Schwedenreise

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Columbus

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Auszug aus einer Reiseerzählung (Schwedenreise)


- Reisevorbereitungen -

Nachdem wir uns im Vorfeld der Reise mit drei Reiseführern, einem Bildband, einer riesigen Straßenkarte „Skandinavien“ im Maßstab eins zu achthunderttausend, einem kompletten ADAC-Reiseset inklusive drei weiterer Karten und verschiedensten Heften und Fährinformationen sowie den Reiseunterlagen unseres Veranstalters eingedeckt und gebildet hatten, fühlten wir uns für die Reise nach Schweden gewappnet.
Noch am Vorabend unserer Reise fand eine zirka fünfstündige Packorgie statt, bei der alle notwendigen und sicherheitshalber noch mitzuführenden Gegenstände auf einem großen Haufen (und es war wirklich ein Haufen) zusammengetragen wurden. Dies waren neben vier Reisetaschen mit unseren Klamotten und Schuhen, eine komplette Golfausrüstung inklusive Trolley, zwei Kisten sowie zwei Kühlboxen mit Lebensmitteln im Wert von ungefähr zweihundert Euro, eineinhalb Kisten Bier und fünfunddreißig Liter weitere Getränke sowie zwei Flaschen Wodka (die als Tauschwährung für Notfälle vorgesehen waren), diverse Arzneimittel, ein extra für die Reise angeschaffter Weltempfänger, ein kleiner Fotoapparat, eine Spiegelreflexkamera nebst dreihunderter Teleobjektiv, unser komplettes Bettzeug in einem großen Seesack (denn auf unsere komfortablen Federbetten mit den Abmessungen eins vierzig mal zwei zwanzig konnten wir unmöglich verzichten), meine vier Tabakspfeifen, drei Romane, ein Gartengrill (der vorher auf Kleinstformat demontiert wurde) und natürlich jede Menge weitere nützliche Kleinigkeiten. Vom Kauf eines sehr bequem aussehenden Campingstuhles zur Mitführung nach Schweden konnte mich meine Frau gerade noch zurückhalten.
Unsere Angst diesen Berg von wahrhaft biblischen Ausmaßen nicht in den Familienkombi zu bekommen, erwies sich als unbegründet. Nachdem ich in eineinhalbstündiger Feinarbeit alle Fußräume des Fahrzeugs vollgestopft, die Rücksitze komplett umgelegt und ein Gepäcknetz unmittelbar hinter den Vordersitzen montiert hatte, präsentierte ich meiner Frau das lediglich zu drei Viertel beladene und abfahrbereite Auto. Die Reifen unseres Kombis waren vorsorglich selbstverständlich mit annähernd drei Bar Luftdruck bis zum Zerbersten befüllt worden. Die Ladekapazität erreichte allerdings zugegebenermaßen bei unserem ersten Zwischenstop in Mecklenburg Vorpommern ihre Grenzen, als ich planmäßig einen kompletten Angelrucksack, drei Angeln sowie ein Echolot mit Schwingerstange und einen großen Hechtkescher zulud.
Die Fahrt zu unserem ersten Etappenziel (dem Ferienhaus meiner Eltern), die noch am letzten Arbeitstag gegen achtzehn Uhr angetreten wurde, verlief dank deutscher Autobahnen und einem flotten Reisetempo ohne Probleme. Nachdem ich von meiner Frau hin und wieder auf die doch annähernd einzuhaltenden Geschwindigkeitsbeschränkungen aufmerksam gemacht wurde, erreichten wir nach knapp sechsstündiger Fahrt gegen vierundzwanzig Uhr das knapp achthundert Kilometer entfernte Zwischenziel. So konnten wir uns am ersten Urlaubstag über die Radiomeldungen von (aufgrund des Feiertages) verstopften Autobahnen amüsieren und fanden sogar noch Zeit eine kurze Neun-Loch-Runde auf dem nahegelegenen Golfplatz zu absolvieren. Zurückgekehrt von dieser ersten Urlaubsfreude trudelten auch meine Eltern nebst Neufundländer Ruprecht (also einem riesigen schwarzen Hund mit einem Gewicht von fast achtzig Kilogramm) nach ebenfalls knapp sechsstündiger Autofahrt aus dem allerdings lediglich dreihundert Kilometer entfernten Heimatort in Ihrem Feriendomizil ein. Nach einem gelungenen gemeinsamen Grillabend wurde die Zeit des Aufstehens auf drei Uhr dreißig in der Frühe und die Abfahrtszeit Richtung Schweden auf vier Uhr festgelegt, um die Fähre Saßnitz - Trelleborg auch rechtzeitig zu erreichen. All meine Beteuerungen die Strecke in maximal zweieinhalb Stunden zurückzulegen, wurden in den Wind geschlagen. Vielmehr wurde auf einen Erfahrungswert meines Vaters zurückgegriffen, der vor nicht all zu langer Zeit seine Frau (also meine Mutter) sowie den Familienhund Ruprecht in fast dreieinhalbstündiger Fahrt zur Hauptverkehrszeit, mit dem Jeep querfeldein in die Nähe von Saßnitz kutschiert hatte. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass wir den Fähranleger nach knapp zweistündiger Fahrt gegen sechs Uhr früh (und damit eineinhalb Stunden vor der geplanten Abfahrtszeit) erreichten. Die Wette zwischen meiner Frau und mir, welche auf kleiner gleich zweieinhalb Stunden Fahrzeit bei nicht allzu forschem Reisetempo lautete, konnte ich für mich entscheiden. Zur Verteidigung meiner Frau ist aber noch anzumerken, dass sie mit ihren Schätzungen unseres weiteren Reisetempos im Lande Schweden weit besser lag als ich, was ich zwar erahnt aber so nicht erwartet hatte.

