Schnatterkater und die Glückskatze

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Dorian

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Der Kater saß auf der Fensterbank und schnatterte.
Sie kennen das vielleicht: Katzen, die lange das Haus nicht verlassen haben, sitzen manchmal auf Fensterbänken, schauen sehnsuchtsvoll nach draußen und geben dabei schnatternde Geräusche von sich, wenn sie einen Vogel oder irgendein kleines pelziges Geschöpf vorbeihuschen sehen.
Ich ging zum Kater hinüber und streichelte seinen pechschwarzen Rücken, wodurch er unwillkürlich den Hintern emporstreckte und den Schwanz aufstellte.
„Was ist denn los?“, fragte ich.
„Ich will nach draußen“, antwortete der Kater seltsam friedfertig. Ich war auf einen Rüffel oder wenigstens eine spitze Bemerkung gefasst gewesen, was mehr seinem Naturell entsprach. Nun, mir sollte es recht sein, ich legte keinen Wert auf ein Streitgespräch.
„Du weißt doch, dass ich das nicht machen kann. Die Oma erwürgt mich, wenn ich dich nach draußen lasse.“
„Deine Oma kann mich mal.“
Es war nur ein halbherziger Versuch, zu seiner alten Form zurückzukehren, weshalb ich die Bemerkung überhörte.
„Ich versuche sie schon seit Jahren davon zu überzeugen, dass du und Niki euren Freiraum braucht. Sie hört einfach nicht auf mich. Das hat sie eigentlich noch nie getan, wenn ich genauer darüber nachdenke.“
„Die Niki kann mich auch mal.“
„Wir sind aber einsilbig heute. Komm, setz dich zu mir auf den Fernsehsessel und wir ziehen uns irgendwas rein. Vielleicht kommt eine Dokumentation über Löwen oder Tiger. Die magst du doch.“
„Wenn ICH genauer darüber nachdenke, kannst du mich auch mal.“
„Du bist heute so unausstehlich, dass man nicht mal mit dir streiten kann. Das macht keinen Spaß. Reiß dich zusammen, spring über deinen Schatten, besiege deinen inneren Schweinehund und so. Du kennst doch diese kopfwaschenden Slogans, die aufbauend wirken sollen.“
„Die Löwen und Tiger können mich ebenfalls. Die habe ich noch nie gemocht, du hast nur geglaubt, dass ich die toll finde, weil du es gern so hättest. Und weil ich ein so netter Kerl bin, habe ich dich in dem Glauben gelassen.“
„Du und nett? Das hast du doch sicher nur gemacht, damit du mich heimlich auslachen kannst.“
„Zugegeben, aber...“
In diesem Moment betrat Niki das Zimmer. Sie war die zweite schwarze Katze in unserem Haushalt und natürlich hätte ich niemals bemerkt, dass sie hereingekommen war, wenn der Kater nicht plötzlich scharf zur Tür gesehen hätte. Niki hatte noch nie mit mir geredet, aber ich hatte mir auch noch nie Gedanken gemacht, warum dem so war. Insgeheim dachte ich wohl, dass sie zu dumm dazu war. Auch heute sollte sie mich keines Besseren belehren.
Niki warf uns einen hochmütigen Blick zu, stolzierte zur Couch und sprang auf die Wolldecke, die darauf lag. Dann ließ sie sich darauf nieder, schlug die Vorderpfoten unter und schloss halb die Augen.
Das ist ein ganz normales Verhalten für eine Katze, die ein Nickerchen zu halten gedenkt, aber ich wurde das Gefühl nicht los, dass sie uns belauschte.
Der Kater seufzte und sprang von der Fensterbank.
„Komm mit“, sagte er und tigerte Richtung Tür.
