Schmutzwäsche

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Paloma

Mitglied
Nach dem Unterricht fragt sie mich, ob sie mich begleiten dürfe, nach Hause.
Nur ganz kurz zucke ich zusammen, dann rasen meine Gedanken voraus: Stolpern durch den dunklen Seiteneingang, über den Hinterhof mit den umgestoßenen Mülltonnen, vorbei an graffitigeschönten Steinmauern, öffnen leise die Zimmertür, atmen kaltem Qualm, riechen Urin und Erbrochenes, sehen Schmutzwäsche, Berge ungespülten Geschirrs, überfüllte Aschenbecher, leere Flaschen und mittendrin du; nicht ansprechbar.

Ich lächele und antworte fröhlich: „Du tut mir leid, aber heute habe ich mit meiner Mama schon etwas vor.“
 
Hallo Paloma,
schon ein paar Tage befasse ich mich in Gedanken mit deiner Geschichte.
Wie muss sich ein junger Mensch fühlen, der so ein Zuhause hat?!
Später wird bestimmt ein Psychiater eingeschaltet, um sein Seelenleben wieder in Ordnung zu bringen.
Ich habe versucht, aus deiner Geschichte ein Gedicht zu machen.
Viele Grüße
Marie-Luise

Nach der Schule sagte er:
„Begleite gerne dich nach Haus.“
Gedanken kamen düster, schwer,
ach, wie sieht es bei uns nur aus?!

Der Hinterhof, erstarrt vor Dreck,
den müssten wir durchschreiten.
Das wär für ihn ein großer Schreck,
er darf mich nicht begleiten.

Die Wohnung, schrecklich zugemüllt,
er würd in Ohnmacht fallen.
Und zwischen Kissen, die zerknüllt,
würd meine Mama lallen.

Dies alles hab ich mir gedacht,
als er mich hat gefragt.
Doch fröhlich hab ich dann gelacht
Und hab zu ihm gesagt:

„Ach, heute geht es leider nicht,
die Mutter lud mich ein, feudal.
Mach bitte nicht so ein Gesicht,
Vielleicht klappt es andres Mal.“
 
G

Gelöschtes Mitglied 8846

Gast
Hallo Paloma,

ich mag deine Texte, diesen hier nicht, er erinnert mich zu sehr an Fernsehsendungen und Zeitungen, die geschickt mit unseren Gefühle spielen, dabei finde ich das Thema sehr interessant, aber dein Text übertreibt mir zu sehr. Wieso muss der junge Mensch in solch einem heruntergekommenen Haus wohnen? Gibt es nur dort Elterm mit Alkoholproblemen? Wie alt ist dein Protagonist? Ich kenne solche Fälle aus meiner beruflichen Praxis und meist haben die Kinder für Ordnung und Sauberkeit in der Wohnung gesorgt, auch, wenn sie dafür eigentlich noch zu jung waren. Ich finde, dass seine Mutter im Erbrochen liegt und nicht ansprechbar ist, würde reichen.

Ich lächele und antworte fröhlich: „Du tut mir leid, aber heute habe ich mit meiner Mama schon etwas vor.“
Das finde ich richtig gut.

LG Franka
 
E

eisblume

Gast
Hi Paloma,

ich schließe mich Franka an - ich mag deine Text auch.
Und ich mag auch diesen. Ob das jetzt übertrieben ist, kann ich aus eigener Erfahrung nicht sagen, könnte mir aber vorstellen, dass dein Szenario leider recht realistisch ist. Dein/e Prota kann ja durchaus für Ordnung sorgen, dann aber halt nach der Schule, darum kann er/sie auch spontan keinen Besuch mit nach Hause bringen.

Kleinigkeiten:
Nur ganz kurz zucke ich zusammen,
[blue]Kurz zucke ich zusammen, ...[/blue]

... leere Flaschen und mittendrin du; nicht ansprechbar.
[blue]Den ; finde ich unpassend. Entweder mit Gedankenstrich oder Punkt und Nicht ansprechbar.[/blue]

Ich lächele und antworte fröhlich: „Du [blue](Komma)[/blue] tut mir leid, aber heute habe ich mit meiner Mama schon etwas vor.“

Lieben Gruß
eisblume
 

Paloma

Mitglied
Hallo Marie-Luise,

schön, dass dich die kleine Geschichte zum nachdenken angeregt hat und du so inspiriert ein Gedicht geschrieben hast. Stell es doch in das passende Lyrikforum.