- Saßnitz -

In Saßnitz angekommen, fuhren wir schnurstracks Richtung Fähranleger, um frühestmöglich alle Formalitäten zu erledigen und auch ja einen sicheren Platz auf der Fähre zu ergattern. Die Beschilderung ignorierend erkundeten wir in den nächsten zwanzig Minuten das gesamte Gelände des Fährhafens. Erst als wir einige Male vor hohen Gitterzäunen zum Stehen kamen, entschlossen wir uns den Schildern, die den Weg zum Kontrollpunkt zeigten, zu folgen. Der Kontrollbereich war in mehrere Fahrspuren unterteilt, welche jeweils mit entsprechenden Richtungsschildern für den Zielhafen und einer Ampel ausgestattet waren. Die Ampeln für die beiden Fahrspuren nach Trelleborg standen auf Rot.
Nach einem halbherzigen Bremsmanöver vor eben einer dieser roten Ampeln folgte ich den Anweisungen meiner Frau und reihte unser Auto (die roten Ampeln überfahrend) in einer bereits aus sieben Fahrzeugen bestehenden Schlange ein. Da alle anderen Fahrzeugführer diese Ampeln offensichtlich ebenfalls als bloßes Beiwerk zur Kenntnis genommen hatten, stellte ich beruhigt den Motor ab und lehnte mich entspannt zurück. Während sich meine Frau zu einem Gang auf die Toilette entschloss, kramte ich gelangweilt und etwas müde etwa zehn Minuten in unserem Kofferraum herum, um alsbald eine mit geführte Spielkonsole zu Tage zu fördern. Nachdem ich beim Tetris schon die ersten Figuren aufeinander statt nebeneinander gestapelt hatte und ich mich dann einem weniger anstrengenden Ballerspiel widmete, sah ich im Rückspiegel ein Auto des Zolles heranbrausen. Meine Frau schlenderte gerade aus dem Kontrollgebäude auf unser Auto zu, als der Zollbeamte seinen Wagen verließ. Der Beamte baute sich vor dem ersten Fahrzeug in der Schlange auf. Ich ließ das Fenster auf der Fahrerseite unseres Autos herunter und konnte recht deutlich die Worte „rote Ampeln“, „Dämlichkeit“ und „Herdentrieb“ aus dem Munde des Zollbeamten aufschnappen. Die richtigen Schlussfolgerungen ziehend, legte ich den Rückwärtsgang ein und setzte unseren Kombi bis zur Haltelinie der Ampeln zurück. Daher kam also der Spruch „Die Letzten werden die Ersten sein.“, denn nun setzten sich auch alle anderen Fahrzeuge in Bewegung (nachdem sich einige Fahrer für teilweise recht umständliche Drehmanövern entschieden hatten) und reihten sich hinter uns ein. Unsere Enttäuschung war daher um so größer, als wir nach der Abfertigung feststellen mussten, dass sich unmittelbar vor der Einfahrt in die Fähre bereits wieder eine Fahrzeugschlange gebildet hatte, deren Herkunft uns bis heute unbegreiflich blieb.
In dieser Schlange stehend, stellten wir noch kurz einige Überlegungen an, ob es lohnenswert wäre erste Einkäufe im vielleicht dreißig Meter vom Auto entfernten „Duty free shop“ zu tätigen. Aus Sicherheitsgründen (wir wollten unter keinen Umständen die Fähre verpassen) entschieden wir uns dagegen. Statt dessen beobachteten wir die mutmaßlich von unserer Fähre stattfindenden Entladeaktivitäten. Nachdem bereits zwei Güterzüge von etwa je einhundert Metern Länge, zirka fünfzig Lastkraftwagen sowie an die siebzig PKW in entgegengesetzter Richtung an uns vorbei gerollt waren, begann ich mit meiner Frau eine Diskussion über die mögliche Größe unserer Fähre. Da aber in den nächsten fünfzehn Minuten die Fahrzeugschlange von den verschieden Ver- und Entladerampen kein Ende nehmen wollte und unsere Fähre in meinen Gedanken bereits die Größe einer Arche angenommen hatte, stellte ich meine diesbezüglichen Gehirnaktivitäten ein und harrte der Dinge, die da kommen sollten. Dass diese unendliche Flotte an Fahrzeugen jeder Art wahrscheinlich wohl nicht nur dem Bauch unserer Fähre entsprang, dieses Licht ging uns erst auf, als wir dann selbst die doch recht engen Spuren des Unterdecks befuhren und meine Frau dankbar bemerkte, dass nicht sie sondern ich am Steuer unseres Wagens sitze.
Nach einer viertelstündigen Rangiererei hatten Gott sei Dank sämtliche Opis mit Hut und ältere Damen in gut zwanzig Jahren alten Autos verschiedenster Herkunft unseren Kombi unbeschadet passiert. Den laut geäußerten Befürchtungen meiner Frau, dass man das Schiff in diesem Wirrwarr eventuell im Rückwärtsgang wieder verlassen müsse, schloss ich mich im ureigenen Vertrauen in meine Fahrkünste nicht an. Im Übrigen sollten sich derlei Gedanken als völlig unbegründet erweisen, da es eine (für uns zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht sichtbare) Seitenluke gab, durch die der gesamte Verkehr das Schiff vorwärts wieder verlassen sollte.