Ich zuckte die Schultern und folgte ihm. Wenn er in einer Stimmung war, die ihn dazu brachte mich um sich haben zu wollen, aber er keinen Hunger hatte oder ein Schläfchen machen wollte, dann machte mich das neugierig. Während der Kater mir in den vorderen Teil des Hauses vorausging, machte ich mir meine Gedanken und gelangte schließlich zu einem erstaunlichen Schluß.
Der Kater sprang auf die Kommode im Flur und setzte sich.
„Ich muß mit dir reden“, sagte er leise. „Aber so, dass uns die Dümmste nicht hört.“
„Die Dümmste? Wen meinst du? Niki oder Oma?“
„Niki.“
„Aha“, sagte ich und nickte weise. „Du bist verliebt.“
Der Kater starrte mich an. Es schien mir tatsächlich gelungen zu sein, ihn zu überraschen, aber im Grunde genommen war diese Schlussfolgerung gar nicht so schwer gewesen. Ich kannte den Kater schon sehr lange und ziemlich gut und hatte schon immer eine Begabung für deduktives Denken gehabt.
„Woher weißt du das?“, fragte er misstrauisch.
„Unwichtig. Jeder hat seine kleinen Geheimnisse und es ist ganz gut, wenn du weißt, dass du mich nicht unterschätzen solltest. Aber jetzt erzähl mir, was los ist.“
„Naja, es gibt da so eine Katze... eine der Nachbarskatzen. Keine Ahnung wie sie heißt. Ich seh sie immer durchs Fenster, wenn sie auf die Jagd geht. Sehr hübsches Ding. Und auch nett. Ich hab mich einmal mit ihr unterhalten...“
„Unterhalten?“, fragte ich. „Wie geht das denn durch die doppelte Fensterscheibe?“
„Du scheinst nicht sehr viel zu wissen, über die Formen der Kommunikation was uns Katzen angeht. Unsere Sprache besteht nicht nur aus Lauten, wie die eure, sondern vor allem aus Körpersprache.“
„Aber ich dachte, ihr seht so schlecht.“
„Schlechter als Menschen, besser als Hunde. Auf jeden Fall reicht es.“
„Da fällt mir noch was ein. Ich dachte nämlich, bei Katzen geht es in der Liebe nur um den Akt an sich, um die Notwendigkeit sich fortzupflanzen, um den Sex. Praktisch um schiere Geilheit.“
Der Kater seufzte abgrundtief und vermittelte den Eindruck, er ließe die Schultern hängen, was natürlich unmöglich ist, da Katzen keine Schlüsselbeine haben und daher auch keine nennenswerten Schultern, die sie hängen lassen könnten.
„Daran bist du schuld“, sagte er.
„Ich? Woran?“
„Daran, dass ich mich verliebt habe. Dein dauerndes Gequatsche von irgendwelchen Frauen, mit denen du dich gerade herumtreibst oder gern herumtreiben würdest hat auf mich abgefärbt.“
Ich war mehr als überrascht. Ich war nicht auf die Tatsache eingestellt, dass ein Wesen, welches grundsätzlich eigentlich nicht zur Liebe fähig war, diese erlernen konnte.
„Du meinst, ich habe dir die Liebe beigebracht? Erstaunlich. Und du bist sicher, dass es nicht nur eine Art Sehnen ist, oder ein Trieb? Faszinierend. Ich hätte nicht gedacht, jemals etwas derartiges von dir zu hören. Du hast mir doch immer gesagt, ich soll mich nicht aufführen wie ein verknallter Jammerlappen und das die Liebe einen schwach macht. Ich bin sprachlos.“
„Für jemanden, der sprachlos ist redest du ziemlich viel“, ätzte der Kater. „Jedenfalls läuft es darauf hinaus, dass ich in zirka zehn Minuten nach draußen muß. Dann sehen wir weiter.“
Ich überlegte kurz.
„Naja, wenn es um die Liebe geht...“, meinte ich schließlich. „Die Oma muß ja nicht unbedingt etwas davon erfahren.“