Liebe Grüße
Paloma
 

Paloma

Mitglied
Hallo Franka,

über deine Antwort habe ich lange nachgedacht und ich glaube zu wissen, wo der Fehler liegt. So, sprechen Kinder aus diesen Gegenden wohl nicht. Das ist wohl der Knackpunkt. Natürlich gibt es Kinder aus gutem Hause, deren Eltern Alkoholprobleme haben. Die wollte ich nicht darstellen. Ich habe neulich eine Reportage gesehen, da ging es um Kinder aus sozialen Brennpunkten – das kommt der Sache wohl näher. Allerdings gehen die Kinder dort kaum noch zur Schule und haben auch einen ganz anderen Slang. Danke fürs Anschubsen in die andere Richtung. Ich weiß noch nicht, wie und ob ich das richtig ändern kann.

Liebe Grüße
Paloma
 

Paloma

Mitglied
Hallo Eisblume,

vielen Dank für deine guten Gedanken und Vorschläge. Ja leider ist das oft Realität. Aber, wie ich Franka schon schrieb, ich fürchte, durch die „nette – freundliche“ Sprache der Protagonistin habe ich ungewollt einen Bruch herbeigeführt, der die Sache unglaubwürdig macht. Ich denke weiter.

Lieben Dank
Paloma
 
Liebe Monika

Texte, wie diesen hier, nenne ich Pistolentexte.
Sie leben ausschließlich davon, den Leser mit einer Pointe zu erschüttern. Ich mag solche Texte genau so wenig wie Franka. Es ist kein gefühlvolles Schreiben, es geht um den Schock, den man dem Leser versetzt, der sich in seiner sicheren Entfernung zurücklehnen und den Kopf schütteln möchte.
Damit hör bitte auf.
Du hast's doch drauf, schreib über das, was man Tiefe nennt. Das ist der Weg, der dich weiter bringt und auch befriedigen wird. Aus einer Pistole schießen kann jedes Kind.

Liebe Grüße
Gernot
 

Paloma

Mitglied
Lieber Gernot,

schön von dir zu lesen. Nein, es ist kein Pistolentext und es soll auch nicht mit der Pointe geschockt werden. Was schockt ist die Realität. Warum darf man darüber nicht schreiben? Es gibt solche Gettos, in denen Kinder vor die Hunde gehen - wegsehen? Weil es unangenehm ist? Es gibt auch keine Pointe im eigentlichen Sinn - der Text baut sich doch auf.
Und ganz sicher wird hier niemand vorgeführt.

Liebe Grüße
Paloma
 
Mich hat Dein Text sehr berührt. Besser und prägnanter kann man das traurige Szenario gar nicht schildern.
Den kleinen Schreibfehler (kalte[red]n[/red]) solltest Du noch ausräumen, außerdem nach dem "Du" in der Schlussanrede ein Komma setzen.
Glückwunsch von
Eberhard
 

Paloma

Mitglied
Nach dem Unterricht fragt sie mich, ob sie mich begleiten dürfe, nach Hause.
Nur ganz kurz zucke ich zusammen, dann rasen meine Gedanken voraus: Stolpern durch den dunklen Seiteneingang, über den Hinterhof mit den umgestoßenen Mülltonnen, vorbei an graffitigeschönten Steinmauern, öffnen leise die Zimmertür, atmen kalten Qualm, riechen Urin und Erbrochenes, sehen Schmutzwäsche, Berge ungespülten Geschirrs, überfüllte Aschenbecher, leere Flaschen und mittendrin du - nicht ansprechbar.

Ich lächele und antworte fröhlich: „Du, tut mir leid, aber heute habe ich mit meiner Mama schon etwas vor.“
 

Paloma

Mitglied
Hallo Eberhard,

vielen Dank für deinen lieben Kommentar und die gute Wertung.
Ich habe jetzt ein bisschen geändert, obwohl ich mit dem Text nicht mehr so ganz glücklich bin. Aber imMo habe ich auch keine Idee, wie ich ihn "richtiger" machen könnte.