- Auf der Fähre –

Auf dem Passagierdeck des Schiffes angekommen, wichen wir als erstes den drei im Flur umherstehenden Sackkarren voller Büchsenbier aus. Leise in mich hineinlächelnd und meiner Frau erklärend, schlussfolgerte ich sofort auf die pro Person zulässigen vierundsechzig Liter Bier, was sich anhand der herannahenden und sich der Wagen bemächtigenden Horde offensichtlich schwedischer Jugendlicher auch bestätigte. Dieses Insiderwissen stammte natürlich aus den im Auto verstauten Reiseunterlagen des ADAC und war zudem in jedem der drei mitgeführten Reiseführern nachzulesen.
Nachdem wir alle drei Bordrestaurants besichtigt hatten, entschieden wir uns für ein „All-Inklusive-Frühstücksbüfett“ zum Festpreis. Jetzt lud ich mir als erstes den Teller mit rund zwanzig der ebenfalls im Reiseführer angepriesenen Kjöttbullar voll und stellte beim Verzehr fest, dass Mamas Klopse sicher auch nicht schlechter schmecken. Doch die Kjöttbullar waren nicht übel und so bat ich meine Frau, mir beim nächsten Gang zum Büfett noch einige dieser Köstlichkeiten mitzubringen, da ich zwar keinen Hunger mehr aber doch noch Appetit hätte. In ihrer gut gemeinten Art folgte sie meinem Wunsch und erschien wenig später mit weiteren ungefähr fünfzehn Stück dieser wohlschmeckenden Fleischbällchen. Auf meine Frage hin, wieviel sie denn davon zu verspeisen gedenke , antwortete sie mit einem Lächeln, dass diese Portion ausschließlich für mich bestimmt sei. Mir die Hose aufknöpfend und den Gürtel weitend, machte ich mich also ans Werk, musste allerdings nach gut einer halben Stunde die Waffen strecken und die verbleibenden fünf Klöpschen (zum Leidwesen meiner Frau) der Restmüllverwertung zuführen.
Der Rest der Fahrt verlief dann bei ruhigem Seegang recht ereignislos. Die erfahrenen Passagiere hatten es sich bereits auf den in den zugabteilähnlichen Kabinen vorhandenen Liegesitzen bei schwedischem Fernsehprogramm gemütlich gemacht, so dass wir mit den Holzbänken im Gang des Passagierdecks vorlieb nehmen mussten. Nach einigen Liegeversuchen auf den Bänken meinerseits, die sich unmittelbar vor den Spielautomaten des Schiffs befanden, entschlossen wir uns zu einem kurzen Bummel im Schiffsshop, in dem wir neben einer Tafel schwedischer Schokolade auch das Spiel „Vier gewinnt“ erstehen konnten. Wir entschlossen uns zu dieser Maßnahme, da das von uns mitgeführte Kartenlegespiel „Carcassonne“ durch den Zukauf aller vorhandenen Erweiterungssets im Spielverlauf leicht Ausmaße von mehreren Quadratmetern erreicht und somit für den Gebrauch auf der Fähre völlig ungeeignet erschien. Nachdem ich mehrere Partien „Vier gewinnt“ verloren hatte, wir das Oberdeck besichtigt und nochmals eine Runde im Schiffsshop gedreht hatten, erreichten wir zur planmäßigen Ankunftszeit unseren Zielhafen Trelleborg.

- Endlich Schweden –

Endlich Schweden! Den Bauch der Fähre verlassend, steuerten wir unser Auto auf dem Boden des fremden Landes (nicht zuletzt Dank unserer Shell-Straßenkarte im Maßstab eins zu achthunderttausend) sofort in die korrekte Richtung. Den Anweisungen meiner Frau folgend, die sich im Übrigen für eine ausgezeichnete Kartenleserin hält (was ich im Grunde nur bestätigen kann), legten wir die ersten vierzig Kilometer problemlos zurück, um kurz darauf an einer Tankstelle zu halten. Gut informiert, wusste ich bereits, dass es in Schweden zwei Arten von Zapfsäulen gibt, welche jeweils mit Konto und Kassa bezeichnet sind, was in dem einen Fall Vorausbezahlung mit Karte oder Bargeld, im anderen Fall die nachträgliche Bezahlung an der Kasse meint. Dumm war nur, dass ich bereits wieder vergessen hatte, was nun was meint und dass ich mit dem Begriff Sedel so gar nichts anzufangen wusste. Unsere Reiseführer, denen eine entsprechende Information entnommen hätte werden können, lagen gut verstaut unter all den anderen wichtigen Dingen im Kofferraum unseres Kombis. Ich ließ es also auf einen Versuch ankommen, griff nach der Dieselzapfpistole und drückte den Hebel. Nichts geschah.
Nach weiteren fünf Versuchen gab ich entnervt auf und ließ meinen Blick erst hilfesuchend zu meiner Frau und dann in Richtung des Tankwartes (der es sich in seinem Häuschen anscheinend sehr bequem gemacht hatte) gleiten. Während meine Frau prompt und mit all ihrer Fürsorglichkeit reagierte, zeigte der Tankwart keinerlei Regung. Noch während sich meine Frau nun auf den Tankwart zu bewegte, wagte ich einen Versuch mit der EC-Karte, da es sich bei der betreffenden Zapfsäule ja offensichtlich um ein im Voraus zu bezahlendes Modell handelte. Der Versuch scheiterte kläglich, da ich (die Sprachauswahl ignorierend) der in Schwedisch gehaltenen Menüführung nicht annähernd folgen konnte und mich nur der rote Abbruchknopf vor der Eingabe fantastischer Abbuchungsbeträge (nämlich meiner Geheimzahl) rettete. Immer lauter vor mich hin fluchend, erwartete ich meine im Anmarsch befindliche Frau, die den Tankwart im Schlepptau hatte. Entgegen den in den Reiseführern getroffenen Aussagen, dass viele Schweden ein paar Worte Deutsch, aber fast alle Englisch sprechen können, verstand unser Tankwart mit Ach und Krach seine eigene Muttersprache. Die einzige Hilfe, welche uns dieser gewährte, war das Wörtchen Euro und eine Armbewegung in Richtung des Zahlautomaten. Dieser Aufforderung Folge leistend, warf ich einen zwanzig Euro Schein ein, tankte für eben diese Summe und trat mit dem Gedanken - wie man in diesem Scheißland jemals den Tank voll kriegen sollte, wenn man immer im Voraus bezahlen muss – das Gaspedal unseres Turbodiesels durch.