Die Oma erfuhr doch davon. Gerade, als ich den Kater hinauslassen wollte kam sie des Weges und wollte mich auf der Stelle erdrosseln. Nach kurzer Diskussion hatte ich sie soweit, dass sie erlaubte, dass ich den Kater nach draußen ließ, wenn ich selbst mitginge.
Wir gingen also in den Garten und sahen uns um.
„Wo ist denn deine kleine Freundin?“, fragte ich.
„Sie müsste gleich durch den Zaun kommen. Aber wenn sie dich sieht wird sie nicht herüberkommen. Revierverhalten und so. Setz dich einfach in die Laube und ich versuche sie anzulocken.“
In der Laube setzte ich mich auf die Gartenbank und versuchte möglichst wenig Lärm und Geruch zu verbreiten. Ich war nicht sicher, wie gut Katzen witterten, aber ich wollte kein Risiko eingehen, das Erlebnis sollte für den Kater ein voller Erfolg werden. Während ich also wartete, suchte ich mir eine Lücke in der Verkleidung der Laube und spähte nach draußen.
Und tatsächlich, nach wenigen Minuten, in denen der Kater vor dem Zaun hin- und herscharwenzelt war, tauchte eine andere Katze in unserem Garten auf. Sie war mittelgroß und hatte ein dreifarbiges Fell, eine sogenannte Glückskatze. Der Kater hatte recht, sie war ein hübsches Ding.
Die beiden beäugten einander zuerst wachsam, dann beschnüffelten sie sich. Ich wusste, wenn die fremde Katze dem Kater jetzt das Fell leckte, war alles vorbei. Fellecken bedeutet in der Katzensprache „Hau ab“.
Jedoch schienen sich die beiden gut zu verstehen und sie verdrückten sich. Zu meinem Leidwesen schlüpften sie durch den Zaun, um sich auf dem Nachbargrundstück zu vergnügen. Verdammt! Ich konnte den Kater nicht mehr überwachen, daher konnte er einfach einen stundenlangen Ausflug unternehmen, oder gar nicht mehr zurückkommen. Was wenn ihn ein Hund oder ein Auto erwischte? Auch hatte ich in der Stadtzeitung immer wieder von Katzenvergiftern gelesen. Die Oma würde mich mindestens drei Wochen lang keines Blickes würdigen oder mit mir reden. Das war das einzig Gute an der Sache.
Aber der Kater war an sich vernünftig und so entschloss ich mich, ihm zu vertrauen.
Nach erstaunlich kurzer Zeit kehrte er zurück und huschte schnell in die Laube. Er hüpfte auf die Bank, setzte sich neben mich hin und starrte mich an.
„Na?“, fragte ich mit anzüglichem Grinsen. „Ramba – Zamba?“
„Ich sollte dich... ich könnte dir...“
Der Kater war sprachlos vor Wut.
„Was ist denn passiert?“, fragte ich verblüfft. „Wollte sie nicht?“
„Nicht genug damit, dass du dummes Arschloch mir die Liebe beigebracht hast...“
„Also hör mal, ich finde das ist ein sehr schönes - wenn auch unbeabsichtigtes - Geschenk meinerseits...“
„... wodurch ich völlig sentimental und zu keinem klaren Gedanken fähig bin, nein, du versaust mir auch noch mein Sexleben.“
„Hä?“
„Wir sind also vorhin rüber in den anderen Garten...“
„Das hab ich bemerkt, du kleiner Strawanzer.“
„Schnauze. Und dort sitzen die Nachbarn zusammen...“
„Na und?“
„Du hast mir außer Liebe auch noch etwas anderes beigebracht.“
„Und was mag das wohl sein, dass ausgerechnet du nicht zum Schuss kommst?“
„SCHAMGEFÜHL!!“
 

Dorian

Mitglied
Verfrühtes Ende?

Ich weiß nicht, ob die Geschichte nicht zu früh endet, da ich noch einige Ideen gehabt hätte, was der Kater so anstellen könnte. Aber ich wollte das Ende nicht hinauszögern und mir diese Ideen vielleicht für eine neue Geschichte mit dem Kater aufheben. Außer natürlich er nervt euch.

Auch habe ich mir sagen lassen, daß die Pointe schwächelt.

Was meint ihr dazu?

LG

Dorian
 

GabiSils

Mitglied
Hi Dorian,

mach mal weiter mit den Katergeschichten, mir gefallen sie.

Die Pointe ist ganz o.k., kein Riesenbrüller, aber auch nicht daneben (wie seinerzeit das "defloriere" ;))

Gruß,
Gabi
 



 
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