Liebe Grüße
Paloma
 
D

Dominik Klama

Gast
Paloma,

ich hab eigentlich nichts gegen den Text.
Aber die - zugegeben auch nicht sooo häufigen Male, wo ich von dir einen Text sehe, sind es immer so kurze Häppchen, wo ich mir dann sage: Ja, wenn die mir mal was mit 5 Schreibmaschinenseiten geben würde, dann würde ich endlich mal wissen, ob die es drauf hat oder nicht. So zehn, zwanzig Zeilen schreiben, die in sich einigermaßen stimmen, kann doch eigentlich jeder. Aber wenn ein Autor seitenlang arbeitet, ist es ihm schlicht unmöglich, seine Eigenheiten zu verbergen und somit werden notgedrungen auch seine Schwächen offenbar.

Und wie so oft: Erst durch eine Reihe von Selbstkommentaren kiegt der Text schließlich Löcher, die man ihm selber alleine vielleicht nie angemerkt hätte. "Neulich habe ich eine Reportage gesehen." Ju-hiiii, o Graus! Das macht man auf gar keinen Fall. Entweder geht man selber raus und recherchiert erst mal und macht selber seine Reportage daraus. Oder man bleibt daheim und verarbeitet in seinen Texten eigene Erfahrungen.

Was wir alle angeblich "wissen" aus zweiter und dritter Hand, aus Medieninformationen, ist immer verfälscht und immer manipuliert und allzu oft dazu noch falsch verstanden von uns. War wirklich immer so: Wenn mir irgendetwas mal begegnete, was ich selber noch nie erfahren hatte, dann war das nie so, wie ich es "wusste" aus den Medien oder Romanen, die ich vorher gelesen hatte. Immer war das anders, als man denkt. Immer.

Darum guck doch mal bei dir selber nach, ob du was kennst, wo du das Gefühl hast, die Leute glauben es zu kennen, kennen es aber nicht so wie du. Schreib denen mal einen Text hin, der dazu führen sollte, dass die begreifen: Es ist aber doch anders, als ich gedacht hatte.
 

Paloma

Mitglied
Hallo Dominik,

vielen Dank für deinen Beitrag. Ich verstehe schon, dass du gerne seitenlange Texte liest – du schreibst sie ja auch gerne. Im Vertrauen, ich tue das auch – aber die werden nicht online gestellt. Einige Zeit habe ich ähnlich wie du gedacht. Eine „richtige“ Geschichte braucht ne Menge Text. Dann bin ich aber auf die Kurzprosa gestoßen und war auch zuerst gar nicht so angetan. Bis ich auf wirklich gute Texte gestoßen bin und fasziniert war. Man kann also in der Tat mit ganz wenig Texte, ja sogar mit zwei, drei Sätzen eine Geschichte erzählen und besser noch: Sie lässt soo viel Spielraum, dass sich jeder sein Teil denken kann. Ich bin zumindest derzeit mal begeistert und ich werde sicherlich noch mehrere dieser Kleinigkeiten verfassen und auch hier einstellen. Ob du dadurch nun beurteilen kannst, ob ich schreiben kann oder nicht und ob das überhaupt notwendig ist ...

So zehn, zwanzig Zeilen schreiben, die in sich einigermaßen stimmen, kann doch eigentlich jeder.
Ich könnte dagegen halten: Lang und sehr ausführlich kann eigentlich jeder, denn dann hat man Zeit zu plotten und zu konstruieren – in der Kürze ist das deutlich schwieriger. Versuch es doch mal.
Zu deinen Schreibkünsten kann ich leider auch nichts sagen, weil mir deine Texte online einfach zum Lesen zu lang sind. Da bekomme ich ja Genickstarre vor dem Rechner.

Und noch was:
Alles kann man nicht am eigenen Leibe erfahren – und muss man gottlob auch nicht. Recherche ist gut und wichtig und meine beziehe ich sicherlich nicht nur aus den Medien.

Vielleicht können wir uns einigen: Jeder so, wie er mag?

Liebe Grüße
Paloma
 
K

KaGeb

Gast
Hallo Paloma,

ab "Mülltonnen" ahnte ich die Pointe bereits. Als Kurzprosa funktionierts (für mich nicht), in einem Roman oder längerem Text wäre es ein amüsanter Happen, wo man als Leser so denkt: guter Schachzug - und dann begierig weiter liest.

LG
 

Paloma

Mitglied
Hallo KaGe,

dass dir der Text nicht gefällt kann ich gut akzeptieren - aber bitte sag mir doch, wo er amüsant ist? Und wenn du Verbesserungsvorschläge hast, nehme ich dir sehr gerne zur Kenntnis.

Liebe Grüße
Paloma
 



 
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