- Die Autofahrt –

Die Nadel des Drehzahlmessers kratzte im zweiten Gang gerade eben am roten Bereich, als meine Frau auch schon schrie: Ich sei wohl wahnsinnig und völlig bekloppt, aber ihr sei es ja im Grunde scheißegal, wenn ich meinen Führerschein aufs Spiel setzte. Da es natürlich weder ihr noch mir tatsächlich egal war, überging ich den dritten und bremste (in den vierten Gang schaltend) das Auto auf die erlaubten neunzig Kilometer pro Stunde herunter.
Von unserem Tankstellenerlebnis immer noch etwas aufgekratzt, verlor ich nach etwa zehn Minuten die Geduld. Neunzig km/h – das konnte unmöglich deren Ernst sein. Meine Frau erinnerte mich noch während meiner Nörgelei über dieses Gegammel daran, dass es doch deren Ernst sei und das schon geringste Übertretungen zu beachtlichen Geldbußen führen würden. Hinzu kam noch, dass etwa alle zwei Kilometer ein etwa drei Meter hoher Blitzer aufgebaut war, der in Schweden auf den wohlklingenden Namen „Hastighetskamera“ hört, was auf den unmittelbar davor stehenden Hinweisschildern zu lesen stand.
Nach einigen stillschweigenden prozentualen Berechnungen bezüglich Tachoungenauigkeit sowie Toleranzbereich des Radarmessgerätes und unter Berücksichtigung unseres Urlaubsbudgets beschleunigte ich den Wagen fast unmerklich auf satte einhundertfünfzehn Kilometer pro Stunde. Ich war mir sicher eine akzeptable Reisegeschwindigkeit gefunden zu haben, befand mich für nicht allzu „hastig“ und bremste den Wagen immer wieder vor den nicht enden wollenden aber gut sichtbaren „Hastighetskameras“ auf die erlaubten Neunzig ab. Aufgrund meiner Müdigkeit und der damit verbundenen Unachtsamkeit meines Gasfußes sackte unsere Reisegeschwindigkeit im Verlaufe der Fahrt immer wieder in Bereiche unter einhundert km/h ab. Gerade aus einem solchen Geschwindigkeitsloch herausbeschleunigend und (unter Protesten meiner Frau) die einhundertsiebzehn Kilometermarke erreichend, tauchte im Rückspiegel ein vielleicht zwanzig Jahre altes, einheimisches Fahrzeug vom Typ Volvo auf. Jetzt packte mich die kalte Wut. Einerseits stellen die Schweden solch irrwitzige Geschwindigkeitsbeschränkungen auf, so dass man selbst auf Autobahnen (so breit und verlassen wie Flugzeuglandebahnen) nur mit der Geschwindigkeit eines getunten Treckers vorankommt und dann kommt da so eine angerostete schwedische Nuckelpinne daher und will auch noch überholen. Oh wie ich mich jetzt nach den guten alten deutschen Autobahnen sehnte. Ein Tritt aufs Gaspedal und der Kerl hinter uns wäre Geschichte.
Nachdem ich langsam aus meinen Gedanken erwachte, unser Fahrzeug im Verlaufe der nächsten zwei Kilometer auf stattliche einhundertneunzehn km/h beschleunigt hatte und dieser blödsinnige Drängler immer noch recht deutlich im Rückspiegel zu erkennen war, gab ich mich geschlagen und fuhr völlig entnervt (wie im Reiseführer beschrieben) auf den zum Ausweichen vorgesehenen Seitenstreifen und ließ den Volvo passieren. In Gedanken beschließend meine innerlichen Flüche auf Land und Leute etwas zurückzunehmen und mich vielmehr auf den bevorstehenden Urlaub zu freuen, fuhr ich auf den nächsten Parkplatz und ergriff (mit Rücksicht auf meinen Blutdruck) eine drastische Maßnahme. Ich tat was ich sonst äußerst ungern tue - zugegebenermaßen völlig unbegründet. Wahrscheinlich lag es auch an meiner Müdigkeit. Kurz und gut, ich übergab meiner Frau das Steuer.
Diese kutschierte uns dann in angemessenem Tempo und ohne Zwischenfälle bis kurz vor unseren Zielort, so dass ich im Verlaufe der Fahrt meine Augen etwas schonen konnte und nur dann und wann öffnete, um eines der immer zahlreicher werdenden roten Holzhäuser zu bewundern. Kurz vor Lönneberga, dem Wohnort von Michel und auch unserer Vermieter den Svenssons (bei denen wir den Schlüssel abzuholen hatten) übernahm ich wieder das Steuer. Meine Frau vergrub sich sofort im Kartenwerk sowie in der Wegbeschreibung, gab mir entsprechende Fahranweisungen und freute sich wie immer (wenn sie mich völlig orientierungslosen Volltrottel irgendwo hingelotst hatte) über das gelungene Ergebnis. Nach über dreihundert Kilometern und knapp fünf Stunden Autofahrt standen wir gegen siebzehn Uhr vor dem Hause unserer Vermieter und waren somit über eine Stunde vor der postalisch angekündigten Ankunftszeit eingetroffen.

