Schweigen - verhallt

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Walther

Mitglied
Schweigen - verhallt


In manchen Hallen
Herrscht jetzt eisiges
Schweigen

Nachdem über
Das fröhliche Lachen
Über das Drehen von Piruetten

Brechende Balken
Zu Gericht saßen
Und Schicksale urteilten

Weißer Flockentanz
Sammelte sich zu
Schwerwiegenden Schneedecken

Von Menschenhand
Geformte Bedachungen
Gaben ihren Bedenken nach

Begruben Hoffnungen
Freuden und glänzende
Aussichten aufs neues Jahr
 
S

Stoffel

Gast
Hallo Walther,

Du sprichst da die Eishalle an, die Todesopfer forderte.
Anderswo gab es ja leider auch Vorfälle, Gottseidank nicht mit solch tragischem Ausgang.

Ich lese das zwigespalten. Das war auch schon Thema hier bei uns. Inwieweit eben man Texte machen kann, sollte, kann, was Kathastrophen angeht.

Mir ist das leider etwas zu "aufgezählt".
Weiß auch nicht, ob ich das als "Schicksal" ansehen soll. Imerhin geht es ja um eine "technische" Fehlbarkeit?

Unten ein spontaner Gedanke zu dem, was immer NACH solch Ereignis kommt.
Redebedarf. Neben Klärungsbedarf.

lG
Sanne

Begraben
unter der weißen Flocken Flut
die Hoffnung auf ein gutes Neues Jahr.
Auch das Eis ist gebrochen.
 

Walther

Mitglied
Hi Stoffel,

dies ist ein klassisches Betroffenheitsgedicht. Ich habe zwar schon ein wenig Distanz schaffen können zum Thema, sicherlich ist es für Verallgemeinerungen zu früh (wenn diese bei solchen Themen überhaupt jemals erreicht werden können).

Das Leben ist so lakonisch wie diese Aufzählung, die ich für die Beschreibung des Ereignisses gewählt habe. Es ist bereits über das Ereignis und die zu beklagenden Opfer zur Tagesordnung übergegangen. In wenigen Wochen wird dieser Text ganz anders gelesen werden, da viele Leser das Ereignis selbst unter der Chiffrierung nicht mehr erkennen, sehr wohl aber die Hoffnungslosigkeit und das Erschrecken dessen, was beschrieben wird, nachvollziehen können werden.

Der Text muß in diesem Zusammenhang gesehen werden, auch wenn es vielleicht dafür jetzt noch zu früh und schon zu spät erscheint. Am Ende bleibt die allgemeine Aussage des Texts:

* Schicksal wird als Urteil gesehen. Es ist (fast) immer ungerecht.
* Die Natur ist und bleibt die unberechenbare Größe im Tun und Handeln des Menschen, der so gern vergißt, daß er ein Teil von ihr ist.
* Menschliches Handeln bleibt unvollkommen, aus welchem Grund auch immer. Manchmal reicht schon die Nachlässigkeit aus, Absicht ist dazu nicht vonnöten.
* Zwischen Freude und Trauer ist nur ein Augenblick, zwischen Leben und Tod verstreicht ein Moment.
* Einen gerechten Gott in solchen Ereignissen zu suchen, macht sprachlos und zornig.

Unsere Zeit ist lakonisch, die Hoffnungen und der Idealismus, die Naivität und der Glaube sind dem realen Sein, dem pragmatischen Managen eines Lebens in komplexen Umwelten gewichen. So ist auch dieses Gedicht, in dem selbst die Trauer ihre emotionale Tiefe einbüßt.

Bei mir sollte man immer unterstellen, daß das, was zu lesen ist, in meiner Lyrik auch so beabsichtigt ist. Dadurch entsteht die zweite Ebene in meinen Texten, in denen humorvolle Ironie und einer leiser, manchmal fatalistischer Sarkasmus den Überschwang der Gefühle gerade noch rechtzeitig dämpfen.

Einen dennoch gesegneten Tag und ein gutes Jahr 2006 wünscht Dir und allen

grüßend

W.
 
S

Stoffel

Gast
Lieber Walther,

wenn ein Statiker seine Arbeit gut hätte getan, so wäre das Dach nicht runtergestürzt.
WAS hat DAS alles dann mit "Schicksal" zu tun?
Nichts.
Es hat mit der Unfähigkeit eines/mehrerer Menschen zu tun.

Das noch fürmich abschliessend dazu.

lG
Sanne

PS: ja, Dir auch ein gesegnetes Neues Jahr.
 

Walther

Mitglied
Guten Abend, Sanne!

War's der Statiker? Ich bin nicht ganz informiert, war aber in der Gegend, als es geschah, nicht weit vom Berchtesgadener Land entfernt. Noch wissen wir nichts Definitives.

Für die Personen, die unter das Dach kamen, als es herunterbrach, für die ist das Geschehen Zufall (und damit Schicksal). Es hätte an einem anderen Tag passieren können, andere zu einem anderen Augenblick treffen können. Es hätte eine halbe Stunde später bei leerer Halle geschehen können.

Aber sei's drum: Schlimm und furchtbar ist das, was geschehen ist, für die Betroffenen und deren Familien so oder so. Daher ist die Debatte hier ein wenig akademisch.

Es bleibt zu hoffen, daß wir daraus etwas lernen und daß am Ende nicht nur Deklarationen bleiben. Dann wären die Opfer nicht gänzlich ohne jeden nachvollziehbaren Sinn gewesen.

Liebe Grüße

W.
 



 
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