar humoristischen Text nähert, wie gern man sich auf bewusst gesetzte Ablenkungen (55) einlässt und keinerlei Grundintention vermutet/findet, weil gar nicht so genau hingeschaut wird :) kann sein, dass dies auch hier passiert ist? LG - herziblatti
 

rothsten

Mitglied
Nein, herziblatti, das ist hier nicht passiert. ;)

Ich rede von der Entwicklung der Figur in Deinem Text. Das ist eine rein literarische Frage. Übers Ob und Wie können wir gerne streiten, aber diesen Vorwurf weise ich von mir.

lg
 

Galaxius

Mitglied
Hallo
Ich persönlich finde die Geschichte recht amüsant.
Dass die Verwandlung von "55" hin zu "35" so rasch ging, ist auch dem Thema geschuldet.
Hätte die Autorin ausführlicher beschrieben, wie der Wandel von statten ging, wäre es nicht mehr passend für die Rubrik "Humor und Satire"
Hier ist es wichtig kurz und knapp zum Punkt zu kommen. Und das ist geschehen.
Habe es gerne gelesen.
 
O

orlando

Gast
Hallo herziblatti,
der Text ist m E. nach gut geschrieben und witzig dazu.
Nur die Schlussfolgerung
und nur in sehr seltenen intimen Momenten gestattete sie es sich, der verlorenen Heiterkeit nachzusinnen, der immer der Makel des Kleinen im Verein mit einer gewissen intellektuellen Geringschätzigkeit angeheftet wird.
halte ich für verfehlt.
Denn aus meiner Beobachtung ist es bei Frauen allein die Zahl 55, die jedweden Text abwertet. Am schlimmsten noch in der Lyrik, weil sie dann komplett einem gängigen Klischee entspricht (alternd, frustriert und Lyrikern. Das kenn man ja).
Aber vermutlich verbirgt sich diese Wahrheit bei dir zwischen den Zeilen ...
Lächelnde Grüße
orlando
 

herziblatti

Mitglied
Hallo orlando, danke für das positive Feedback :) das mich sehr freut.
Wie Du anmerkst: der Schluss stimmt nicht. Er sagt nicht, was ich sagen möchte, er ist vermurxt und nicht richtig deutsch. Und alles, was ich bislang hinter den Kulissen mit dem Text ausprobiert habe, verbessert nichts.

Es ist wohl so, dass ich mich dem Thema "Abwertung" nochmal ausführlich stellen muss. Bezüglich der "leichten Muse" (bei der Literatur-Kritik/den Germanisten gerne mit "s" statt "l")[red] und [/red]eben auch des Alters von Autorinnen. Ein infames Mittel der Diskriminierung, das mir alle naselang begegnet, im Literaturbetrieb.
Ich werde dem Text Zeit zum Reifen geben, er liegt mir am Herzen.
Ich danke Dir für die Beschäftigung damit, liebe Grüße vom herziblatti
 

Asfariel

Mitglied
Das Feedback kommt vielleicht jetzt etwas spät, ich kann aber erst seit heute antworten.

Dein Text hier war der Erste, den ich hier überhaupt gelesen habe. Und er hat mir von vorne bis bis hinten wirklich sehr gut gefallen.

Fazit: sehr gern gelesen
 
G

Gelöschtes Mitglied 4259

Gast
Hallo Herziblatti,

danke für die "Schluss mit lustig"- Story! Die Geschwindigkeit der Wandlung ist für mich nachvollziehbar, man kann ja mal ne kleine, schnelle Wende vollziehen, auch als Schreiber... Eine Nebenaussage entnehme ich dem Text: Die Wirkung von Literatur hängt wohl oft auch ab von der Zahl der Leichen, der Menge fließenden Blutes, der Größe der beschriebenen Krisen etc., kurz: dem Ekel-, Grusel- und Kotzfaktor.

Folgenden Satz würde ich überarbeiten:

„Die Schriftstellerin A.E.M., 55, erzähle mit viel Lebenserfahrung und Humor kleinen Szenen und Begebenheiten aus dem Alltag der Menschen wie du und ich“.


Vielleicht ... in Form oder mit kleinen Szenen; vielleicht ... aus dem Alltag von Menschen wie ...

LG P.
 

herziblatti

Mitglied
Hallo Asfariel, danke, freut mich sehr. Ich habe Deinen Kommentar heute erst gesehen, irgendetwas klappt mit meinem neuen E-Mail-Programm noch nicht so ganz. LG vom herziblatti
 

herziblatti

Mitglied
Hallo Penelopeia, danke fürs Lesen und für die Anregungen, ich werde den Text in den nächsten Tagen überarbeiten. Mein E-Mail-Programm zerlegt mich momentan, bin etwas geschusselt :) kann man sagen. LG vom herziblatti
 