- Die Vermieter –

Thord Svensson war ein etwa achtzig Jahre alter, leicht gebeugt gehender, weißhaariger Mann mit einem grauen drei Tage Bart, der uns ohne Umschweife aufs Herzlichste begrüßte und in sein Haus bat. Wie in allen unseren Reiseführern empfohlen, machte ich Anstalten mich meiner Schuhe zu entledigen. Daraufhin winkte die mit einer blauen Kittelschürze bekleidete sowie gleichfalls um die achtzig Jahre alte Frau von Thord ab und funkelte uns ebenso freundlich durch ihr siebziger Jahre Brillenmodell entgegen. Erstmals kamen meinerseits Zweifel gegenüber der Richtigkeit der in den Reiseführern vermittelten Informationen auf. Geschrieben stand, dass sich das Ausziehen der Schuhe noch aus einer Zeit erhalten hat, in der noch Stallmist aus den eigenen Bauernhöfen an den Schuhen klebte. Ich fragte mich gerade, wer zum Henker, wenn nicht diese beiden Alten (die uns laut Reiseprospekt einen ehemaligen Bauernhof vermieten wollten) sollte sich in Schweden diese Tradition sonst bewahrt haben, als die freundliche alte Frau auch schon eine Schüssel mit einem guten Kilogramm Keksen auf den Tisch stellte. Noch während uns Thord an den Tisch bat und ich mich (den Bauch noch voller Kjöttbullars und auf der Fahrt vorsorglich verzehrter Brote) gelassen zurücklehnte, folgte eine Tiefkühlsahnetorte. Um die alten Leutchen nicht zu enttäuschen und getreu den Höflichkeitsvorgaben unserer Reiseführer nahm ich mir vor, mindestens ein Stück von der Torte zu probieren und zwei Tassen Kaffee zu trinken.
Noch während ich so meinen Gedanken nachhang (dabei meine Frau mit ihrem glücklichen Lächeln betrachtend, dass zweifellos dem bevorstehenden Urlaub galt), fing Thord an zu erzählen. Er tat dies zwar weder zu schnell noch zu leise, dafür aber in schönstem Schwedisch. Keiner von uns Beiden verstand auch nur ein Wort. Während Thord eine kurze Atempause machte, wiesen wir (ihn höflich unterbrechend) darauf hin, dass wir kein einziges seiner Worte verstanden hätten. Das schien ihn nicht weiter zu stören (oder es war an ihm, der nicht verstand), denn unbeirrt fuhr er mit seiner Rede fort und begann ganz nebenbei einen Dialog mit seiner Frau, die ihm ebenfalls in schönstem Schwedisch antwortete und dabei unaufhörlich grinste. Jetzt war es an meiner Frau zu reagieren, was sie auch unaufgefordert tat und unser Dilemma mit einem siegessicheren Lächeln (sowie der Gewissheit der Konversation doch noch auf die Sprünge helfen zu können) in bestem Englisch zum Ausdruck brachte. Als Thord nun zu ihr aufblickte, aber sonst keine weiteren Reaktionen erkennen ließ, formulierte sie die Sätze etwas einfacher, so dass jetzt auch ich jedes einzelne Wort deutlich verstehen konnte. Doch weder Thord noch seine Frau zeigten auch nur den Hauch von Verständnis und fuhren mit ihrem Dialog (hin und wieder uns anschauend und uns aufmunternd zunickend) fort.
Währenddessen brodelte auf dem Tisch eine silberglänzende mit einem Stecker versehene Kanne, in der ich den Kaffee vermutete, der offensichtlich in einer Art übergroßem Espressokocher zubereitet wurde. Als ich im Deckel des Kaffeekochers durch ein kleines Klarsichtfenster die braune Flüssigkeit erkennen konnte, glaubte ich die Funktionsweise des Gerätes verstanden zu haben und wandte mich wieder dem Gespräch der beiden Alten zu.
So konnte das nicht weitergehen. Die Sverssons erzählten sich und vermutlich auch uns die tollsten Sachen und wir verstanden rein gar nichts. Da wir bereits alle uns zur Verfügung stehenden Sprachkenntnisse erschöpft hatten, beschloss ich der Unterhaltung etwas aufmerksamer zu folgen. So schwer konnte doch Schwedisch nun auch wieder nicht sein. Einige Wörter wie „Sohn“, „Stockholm“ und „Ingenieur“ aufschnappend, reimte ich mir zusammen, dass der Sohn der Beiden sicherlich Ingenieur in Stockholm ist und entschloss mich zu einem (in meinen Augen genialen) Schachzug. Eine Gesprächspause der Alten nutzend, begann ich auf Deutsch zu berichten, dass ich ebenfalls Ingenieur sei und Brücken baue, meine Frau vor Kurzem Volljuristin geworden ist, wir ebenfalls nach Stockholm fahren wollten und überzeugt davon seien, dass es sich bei Stockholm um eine außerordentlich schöne Stadt handelt. Nach einer ungefähr fünfminütigen Rede schloss ich mit der Bemerkung, dass wir aus der Nähe von Stuttgart kämen, verschwieg dabei aber unsere ursprüngliche Herkunft, da ich derlei Erläuterungen in dieser Situation für viel zu kompliziert erachtete.
Die Taktik war klar. Durch diesen Konter (in Form meines Redeschwalls) wollte ich den Beiden drastisch vor Augen führen, dass wir kein Wort von dem was sie sagten verstehen konnten, so wie auch sie kein Wort von uns verstanden. Für Sekundenbruchteile schien es gelungen. Und zwar eben gerade bis zu dem Moment als Thord das Wort „Stuttgart“ aufschnappte, die Stadt zu kennen schien und uns mit einiger Gestik und viel Mimik zu verstehen gab, dass dort seiner Ansicht nach viel schlechtere Luft als hier bei ihnen in Schweden sei. Dem gab es nichts mehr hinzuzufügen. Ich war völlig im Eimer, ich konnte nicht mehr, ich gab auf, war müde und völlig genervt. Die beiden Alten machten keinerlei Versuche eine einigermaßen verständliche Kommunikation aufzubauen. Außerdem lehnten sie jegliche Zuhilfenahme des Sprachteiles im Reiseführer grundsätzlich ab. Sie wollten einfach nur erzählen und freuten sich offensichtlich, in uns so geduldige Zuhörer gefunden zu haben. Noch während die alte Frau einen Teller mit annähernd dreißig belegten Broten auf den Tisch stellte, fragte ich mich für wieviel Personen die aufgetafelten Speisen wohl reichen würden und beschäftigte mich (die weitere Unterhaltung meiner Frau überlassend) mit einem Stück Sahnetorte und einer Tasse Kaffee.
In Gedanken sah ich mich schon vor unserem Ferienhaus sitzen, meine Tabakspfeife in Brand stecken und die untergehende Abendsonne betrachten, als mein Blick auf die Uhr fiel. Kurz zusammenzuckend stellte ich fest, dass wir bereits eine geschlagene dreiviertel Stunde am Tisch saßen, völlig unnötig Essen in uns hinein schaufelten und schon längst alle Sachen aus dem Auto in unserem Ferienhaus hätten haben können. Nur der Schlüssel, ja der Schlüssel und eine Wegbeschreibung zum Ferienhaus, die fehlten uns nach wie vor. Auf meine Bitte hin versuchte meine Frau von den Beiden zu erfahren, wann wir denn den (von uns so heiß begehrten) Schlüssel zum Haus erhalten würden und wo denn das Haus sei. Daraufhin entbrannte eine zehnminütige Diskussion, der ich mit halbem Ohr lauschte und in deren Verlauf klar wurde, dass Thord uns zum Haus führen würde. Die Frage war nur wann. In der folgenden halben Stunde, in der meine Frau eben diese Frage zu klären versuchte, wurde ich zum maßlosen Bewunderer ihrer Geduld, ihres Gleichmutes und ihrer (trotz offensichtlicher Erfolglosigkeit) anhaltenden Konversationsbereitschaft.
