Schrödinger und Albers

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Mazirian

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Wie Schrödinger vom Experimentalphysiker zum theoretischen Physiker wurde

Wenig bekannt ist, dass zwei so unterschiedliche Charaktere, wie der berühmte Physiker Erwin Schrödinger und der eher noch berühmtere Schauspieler Hans Albers, während des Krieges gut miteinander befreundet waren und sich oft gegenseitig besuchten.
Eines Sonntagabends war Albers wieder einmal an der Reihe und klingelte an Schrödingers Wohnungstür. Schrödinger öffnete nach einer kurzen Anstandspause.
"Moin Erwin", grüßte Albers und tippte mit zwei Fingern an seine Kapitänsmütze.
"Guten Abend Hans, bitte komm doch herein."
Sie gingen zusammen ins Wohnzimmer, wo eine große Kiste vor der Anrichte stand. Albers bemerkte sie sofort:
"Mensch Erwin - 'ne Seekiste! Du willst wohl auf Fahrt gehen?"
Schrödinger lächelte recht geheimnisvoll.
"Nein, lieber Hans. Das ist ein sublimes wissenschaftliches Experiment, das ich vorbereitet habe, um die Superposition subatomarer Teilchen zu veranschaulichen.
"Dascha ma bannich interessant. Und wie geiht dat?" Bei 'Teilchen' dachte Albers meist an Mohnstreusel und Apfeltaschen, aber er ahnte, dass Schrödinger etwas Bedeutenderes meinte. Forschend blickte er sich nach etwas zu trinken um, während Schrödinger zu erklären begann:
"Heute morgen habe ich eine Katze in dieser Kiste plaziert. Es ist auch ein Uranatom darin, mit einer vergleichsweise kurzen Halbwertszeit. Dazu ein Geigerzähler und eine Ampulle mit Blausäuregas."
"Oha - spannend". Albers hatte Schrödingers Schnapskabinett ausgemacht und bediente sich am Rum-Verschnitt.
"Ja, nicht wahr? Wenn nun das Uranatom zerfällt, wird dies durch den Geigerzähler registriert. Er löst dann einen Mechanismus aus, der die Blausäureampulle zerbricht, wodurch die Katze getötet wird."
Albers schüttelte den Kopf.
"Du machst ja vielleicht Sachen, Erwin. Weissu nich, dass das verbouden is?"
"Was?"
"Katzen umbringen. Proust!" Albers lenzte den Rum und schüttelte sich.
Schrödinger lächelte fein.
"Aber Hans, das ist doch gerade der springende Punkt bei diesem Experiment. Ebenso, wie ein Teilchen in Superposition sich erst durch die Beobachtung an einem definierten Ort befindet, so wird auch der Zustand dieser Katze erst durch das Auftreten eines Beobachters definiert. Zur Zeit befindet sich die Zustandsgleichung der Katze in einem undefinierten Zwischenzustand zwischen tot und lebendig. Wir wissen daher gar nicht, ob..."
"Nee", sagte Albers, "das kann ich dir ja nu ganz genau sagen."
Schrödinger schaute verwirrt.
"Was willst du damit sagen?"
"Die is doud!", erklärte Albers bestimmt.
"Aber das können wir doch gar nicht wissen. Erst durch unsere Beobachtung..."
"Doch, pass auf..." Albers öffnete die Kiste, zog die tote Katze am Schwanz heraus und hielt sie in die Höhe.
"Die is ja nu mal erstickt". Albers schüttelte den Kopf. "Mensch, Erwin - Seekisten sind doch wasserdicht!"
Da wusste Schrödinger erstmal nicht, was er sagen sollte.


(c) 2005 Achim Hildebrand
 



 
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