AliasI

Mitglied
gefällt mir

es ist einfach, "wahre literatur" zu schreiben, man muss nur verrückt genug sein. die kleinen wahrheiten werden dummerweise nicht beachtet oder als seicht befunden. schöne satire! ;-)
 

herziblatti

Mitglied
Hallo Aliasl, seit 5 Minuten schwebe ich einen halben Meter über dem Boden - danke für die Bewertung! Ich bin in "das Beste" gerutscht und freu mich wie ein Schneekönig (Wetter egal!), das kam jetzt aber wirklich völlig aus dem Off :) :) :) LG vom herziblatti
 

herziblatti

Mitglied
Mein Dank an alle, die der Meinung waren, der Text überzeugt trotz kleinerer Schwächen :) ich lass ihn stehen, wie er besehen und für gut genug befunden wurde.
Und hier eine überarbeitete Version mit kleinen Korrekturen:

Schlusss mit lustig
Die Stimmung nach der Lesung war prächtig. Alle hatten sich amüsiert, hatten gelacht, einige zwar weit unter ihrem Niveau, wie sie witzelten, was dieses Gefühl aber nicht verkleinerte, hatte es doch die meisten Verspannungen in den Gesichtern und Verkrampfungen im Magen-Darm-Trakt gelöst, und gelöst trug das Publikum seine gute Stimmung nach draußen, nach Hause oder sonst wohin.
Die Kritiker waren zufrieden mit ihr, einer schrieb: „Die spätberufene Schriftstellerin A.E.M. erzähle mit der ganzen Erfahrung ihrer 55 Lebensjahre und einer gehörigen Portion Humor kleine Szenen und Begebenheiten aus dem Alltag der Menschen wie du und ich“.
Sie las die Kritik und spürte einen schalen Geschmack am Gaumen. Es stimmte, was da stand. Es gefiel ihr trotzdem nicht.
Sie studierte die dürren Zeilen mit Hingebung und Akribie und kam zu dem Schluss, es müsse die 55 sein, die sich so gallebitter in ihrem Mund breitmachte. Vielleicht wollte ihr die Kritik damit sagen, Lebenserfahrung sollte im Text, nicht aber im Gesicht der Autorin zu lesen sein.
Sie studierte ihr Gesicht, mit Hingebung und Akribie. Und ging zum Friseur. Ein flotter Haarschnitt, grau raus, rot rein. Schon besser, was ihr da aus dem Spiegel entgegenblickte. Sie erweiterte ihr Blickfeld. Die Kleidung. Weg mit den alten Hadern von Escada und Jill Sander, frische pfiffige Mode von H&M, kurze Röcke und schulterfreie Shirts mit und ohne Neckholder – sie sah um Jahre jünger aus! Das ließ sich noch toppen. Ein kleines Lifting dort und da, die Lippen aufgespritzt, die Brüste hochgerafft und unterlegt, zuletzt noch ein Piercing durch die Nase und ein festsitzendes Dauerlächeln mit frischgebleichten Zähnen, perfekt.
Sie schrieb weiter heiter-ironische Geschichten, brachte ihre Leser in gute Schwingungen und die Kritik bedachte sie wiederum mit freundlichen Worten: sie (55) brächte die Menschen zum Schmunzeln und durchaus auch zum Nachdenken. Was da so scheinbar oberflächlich und heiter daherkäme, schrieb einer, diese netten kleinen Dramen, leichtfüßig und leichtgewichtig …
Es stimmte, was da stand, und wiederum gefiel es ihr nicht.
Lange, tagelang, sah sie sich den Spiegel an. Dann drehte sie ihn um. Und sah in eine andere Richtung. Mit grimmiger Energie und Entschlossenheit nahm sie all die Widerwärtigkeiten, die sie sah, in sich hinein und kotzte alles reflektiert in ordentlichen Buchstaben und Worten wieder aus.
Sie verstümmelte und zerfetzte und massakrierte, beraubte ihre Figuren aller Würde und Rechte, ließ Blut tropfen, rinnen, spritzen, ließ dumpfe Schläge und Beilhiebe hören, sammelte üble Gerüche, warf stinkenden Müll und faulende Kadaver auf ihre Seiten.
Ab sofort stand bei ihren Lesungen ein Kübel neben jeder Sitzgelegenheit, und das Publikum, das jetzt ein anderes war, ekelte sich von Herzen und nahezu kein Kotzeimer blieb leer.
Je nach politischem Engagement und religiöser Zugehörigkeit brach die Kritik in nicht enden wollende Jubelchöre aus, von ein paar wenigen wurde sie beschimpft oder bedroht. Keinesfalls aber wurde sie mehr als humoriges Leichtgewicht etikettiert.
Mit großem Aplomb und wortgewaltigen Tiraden ließ sie federn, teeren und kreuzigen – ihr Stift stieß in die letzten Verdrängungen, sie blätterte alle Themen ihrer Zeit auf, und keiner wagte auch nur zu denken, dies alles könnte Pose sein.
Das Schreiben ging ihr leicht von der Hand, es gab unendlich viel Stoff, vor der Haustür und auf allen Kontinenten, und nur in sehr seltenen intimen Momenten gestattete sie es sich, der verlorenen Heiterkeit nachzusinnen, der mit einer gewissen intellektuellen Geringschätzigkeit immer der Makel des Kleinen angeheftet wird.
© Heidi Merkel
 
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