Ergebnis der Diskussion war, wie mir meine Frau mit fragendem Blick mitteilte, dass wir auf irgendetwas oder irgendjemanden warteten. Schlagartig hellwach wurde ich, als Thord (zum ersten von insgesamt zwei Malen im Rahmen unserer Begegnungen) das für uns sehr klar verständliche Wort „Katastroph“ benutzte. Jetzt wurde auch meine Frau langsam sauer und etwas lauter, weil sich herausstellte, dass nach Ansicht der beiden Alten unser Ferienhaus überbelegt wäre und wir auf weitere Ankömmlinge aus Deutschland warten müssten, die das Haus mit uns teilen sollten. Das Letzte was wir uns gewünscht hatten, war ein zweiwöchiger Urlaubsaufenthalt mit völlig fremden Leuten unter einem Dach. Wir wollten eigentlich nur unsere Ruhe haben, auf niemanden Rücksicht nehmen müssen und einfach abschalten. Noch während meine bisherige Lethargie in beinahe aufgeregten Aktionismus umschlug (was sonst gar nicht meine Art ist), begann ich erste laute Überlegungen, eine Pension anzumieten. Nach diesem ersten Schreck wollte ich mich gerade in Richtung Auto begeben, um mein Telefon zu holen mit dem ich die ganze Angelegenheit zu klären gedachte, als Thord mit zwei Postkarten in der Hand aus dem Wohnzimmer kam. In einer dieser beiden erkannte meine Frau sofort unsere eigene (mit der planmäßigen Ankunftszeit versandte) Karte und bekam mit dieser auch die zweite uns unbekannte Karte ausgehändigt. Nach einem ausgiebigen Studium der zweiten Karte durch meine Frau stellte sich zu unserer großen Erleichterung heraus, dass Thord den An- und Abreisetermin verwechselt hatte und damit nun doch niemand mehr erwartet wurde.
Über die gestiftete Verwirrung etwas ärgerlich und nach diesem nunmehr fast zweistündigen Antrittsbesuch komplett urlaubsreif bestiegen wir unseren Kombi und gaben Thord so zu verstehen, dass wir jetzt sofort zum Ferienhaus gebracht werden wollten. Er schien das auch gleich verstanden zu haben und so folgten wir ihm kurze Zeit später, als er ebenfalls seinen Wagen anließ und ohne weitere Umschweife vornweg fuhr. Sein Fahrstil entsprach genau meinen Erwartungen, die ich in dem Moment hegte als er sich zu seinem anhaltenden Dauergrinsen (welches nur ab und an von einem lauten Auflachen unterbrochen wurde) völlig überflüssigerweise noch einen weißen Anglerhut über den Kopf stülpte. Nach annähernd fünfzehn Kilometern Fahrstrecke immer tiefer in den Wald hinein (allerdings immer noch auf asphaltierter Fahrbahn) kam Thords Wagen an der Einmündung eines kleinen Weges zum Stehen, so dass auch wir unser Auto hinter ihm zum Halten brachten. In der Annahme unser Ferienhaus liege entlang des Weges ein Stück in den Wald hinein und Thord wolle sich die Fahrt dorthin ersparen, baten wir um den Schlüssel und wollten uns verabschieden. Es folgte (ich hatte es befürchtet) eine zirka fünfminütige Diskussion. Der Kerl trieb mich langsam zur Weißglut. Im Auto vor mich hin schwitzend und auf das Lenkrad trommelnd, versuchte ich meinen bedenklich angestiegenen Pulsschlag unter Kontrolle zu bringen, während meine Frau dankenswerterweise die Unterhaltung führte. Schlussendlich schwang sich Thord wieder in seinen Skoda und meine Frau wusste zu berichten, dass er uns lediglich auf einen Fischereiplatz aufmerksam machen wollte (der ein Stück des Weges im Wald lag) und uns nunmehr zum Haus führen würde. Nach ungefähr fünf Kilometern bog Thord Svensson in einen zweispurigen befestigten Weg ein, um nach weiteren zweihundert Metern in einen einspurig befahrbaren Waldweg abzubiegen, der nach abermaligem Rechtsabbiegen in einen mit Gras bewachsenen Trampelpfad mündete. Dem vorausfahrenden Fahrzeug im Schritttempo etwa zwei Minuten steil bergab folgend, kamen mir erste Zweifel an der Richtigkeit des Weges zu einem möglicherweise doch noch vorhandenen Ferienhaus. Unmittelbar nachdem ich diese Zweifel meiner Frau gegenüber geäußert hatte, kam Thords Wagen (wie mir zur Bestätigung) direkt auf dem Trampelpfad und ohne ersichtlichen Grund zum Stehen. Thord stieg in einer Arschruhe aus seinem Skoda und deutete, nachdem er ein paar Sekunden lang schweigend den Waldboden betrachtet hatte, auf eben diesen, zeigte (um genau zu sein) auf einen Pilz und grunzte drei bis vier mal das Wörtchen gut oder etwas in dieser Art. Ich hätte ihn umbringen können. In Gedanken durchsuchte ich bereits den Kofferraum unseres Kombis nach dem Angelrucksack, in dem sich ein Tauchermesser mit einer fast fünfzehn Zentimeter langen stehenden Klinge befand. Meine Frau bemerkte wohl das Hervortreten meiner Adern im Schläfenbereich und riet mir (allerdings auch schon in einem recht entnervten Ton) im Auto zu bleiben, während sie die Angelegenheit erneut klären würde.
Erst jetzt bemerkte ich den durch die Bäume schimmernden azurblauen See sowie den roten Angelkahn am Ufer, auf den Thord jetzt gemächlichen Schrittes zulief. Ich begriff sofort. Das war das im Katalog angepriesene Boot nebst Anlegestelle und irgendwo im Umkreis von fünfhundert Metern musste sich (wenn man dem Katalog Glauben schenken wollte) unser Ferienhaus befinden. Aber ich sah kein Haus. Ich glaubte an gar nichts mehr. Ich war nur froh unsere Sonnenmuschel im Auto zu wissen, so dass wir wenigstens für diese erste Nacht ein Dach über dem Kopf gehabt hätten.
Doch unser lang gehegter Traum wurde Wirklichkeit! Nachdem Thord abermals sein Auto bestiegen hatte und wir (ihm folgend) um zwei Ecken gefahren waren, trafen wir mitten im Wald auf das im Katalog versprochene Häuschen. Allein der Anblick entschädigte für alles. Es war nicht nur eins, nein es waren gleich zwei wunderschöne Häuser auf einem großen Naturgrundstück, die uns neben einem ebenfalls in schwedenrot gehaltenem Plumpsklo für die nächsten zwei Wochen übereignet wurden. Das Haupthaus war traumhaft. Ein altes, schwedenrotes Blockhaus mit weißen Sprossenfenstern und einem offenen Kamin im Wohnzimmer präsentierte vor der Eingangstüre eine kleine überdachte Holzterrasse.
Noch bevor uns Thord darauf hinweisen konnte, erklommen meine Frau und ich (jeweils unabhängig voneinander) die hinter dem Haus liegende Felsplattform und standen sprachlos vor einem Panorama, wie es schwedischer nicht sein konnte. Vor uns lag ein Tal, dass im Vordergrund (von dichten Nadelwäldern eingerahmt) den Blick auf einige nach oben herausragende Kiefern und im Hintergrund auf einen See mit einer stark bewaldeten Insel lenkte. In diesem Augenblick waren wir für alles entschädigt. Wir hatten die letzten drei Stunden schon fast vergessen und um das zu besiegeln, wurde Thord (mit aller uns noch zur Verfügung stehenden Höflichkeit) schnellstmöglich verabschiedet. Danach brachte ich unsere Taschen vom Auto ins Wohnzimmer, ließ mich im Anschluss auf eine Bank der besagten Holzterrasse gleiten und steckte meine extra für diese Reise angeschaffte und bereits eingerauchte Tabakspfeife in Brand. Ein Blick auf die Uhr zeigte die einundzwanzigste Stunde.

