Schuld daran hat nur der Wind

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hwg

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Mit Kopfschmerz aufgewacht? Stimmung unterm Hund? Über einen amtlichen Bescheid geärgert? Denken Sie daran: Schuld daran hat nur der Wind. Ein echter Windjammer also. Gemeint ist nicht jenes Segelschiff, das in der Phantasie der Romantiker immer noch auf allen Meeren herumfährt. Sondern jener Windjammer, der uns in willkürlichen Abständen in sämtliche Glieder fährt und der im Lexikon „Föhn“ heißt.

Was kann gegen ihn schon ein umfangreiches Azorenhoch ausrichten? Oder die Wettervorhersage im Radio? Gar nichts. Denn wie das Wetter bei uns wird, bestimmt kein Barometer und kein Laubfrosch, sondern lediglich der Föhn. Und er ist auch sonst noch an allem anderen schuld. Da gibt es vielleicht vor Gericht vielfach mildernde Umstände, wenn sich irgendein armer Sünder darauf hinausredet, es hätte zur Zeit seiner Missetat so eine böse Bö geweht. Es soll sogar bei den Schuldirektoren schon ein Antrag eingebracht worden sein, bei stärkerem Föhn unterrichtsfrei zu geben. Weil die Lehrer an diesen Tagen viel zu schnell mit schlechten Noten zur Hand seien.

Am meisten befallen werden von dieser flüchtigen Seuche unglücklicher Weise gerade die oft wichtigen Entscheidungsträger unserer Stadt. Und diese unterscheiden sich in drei exakte Gruppen. In die „Vorföhner“, die schon viele Stunden vorher leiden müssen. Dann die „Hauptföhner“, denen die böse Brise direkt ins Gesicht wehen muss, dass sie etwas spüren. Und die „Nachföhner“. Eine besonders unglückliche Sorte von Spätzündern, die erst dann befallen werden, wenn die anderen schon wieder normal sind.

Wenn man in solchen Zeiten aber auch normale, lachende und ungereizte Leute antrifft, so kann es sich bei ihnen lediglich um Touristen, Reisende oder frisch eingebürgerte Bewohner handeln. Diese haben dann meist nur ein müdes Lächeln für einen „Föhner“ übrig. Doch ihnen, die sich vor dieser Heimsuchung so sicher fühlen, sei vielleicht ein kleines Gedicht über den Föhn gewidmet, das mit den Zeilen enden könnte: „Noch lässt er dich kalt, doch warte nur, auch du föhnest bald!“
 



 
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