- Der Kaffeekocher -

Nachdem wir noch in der Nacht mit Mühe und Not sämtliche Sachen und Vorräte in die mehr oder weniger leeren Schränke und Ecken des Hauses verteilt hatten, fielen wir todmüde in unser Doppelbett. Zuvor hatte ich mich jedoch aufgrund der abgeschiedenen Lage unseres Hauses dazu entschlossen die Golfausrüstung in unserem Schlafzimmer zu deponieren, da ich mittlerweile die mitgebrachten Schläger (in Erinnerung an einige gute Fernsehkrimis) als tödliche Waffen zu schätzen wusste. Weiterhin wurden das Tauchermesser, eine mitgenommene Taschenlampe sowie der Haustürschlüssel auf meinem Nachtschrank hinterlegt. Diese Sicherheitsvorkehrungen behielt ich für den gesamten Aufenthalt in unserem Ferienhaus bei. Da auch meine Frau nicht zu übertriebener Risikobereitschaft neigt, wusste sie meine Vorsorge zu schätzen und wir fielen sofort nach dem Zubettgehen in einen tiefen und ruhigen Schlaf. Bevor wir nun (gegen Mittag des nächsten Tages ohne den störenden Wecker aus unserem Schlaf erwachend) das Haus gründlicher in Augenschein nehmen wollten, machte ich mich daran einen unbedingt notwendigen Kaffee für unser Frühstück zuzubereiten.
Da stand sie vor mir – eine im Sonnenlicht silberglänzende Kanne der Marke „Husqvarna“, die ich nur vom Hörensagen schwedischen Geländemotorrädern zuzuordnen wusste. Es war exakt das gleiche Modell, welchem Thord am Vortage einen starken und wohlschmeckenden Kaffee zu entlocken wusste. Die Sache hatte nur einen Haken. Die Kanne stand völlig ausgeweidet neben dem zugehörigen Elektrokabel und ohne Deckel vor mir. Wo kam jetzt der Kaffee hinein? Kurzerhand entschlossen, füllte ich den Kaffee auf den Boden der Kanne und gab einen guten Liter Wasser hinzu, um die so angesetzte Brühe in der offenen Kanne zu kochen und im Anschluss durch die selbstverständlich mitgebrachten Filtertüten abzugießen. Plötzlich erzitterte das gesamte Haus unter einem mörderischen Geräusch, dass ich nach kurzer Suche der anspringenden Wasserpumpe zuordnen konnte. Man würde sich daran gewöhnen. Noch während ich das neben der Kanne liegende Elektrokabel in den Kaffeekocher und die Wandsteckdose einstöpselte, ließ meine Frau aus dem Bad (unter der Dusche stehend) ein deutliche vernehmbares Igitt Igitt hören. Sie schrie, was das denn für eine braune und stinkende Brühe sei, die hier aus dem Wasserhahn käme und machte mir recht deutlich klar dieses Wasser nicht einmal zum Zähne putzen verwenden zu wollen. Auch mir fiel schlagartig wieder der leichte Modergeruch ein, welchen ich beim Öffnen des Wasserhahnes vernommen hatte, den ich aber in meiner Weisheit und zu diesem Zeitpunkt dem ungelüfteten Haus zuschrieb. Noch während sie leise vor sich hinschimpfend aus dem Badezimmer kam, fiel ihr Blick auf die von mir angesetzte Pampe, die einmal unseren Frühstückskaffee abgeben sollte. In ihrer leisen und hintergründigen Art gab sie mir zu verstehen, dass ich wohl nicht mehr ganz richtig im Kopf sei und sie von diesem Gesöff keinen Fingerhut voll trinken würde. Im Übrigen solle ich doch erst einmal meine Kontaktlinsen einsetzen, statt hier wie ein blinder Maulwurf in der Gegend herumzublödeln und meinen dann geschärften Blick auf die im Trockenkorb der Spüle verstreuten Einzelteile lenken, was ich dann auch tat. Das Gesehene übertraf all meine Erwartungen. Vor mir lag eine lange strohhalmähnliche verchromte Stange (an die im oberen Fünftel eine Feder angeschweißt war), ein becherförmiges Metallteil mit einem Sieb als Boden, ein weiteres siebartiges Metallgebilde, der sofort von mir als Deckel identifizierte Verschluss der Kanne mit Sichtfenster sowie eine leicht ausgebeulte Gummischeibe. In dem Gummiteil vermutete ich sofort den Dichtring, den ich von unserem heimischen Espressokocher her kannte und wunderte mich nur etwas über dessen scheibenartige und undurchlässige Konstruktion.
Sofort ging ich ans Werk. Ich kippte die angesetzte Brühe in den Abfluss, spülte die Kanne aus, ließ den Siebbecher auf den Boden des Kochers gleiten und steckte die Metallstange (durch das vorgesehene Loch im Siebbecher) senkrecht stehend in die Kanne ein. Kurz vor dem Einfüllen des Wassers aus einer der (von insgesamt achtzehn Stück) mitgeführten eins Komma fünf Liter Wasserflaschen kam ich ins Stocken. Still vor mich hingrübelnd betrachtete ich das zweite Sieb in meiner linken und die vermeintliche Gummidichtung in meiner rechten Hand. Nach einer geschlagenen Viertelstunde und unzähligen Zusammenbauversuchen mit allen mir zur Verfügung stehenden Teilen ließ ich mich erschöpft auf einen Küchenstuhl fallen. Ich beschloss (getreu dem Motto: „Dem Ingeniör ist nichts zu schwör“) die Sache analytisch anzugehen. Nach einigen Überlegungen zum Aufsteigen von kochendem Wasser in einer Kapillaren, welche vom erfolglosen Suchen nach der Bedienungsanleitung begleitet wurden, begann ich erneut mit der Montage. Als erstes setzte ich den Metallstab ein. Danach befüllte ich die Kanne mit dem besagten Flaschenwasser und führte den Siebbecher in dem dafür vorgesehenen Loch über die Metallstange, bis er auf der Feder aufsitzend kurz unter dem Rand des Kochers verschwand. Anschließend tat ich Kaffee in den Siebbecher, setzte das etwas kleinere Sieb oben drauf, um dann die Kanne mit dem dafür vorgesehenen Deckel zu verschließen. Man kann mein Dilemma bereits erahnen, denn trotz aller Bemühungen fand sich für die vermeintliche Gummidichtung kein Platz mehr. Meinen Berechnungen zufolge hätte das Wasser (nach seiner Erhitzung durch die elektrisch beheizte Bodenplatte) in der Röhre aufsteigen sollen und sich durch das befüllte Kaffeesieb nach unten ergießend in Kaffee verwandeln müssen. Unklar blieb mir, wann dieser Vorgang beendet sein würde, da sich ja das zunehmend brauner werdende Wasser immer wieder aufs Neue in diesen immerwährenden Kreislauf begeben würde. Allerdings war ich durch meine bei Thords Kaffeekocher gemachten Beobachtungen von der Richtigkeit meines Vorhabens überzeugt. Ich hoffte auf eine Abschaltautomatik (die möglicherweise durch ein Bimetall gesteuert hätte sein können), befand aber auch, dass ich im Zweifelsfall jederzeit den Stecker ziehen konnte. Lediglich die fehlende Gummidichtung bereitete mir noch Kopfzerbrechen.
Um meine Frau nicht unnötigerweise der eventuell drohenden Explosionsgefahr auszusetzen, bat ich sie die Küche zu verlassen und steckte in einem Anfall von Wagemut den Stecker in die Dose. Sofort begann die Maschine begleitet von rhythmischen Klopfgeräuschen zu arbeiten. Dass diese Geräusche ein Hinweis auf den ordnungsgemäßen Gebrauch des Kochers waren, wusste ich ebenfalls noch von unserem Kaffeegelage bei den Svenssons. Wie durch Zauberhand stellte die Maschine tatsächlich nach knappen zehn Minuten ihre Arbeit ein, so dass ich meine Frau wieder in die Küche bitten konnte, um ihr stolz meinen ersten schwedischen Kaffee zu präsentieren.
Was soll ich sagen? Der Kaffee war ganz vorzüglich und meine Genialität unübertroffen. Noch während ich mich dem Kaffeegenuss sowie meinem bereits erkalteten Frühstücksei hingab, öffnete ich meine völlig verkrampfte und zur Faust geballte linke Hand. Oh diese Dichtung! Oder war es gar keine Dichtung? Was war es dann? Um mich nicht allzu sehr auf diese Fragestellung konzentrieren zu müssen, erklärte ich meiner Frau, dass dies eine offensichtlich völlig unnötige Gummidichtung sei, was sie (von meiner anhaltenden Orakelei erlöst) auch dankbar zur Kenntnis nahm. Anschließend legte ich meine heiß geliebte Gummidichtung an ihren angestammten Platz (den Spülkorb) zurück und verbannte sie aus meinen Gedanken. Als ich mich nach einem ausgiebigen Frühstück gerade ein wenig im Haus herumdrücken wollte, um meiner Frau beim anstehenden Abwasch nicht unnötig im Wege zu stehen, vernahm ich einen Hilferuf aus der Küche. Meine Frau erklärte mir ohne Umschweife, dass sie ein dringend benötigtes Teil suche (da sie ansonsten unmöglich das Wasser in der Küchenspüle halten könne), als mich auch schon der Geistesblitz traf. Über beide Ohren grinsend und von Gott erleuchtet, schaute ich ihr für ein paar Sekunden in die Augen, griff in den Spülkorb und präsentierte meiner Frau den gerade vermissten und zum Abfluss des Spülbeckens gehörigen Stöpsel!
 

Columbus

Mitglied
Warum gibt niemand eine Meinung ab?

Hallo alle zusammen,

bin etwas enttäuscht, dass sich niemand zu meinem Beitrag äußert. Ist er zu lang oder wirklich so schlecht?
 
Nachdem Du nun direkt fragst, lass mich ein paar Kommentare dazu abgeben, warum ich den Text anstrengend fand:

Gleich zu Beginn startest Du mit ziemlich langen Schachtelsätzen. Gerade bei einer Urlaubsbeschreibung würde ich da einen "lockeren" Stil, sprich kürzere Sätze erwarten. Auch sollten diese Lust auf den Urlaub machen. Du steigerst Dich aber gleich in zuviele Details rein (was ihr alles eingepackt habt), ohne den Grund dafür zu beschreiben. Das scheint mir mehr eine mechanische Auzählung von Aktionen, aber nicht so sehr eine gefühlsmässige Beschreibung zu sein. So ein bisschen nach dem Fokus: "Warum sind wir dort hin", und nicht "Wie sind wir dort hin".

Weiters verwendest Du leider sehr viele kommentare in Klammern. Das sollte besser in den Text eingebaut werden. Von irgendeinem berühmten Schriftstelle habe ich mal den Kommentar zu Klammern gelesen, "wenn man den Text in den Klammern nicht im normalen Text unterbringen kann, dann soll man ihn weglassen"(oder so ähnlich).

Mach mehr Absätze und nicht riesige Paragraphen.

Generell, wie schon erwähnt, sollte eine Reisebeschreibung Lust machen, und nicht pingelig jedes einzelne Detail auskosten. Mehr auf Gefühlsebene, denn auf der Stücklistenebene.

Und zum Schluss verstehe ich nicht genau, warum das unter Humor&Satire ist? Aber da Humor eben verschieden ist, kann ich das einfach übersehen haben.

Eventuell würde die Aufarbeitung einer einzelnen Anekdote aus der Schwedenreise wesentlich mehr über das Gefühl der Reise aussagen, als der vorliegende äusserst lange Text.

Soviel von mir, sieh das bitte aber als konstruktive Kritik.

Mario
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
nun

hab ich mich auch endlich durch das lange werk gelesen und meine, es wär ein guter tagebuchtext.
einzelne anekdoten wären für humor und satire günstiger.
lg
 



 
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